Klimaschützer unterwegs: Protestaktion auch in Turin Foto: dpa

Wie stehen die Chancen für den Klimagipfel in Paris? Immerhin habe die globale Klimadebatte habe in den letzten Jahren einige wichtige Fortschritte erzielt, meint Hauptstadtkorrespondent Norbert Wallet in seinem Kommentar.

Paris - Die Zyklusdauer deutscher Angst-Konjunkturen wird immer kürzer. Erderwärmung – das war vorgestern. Flüchtlingskrise – ja, gut. Aber jetzt ist Terrorfurcht angesagt. Was das Klima angeht, mag die weiterziehende Karawane der Erregungsindustrie einen angemessen nüchternen Blick auf das Thema erlauben. Wobei die Sache auch bei ruhiger Betrachtung schnell kompliziert wird. Denn gerade der nüchterne Blick sollte die Erkenntnis ermöglichen, dass Klima, Flüchtlinge und Terror keine strikt getrennten Welten sind.

Eines der gerade augenfälligsten Beispiele ist die sehr erfolgreiche Rekrutierung junger Männer aus Bauernfamilien rund um den rapide austrocknenden Tschad-See durch den afrikanischen El-Khaida-Ableger Boko Haram. Der Zusammenhang ist nicht zu übersehen: Wenn in armen Ländern Klimaveränderungen die ohnehin kargen Lebensgrundlagen gefährden, setzt die Hoffnungslosigkeit Wanderungsbewegungen in Gang oder führt zu bedrohlichen Radikalisierungen.

Insofern ist die nun in Paris beginnende Weltklimakonferenz kein überflüssiges Gutmenschen-Palaver, wie uns noch immer zum Sektierertum neigende Leugner des Klimawandels einreden wollen. Im Gegenteil: In diesen Zusammenhängen gesehen betreibt die Konferenz genau das, was sich die deutsche Politik seit einiger Zeit zum hehren Grundsatz erkoren hat: die Fluchtursachen in den Herkunftsstaaten wirksam bekämpfen.

Wichtige Fortschritte in den letzten Jahren

Natürlich kann eine Konferenz von fast 200 Staaten, die nach dem Konsensprinzip funktioniert, nur Ergebnisse liefern, die hinter dem eigentlich Nötigen zurück bleiben. Die globale Klimadebatte hat in den letzten Jahren dennoch einige wichtige Fortschritte erzielt. China bekennt sich inzwischen im Prinzip zu einer Klimaschutz-Politik. Man kann bemängeln, dass es vielleicht wenig ehrgeizig erscheint, sich darauf festzulegen, erst ab 2030 keinen Zuwachs an Kohlendioxid zuzulassen. Aber es ist ein Durchbruch, dass die Chinesen bereit sind, sich überhaupt in eine Klimapolitik einbinden zu lassen. Und die USA erkennen ihre Mitverantwortung für den weltweiten Klimawandel an. Auch das eine Abkehr von der „Nach-uns-die-Sintflut“-Politik republikanischer Präsidenten.

Der Gipfel wird keine Festlegungen auf konkrete Zahlen und Limits bringen. Vielleicht liegt darin auch eine große Portion Klugheit, dass sich in Paris die Weltgemeinschaft stattdessen mit einer Reihe praktischer Fragen beschäftigt. Arme Staaten müssen ertüchtigt werden, mit den Folgen der Erderwärmung fertig zu werden. Das muss auch derjenige anerkennen, der kritisiert, dass ja eigentlich die Erwärmung gestoppt und nicht ihre Folgen gemildert werden müsse. Wie geht das? In Paris wird auch über eine Art Klimaversicherung gesprochen.

Ein schönes neues Wort. Man kann auch schlicht von einem globalen Klimafonds sprechen – und da taucht die nächste Frage auf: Wer zahlt ein? Da ist den Verhandlungen ein weiter Spielraum für Diplomatie und Kompromiss eröffnet. Es wäre nur gut, wenn sich die Unterhändler der Staaten, die die meisten Klimakiller ausstoßen, den eingangs beschriebenen Zusammenhang klarmachten: Klimapolitik ist eben langfristig auch Friedenspolitik.

Deutschland sollte sich in dieser Debatte nicht zu wichtig nehmen. Zuweilen könnte man den Eindruck gewinnen, wir allein könnten die Klimaprobleme lösen. Aber wir haben Vorbildwirkung. Schon der Ausstieg aus der Atomenergie wurde international stark beachtet. Es besteht keinen Grund, Umweltministerin Hendricks in ihrem Kampf um eine Kohlendioxid-Minimierung in den Arm zu fallen.