Klinikum Stuttgart verfehlt Wirtschaftsplan 2014 um sieben Millionen Euro Foto: Leif Piechowski

Der Personalrat des Klinikums Stuttgart verweist auf mehr als 800 Überlastungsanzeigen im Jahr. Dennoch will die Stadt Sparmaßnahmen auf den Weg bringen – auch auf Kosten der Beschäftigten.

Stuttgart - „Ihr spart – weil wir eure Zeche zahlen“ und „Schwarze Null – nicht auf unseren Rücken“ steht auf dem Plakat, das die Beschäftigen des Klinikums Stuttgart am Freitagmorgen im Rathaus aufrollen. Vor Beginn der Sitzung des Krankenhausausschusses machen die Vertreter des Klinikpersonals mit der Auftaktaktion auf ihre Situation aufmerksam. „Wenn Arbeitnehmerschutzrechte nicht eingehalten werden, muss dagegen gesteuert und nicht weiter gespart werden“, sagt Volker Mörbe, Krankenpfleger und Vertrauensleutesprecher von Verdi im Klinikum Stuttgart.

Grund für die Befürchtungen der Beschäftigten ist das von Krankenhausbürgermeister Werner Wölfle veröffentlichte Defizit von sieben Millionen Euro im Wirtschaftsplan des Klinikums für das Jahr 2014. Während im Jahr 2012 und 2013 der Wirtschaftsplan eingehalten wurde, wird die sogenannte schwarze Null im Jahr 2014 weit verfehlt. Die Gründe dafür liegen laut Wölfle im laufenden Betrieb.

Welche Häuser im Klinikum defizitär sind, will er nicht sagen, allerdings „bereitet der gesamte chirurgische Bereich finanzielle Probleme“. Außerdem sind laut Wölfle auch höhere Tarife und sinkende Patientenzahlen schuld am Defizit. Woran es liegt, dass es weniger Patienten gibt als erwartet, kann er sich nur so erklären: „Wir haben in Stuttgart eine sehr gute Versorgung für die Patienten – aber damit eben auch eine große Konkurrenz zwischen den Krankenhäusern.“

Die Baukosten für die Konzentrierung der Krankenhäuser des Klinikums auf die zwei Standorte in Bad Cannstatt und Stuttgart-Mitte seien jedoch nicht der Grund, obwohl „unsere Situation sicher eine andere wäre, wenn das Land die Baukosten zu 100 Prozent übernehmen würde“, sagt Wölfle. Er sehe keine andere Lösung, als Sparmaßnahmen auch auf Kosten des Personals durchzusetzen. „Es geht dabei nicht um Personalabbau, aber wir müssen auch über die Ausgliederung mancher Teile nachdenken.“ Über Konkretes könne er aber noch nicht sprechen. Für die Beschäftigten steht jedoch fest, dass die Sparmaßnahmen nicht auf ihrem Rücken ausgetragen werden dürfen.

„Mehr als 800 Gefährdungs- und Überlastungsanzeigen im Klinikum im Jahr 2014 zeigen, wie sich die chronische Unterfinanzierung der Krankenhäuser bereits jetzt auswirkt“, sagt Personalratsvorsitzender Jürgen Lux. Mit den Überlastungsanzeigen können die Mitarbeiter der Geschäftsführung schriftliche Hinweise geben, wenn beispielsweise vorgeschriebene Pausen, Höchstarbeitszeiten und Mindestruhezeiten nicht eingehalten werden und dadurch eine Gefährdung der Patienten befürchtet wird. Auch Auszubildende würden laut Personalrat wegen der Überlastung des Personals oft nicht richtig angeleitet werden. „Der Personalrat sieht die Stadt in der Pflicht, bis zum in Krafttreten des neuen Gesundheitsgesetzes 2016 einen höheren Zuschuss zu gewähren“, sagt Lux.

Die Forderung stößt bei der Stadt auf Widerstand: „Wir nehmen diese Anzeigen ernst und betrachten die Hintergründe von jedem Fall“, sagt Wölfle. Tatsache sei jedoch, dass die Personalausstattung des Klinikums immer noch weit über den Berechnungen des Instituts für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) liegen. Seit 2008 habe das Klinikum sein Personal um 600 Vollkräfte aufgestockt, „obwohl die Patientenzahlen sinken“, sagt Wölfle. Andere Krankenhäuser in einer ähnlichen Situation hätten dagegen mit entsprechendem Stellenabbau reagiert. Sinkende Patientenzahlen bedeuten für die Krankenhäuser auch weniger Fallpauschalen, denn sie bekommen für jeden Patienten mit einer genau definierten Erkrankung und Behandlung einen bestimmten pauschalen Betrag erstattet – unabhängig von der tatsächlichen Verweildauer der Patienten. Diese Regelung wird von den Kliniken seit vielen Jahren kritisiert.

Ein gewisses Verständnis bringt Krankenpfleger Volker Mörbe der Stadt daher entgegen: „Wir wissen, dass es in anderen Krankenhäusern oft noch viel schlimmer ist.“ In einem Punkt sind sich Stadt und Klinikum-Beschäftigte sogar einig: Die Hauptverantwortlichen sitzen ihrer Meinung nach nicht im Stuttgarter Rathaus, sondern in Berlin. „Mit der Einführung der Fallpauschalen sollte die Krankenhauslandschaft in Deutschland reduziert werden“, sagt Wölfle. Die Beschäftigten hoffen trotzdem auf die Unterstützung der Stadt: „Wir sind hier im Klinikum Stuttgart verantwortlich für unsere Patienten.“

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