SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel (li.) und DGB-Landeschef Nikolaus Landgraf Foto: dpa

Kaum ist der Streit zwischen Grünen und SPD um S21 vorbei, gibt es neue Konflikte.

Stuttgart - Ministerpräsident Winfried Kretschmann hatte sich den Wochenbeginn sicher reibungsloser vorgestellt. Da sind die Faschingsferien gerade vorbei, der politische Betrieb ist noch nicht wieder im Rollen – und was macht der Koalitionspartner SPD? Er schlägt sich beim Thema Besoldung auf die Seite der 240 000 Beamten und 70 000 Pensionäre im Land. „Die Staatsdiener können sich darauf verlassen, dass die SPD keinen Kürzungen ihres Einkommens oder der Beihilfe zustimmen wird“, sagt SPD-Landtagsfraktionschef Claus Schmiedel am Montagmorgen in Stuttgart. Und der neben ihm sitzende Landesvorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Nikolaus Landgraf, ergänzt zustimmend: „Wir lehnen Einkommenskürzungen zur Sanierung des Landeshaushalts ab.“ Die Beamten seien „nicht die Melkkühe der Regierung“.

Für den Beamtenbund ist das Wasser auf seine Mühlen. Seit Wochen geißelt Landeschef Volker Stich die Politik der grün-roten Regierung. Vor der Landtagswahl im März 2011 sei noch versprochen worden, den Beamten keine weiteren finanziellen Opfer abzuverlangen. Nun seien die Worte nichts mehr wert. Im aktuellen Landeshaushalt hatte die Regierung Einsparungen von 130 Millionen Euro bei den Beamten beschlossen – zum einen durch eine Verschiebung der Besoldungserhöhung, zum anderen durch Eingriffe bei der Beihilfe. Kein Wunder, dass Stich am Montag „hocherfreut“ auf Schmiedels Positionierung reagiert. „Ich hätte mir gewünscht, dass diese Aussage in ihrer Deutlichkeit schon früher kommt“, sagt der Beamtenbund-Landeschef unserer Zeitung. Nun aber habe die SPD eingesehen, dass angesichts der Milliarden Steuermehreinnahmen weitere Kürzungen unfair sind und Einschnitte im Bereich der Beihilfe gar verfassungswidrig wären: „Ich baue darauf, dass die SPD unser verlässlicher Partner bleibt, wenn es darum geht, Sonderopfer bei den Beamten zu verhindern“, betont Stich. Schmiedel habe sich im Unterschied zum Regierungspartner Grüne damit klar gegen strukturelle Eingriffe bei den Beamten ausgesprochen: „Ich bin sicher, dass dies kein Strohfeuer ist, sondern wir auf das Wort von Herrn Schmiedel zählen können.“

Grüne sind verärgert

So groß die Freude bei Stich ist, so groß ist der Ärger bei den Grünen. Nicht nur im Staatsministerium ist man sauer, auch bei der Grünen-Landtagsfraktion reagiert man irritiert auf Schmiedel. „Ausschließeritis hilft nicht weiter“, sagt Fraktionschefin Edith Sitzmann. Die Personalkosten würden mit 40 Prozent den größten Etatposten des 39 Milliarden Euro schweren Landeshaushalts ausmachen. Angesichts der Deckungslücke von 2,5 Milliarden Euro sei es „unrealistisch und unsolidarisch, den Personalbereich komplett auszuklammern“. Auch Schmiedels Parteikollege Nils Schmid geht auf Distanz zum eigenen Fraktionschef. Einsparungen im Personalbereich könnten „kein Tabu“ sein, meint der Wirtschafts- und Finanzminister. „Wer diesen Ausgabenbereich ausklammert, muss erklären, wo im übrigen Haushalt Einsparungen vorgenommen werden sollen“, giftet Schmid und fragt, ob Kürzungen bei Sozialausgaben, Investitionen oder Förderprogrammen besser seien.

Allein Schmiedel lässt sich von diesen Äußerungen und dem ausgebrochenen Koalitionskrach nicht von seiner Linie abbringen. Die Einsparungen von 130 Millionen Euro in diesem Jahr müssten „einmalig“ bleiben, betont er noch einmal am Montagnachmittag – nur wenige Stunden bevor die Spitzen der Regierung in der sogenannten Haushaltsstrukturkommission erstmals über dauerhafte Sparprojekte bis 2020 beraten. Vor diesem Hintergrund sei es „unklug, an Drohkulissen festzuhalten, die man politisch und verfassungsrechtlich nicht durchhalten kann“, sagt Schmiedel. Die Grünen müssten trotz aller Sparzwänge realisieren, dass Eingriffe bei der Beihilfe verfassungsrechtlich nicht zulässig seien.

Landtagsopposition reagiert mit Kopfschütteln

Beamtenbund-Chef Stich hatte in der Vergangenheit in dieser Frage wiederholt mit einer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht gedroht. Schmiedel selbst sagt am Montag, man müsse eher in den Bereichen Technik und Abläufe in der Verwaltung sparen, da gebe es genügend Einsparpotenzial. Zugleich räumt er aber auch ein, dass die Landesregierung „natürlich am Block Gehälter etwas wird machen müssen“ und dauerhaft Stellen einzusparen seien. „Aber wir können nicht erwarten, dass sich die Beamten konstruktiv an Einsparmodellen beteiligen, wenn sie stets die Sorge haben müssen, am Ende als die Gelackmeierten dazustehen.“

Die Opposition registriert den neuen Koalitionskrach mit Kopfschütteln. „Die Botschaft des Herrn Schmiedel hör’ ich wohl, allein, mir fehlt der Glaube“, meint FDP-Landtagsfraktionschef Hans-Ulrich Rülke und stellt infrage, ob „die Schwüre des Herrn Schmiedel“ den nächsten Landeshaushalt überleben werden. FDP-Landeschefin Birgit Homburger fürchtet weiterhin, „dass die Beamten zu Bauernopfern einer verfehlten Haushaltspolitik von Grün-Rot gemacht werden sollen“. Auch CDU-Landeschef Thomas Strobl reagiert skeptisch auf Schmiedels Wende. Erst habe die Landesregierung „gemeinsam Grausamkeiten“ beschlossen, und „nun erschrickt der kleine Koalitionspartner über sein eigenes Handeln“. Die nächste Auseinandersetzung naht schon. An diesem Samstag findet in Stuttgart die große Protestkundgebung des Beamtenbundes gegen den Sparkurs statt. Redner sind nicht nur die Vorsitzenden der vier Landtagsfraktionen, sondern auch der Ministerpräsident.