Angela Merkel im Wahlkampf: Wird die alte auch die neue Bundeskanzlerin sein? Und wenn ja: Mit welcher Koalition wird sie regieren können? Foto: dpa

Egal, wie die Bundestagswahl am Sonntag auch ausgehen wird: Aussichten auf einfache Regierungsbündnisse gibt es nicht, analysiert Bärbel Krauß.

Berlin - Die letzte Woche vor der Bundestagswahl ist angebrochen, und es geht auch in der Schlussetappe um viel. Das politische Ergebnis der Wahl steht keineswegs fest. Das sollte sich bewusst machen, wer angesichts der Meinungsumfragen in der alten Regierungschefin auch die neue sieht. Natürlich ist wichtig, wer den Kanzler stellt. Aber im Politiksystem dieser Republik ist es eben auch von zentraler Bedeutung, wer mit am Kabinettstisch sitzt. Wie die Wähler diese Frage beantworten, ist völlig offen.

In vielen Jahrzehnten hat die Bundesrepublik sich daran gewöhnen können, von äußerst stabilen Bündnissen regiert zu werden. Jetzt spricht aber vieles dafür, dass diese lange Phase zu Ende geht. Nach der Wahl müssen Politik und Bürger sich nicht nur auf langwierige Koalitionsverhandlungen einstellen. Auch das Regieren danach wird schwierig. Diesmal wird der Koalitionsführer nicht zwischen einfachen oder komplizierteren Bündnispartnern wählen können. Tatsächlich gibt es nur die Wahl zwischen dornigen Alternativen.

Vier Varianten für die Regierungsbildung

Wenn die Meinungsforscher nicht völlig daneben liegen, ist eine Mehrheit für Rot-Grün oder Rot-Rot-Grün schon jetzt ausgeschlossen. Eine Regierungszusammenarbeit mit der AfD, die den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde wohl erstmals schaffen wird, lehnen alle anderen Parteien ab. Damit bleiben höchstens vier unterschiedlich schwierige Varianten für die Regierungsbildung übrig.

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Kompliziert wird es schon für Schwarz-Grün (das unter den Bedingungen einer Aufholjagd noch Außenseiterchancen hat), weil die Beteiligten auf Bundesebene erstmals über die politische Lagergrenze hinweg zusammenarbeiten müssten. Noch komplizierter wird es – wenn sie noch ausreichend zulegen können – für Schwarz-Gelb. Zwar ist diese Formation in der Geschichte der Republik nun wahrlich regierungserprobt. Aber sollte die FDP den Wiedereinzug in den Bundestag und die Rückkehr an die Macht in einem Satz bewältigen, wird sie der Union ein der parlamentarischen Praxis entwöhnter, ungeübter und überschießend selbstbewusster Partner sein, dem allerdings der für eine erfolgreiche Sacharbeit so notwendige Apparat fehlt. Aller politischen Nähe zum Trotz ist das ein Garant für Konflikte.

Schwarz-Rot verspricht keine Stabilität

Das gilt noch mehr bei einer Neuauflage der großen Koalition. Müssen Union und SPD sie eingehen, weil es keine Alternative gibt, würde eine völlig andere Dynamik entstehen als bei ihren Vorgängern. Auf der einen Seite würde sie geprägt von der tiefen Verunsicherung und Existenzangst der Sozialdemokratie, der es wieder nicht gelungen ist, trotz aller Erfolge in der amtierenden Regierung anschließend einem Wahlsieg auch nur näher zu kommen. Auf der anderen Seite drängt in der Union die Frage nach der Merkel-Nachfolge mit Macht auf die Agenda. Fliehkräfte im Bündnis sind die Folge, die fast zwangsläufig zu Stellungskämpfen und Dauerunruhe führen. Der Mix aus Schwarz und Rot verspricht in der Neuauflage also nicht Stabilität, sondern Fragilität.

Damit bleibt eine Jamaika-Koalition aus Union, FDP und Grünen, die keiner anstrebt, die es noch nie gab und die allein schon wegen der Dreierkonstellation als konfliktreich gilt. Das alles stimmt, jeder weiß es. Doch genau das könnte zum Vorteil werden: Anders als bei den anderen Optionen liegen bei Jamaika die Schwierigkeiten offen. Niemand kann dem Irrtum erliegen, es könnte leicht sein, wenn CDU/CSU, FDP und Grüne sich etwa im Klimaschutz oder in Flüchtlingsfragen einigen müssen. Das alles sind keine ausreichenden Argumente, ein Jamaika-Bündnis direkt als Ziel anzusteuern. Aber es ist ein guter Grund, die schwarz-grün-gelbe Option nicht vom Tisch zu nehmen, nur weil sie schwierig ist. Denn eine einfache Lösung ist nach dieser Bundestagswahl nicht zu haben.