Die Klett-Passage am auptbahnhof soll attraktiver gemacht werden Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Die Stadt will die Klett-Passage am Hauptbahnhof attraktiver machen. Auf die Idee, Kunstwerke gegen Obdachlose einzusetzen und sie so von ihren Schlafplätzen zu vertreiben, will sich die Kunstakademie Stuttgart allerdings nicht einlassen.

Stuttgart - „Kunst statt Obdachlose im Untergrund“ – diese Schlagzeile unserer Berichterstattung hielten nicht nur Leser, sondern auch Petra von Olschowski, die Rektorin der Kunstakademie Stuttgart auf dem Killesberg, für einen Aprilscherz. Das war die Schlagzeile aber keineswegs.

Die Stadt hatte in Erwägung gezogen, dort, wo heute Obdachlose ihre Lager in der Klett-Passage aufgeschlagen haben, Kunstwerke zu platzieren, um die Bahnhofsunterführungen attraktiver zu machen. Daraus wird nichts, signalisiert die Kunstakademie. Von Olschowski: „Schlafplätze oder Aufenthaltsräume für Menschen zu vermeiden ist ein schwieriger Ausgangspunkt für eine künstlerische Arbeit.“

Die Rektorin fühlt sich außerdem von dem Arbeitskreis aus Stadt, Mietervereinigung der Klett-Passage, Polizei und Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB) übergangen, der die Stuttgarter Kunstakademie nicht in die Überlegungen, die Passage zu verschönern, mit einbezogen haben soll.

Trotzdem ist von Olschowski bereit, weiterhin mit der Stadt zusammenzuwirken – unter anderen Rahmenbedingungen: „Wir sind zu Gesprächen über eine Weiterführung oder Ausweitung der Zusammenarbeit bereit, wenn das Konzept für uns sinnvoll ist.“ Momentan hängen Würfel mit Kunst über den Zugängen zu den Stadtbahn-Bahnsteigen, die Kooperation läuft mindestens bis Ende des Jahres weiter.

Weniger versöhnlich gehen etliche Leser der Stuttgarter Nachrichten mit der Stadt ins Gericht, was die Idee angeht, Obdachlose mittels Kunst aus der Öffentlichkeit zu vertreiben: „Wäre vielleicht sinnvoller, den Obdachlosen ein Dach über dem Kopf zu bieten statt ihre Schlafplätze zuzubauen? Was für eine widerliche ,Idee‘“, kommentiert eine Leserin. „Wenn die Kunst sich dafür instrumentalisieren lässt, Obdachlose zu vertreiben, dann gute Nacht“, schreibt ein anderer. „Schüttet doch einfach Matsch hin. Oder Bananenschalen, dass alle ausrutschen“, bemerkt ein weiterer zynisch. „Diese Idee ist an Zynismus nicht zu überbieten. Kunst gegen Obdachlose, wie widerwärtig. Ist das eine Form von Kehrwoche?“, heißt es an anderer Stelle. So setzt sich der Ton der Kommentatoren auf dem sozialen Netzwerk Facebook fort.

 

Obdachlose und Herumlungernde in der Klett-Passage sind Stuttgart - meine Stadt und #SSB schon lange ein Dorn im Auge. Nun will man dem mit Kunst begegnen - was haltet Ihr von dem Konzept?

Posted by stuttgarter-nachrichten.de on Dienstag, 31. März 2015

Dass sich die Stadt mit dieser Überlegung selbst ins Knie geschossen haben könnte, sieht sie keineswegs so. Stuttgarts Ordnungsbürgermeister Martin Schairer (CDU) sieht eine Kooperation mit der Kunstakademie nicht als zwingend an. „Denkbar wäre es, andere Künstler für das Projekt zu gewinnen“, sagt er. Gleichzeitig hält er es für möglich, die Flächen, wo die Obdachlosen lagern, auch ganz anders zu bespielen. Aufgeben werde die Stadt ihr Vorhaben wegen der Absage der Kunstakademie jedenfalls nicht. Die Federführung in der Umsetzung liege allerdings bei der Mietervereinigung in der Klett-Passage.

Diese sieht das jedoch ganz anders: „Das ist öffentlicher Raum, und die Situation dort ist für die Mieter überhaupt nicht zu stemmen“, sagt Stephan Närger, Vorsitzender der Mietervereinigung. Es könne nicht sein, dass in einer von Grün regierten Stadt in einem von Grün regierten Land Zustände herrschten wie in der Klett-Passage und Randgruppen dort „menschenunwürdig übernachten“ müssten. „Die Stadt muss den Obdachlosen ein Alternativangebot liefern“, fordert er, „sonst kann es mit dem Einzelhandel in der Klett-Passage nicht bergauf gehen.“

Offenbar haben die Gespräche im März über Möglichkeiten, den Untergrund attraktiver zu machen, bislang kaum Früchte getragen. Am 16. April wollen sich die beteiligten Parteien erneut zusammensetzen. Ob Künstler gegen Obdachlose gewonnen werden können, bleibt angesichts der Reaktion der Kunstakademie fraglich. Vielleicht hat eine Zeitungsleserin ja eine Lösung gefunden: „Wie wäre es mit einer Kunstinstallation, die gleichzeitig eine angenehme Schlafgelegenheit bietet? Das wäre doch mal eine Herausforderung!“, schlägt eine Dame unter dem Nicknamen Rosi Br-Kusch vor. Dreizehn weitere Facebook-Nutzer sagen: „Gefällt mir!“