Eine Schweigeminute gab es für die Opfer des Terrorsin Manchester. Foto: factum/Granville

Beim kleinen Europa-Gipfel beraten Kommunalpolitiker aus sieben europäischen Städten die besten Konzepte fürs Krisenmanagement bei Hochwasser, Bombenfunden und Terroranschlägen.

Sindelfingen - Noch ganz frisch sind die Erinnerungen an die jüngsten Katastrophen: Erst vor wenigen Tagen starben 30 Menschen bei einem verheerenden Hochhausbrand in London. Keine vier Wochen ist es her, dass ein Terroranschlag bei einem Popkonzert Manchester in Nordengland traf. Meldungen über Amokläufe und Bombenattentate, aber auch Überschwemmungen oder Stürme sind mittlerweile häufig geworden.

Auch Kommunen müssen Strategien für den Ernstfall entwickeln. Im Sindelfinger Rathaus haben Vertreter der Stadt mit Kollegen aus den Partnerstädten ihre Notfallkonzepte ausgetauscht. Wie nah solche Katastrophen auch an vergleichsweise kleine Städte heranrücken, dafür ist Dronfield das beste Beispiel. Nur etwa 70 Kilometer von Manchester entfernt liegt die 36 000-Einwohner-Kommune. Und so gedachten die Teilnehmer des kommunalpolitischen Gesprächs in einer Schweigeminute den 22 Opfern des jüngsten Terroranschlags.

Fracking als Risiko in England

Als größtes Risiko für einen Unglücksfall in seiner Stadt schätzt das Ratsmitglied Philip Wright jedoch das Fracking ein. Mit diesem Verfahren soll bei Bohrungen aus der Tiefe Gas als Energie gefördert werden. Ein amerikanisches Unternehmen habe nur acht Kilometer von der Stadt entfernt mit Probebohrungen begonnen. Viel zu viele Schwerlaster seien seither auf nicht dafür ausgelegten schmalen Straßen unterwegs. Man rechne für die Zukunft, wenn mit der Gasförderung begonnen werde, mit Unfällen – und befürchte, es werde vielleicht auch Tote geben, so Wright.

Auch Sindelfingen hatte in diesem Jahr schon etliche Ausnahmesituationen zu managen - mit einem Problem, das es in diesem Ausmaß in keiner der Partnerstädte gibt. Dreimal innerhalb nur weniger Wochen wurden im Frühjahr bei Bauarbeiten auf dem Werksgelände von Daimler Bomben aus dem Zweiten Weltkrieg gefunden. „Jedes Mal mussten die Gebäude im Unkreis von 300 Metern evakuiert werden. 1500 Menschen mussten ihre Wohnungen verlassen, die Daimler-Mitarbeiter ihren Arbeitsplatz, die Bahnstrecke und etliche Straßen wurden gesperrt. Nach dem zweiten Bombenfund rüstete man sich schon einmal für den schlimmsten Fall, wie der Brandschutzmeister und Feuerwehrchef Wolfgang Finkbeiner erläuterte. „Wir mussten davon ausgehen, dass es noch eine ganze Reihe weiterer Bomben geben könnte und dass wir auch bis zu einem Radius von 1000 Meter evakuieren müssen.“ Davon wären bis zu 10 000 Bewohner betroffen gewesen. Die Verwaltung bereitet sich auf solche Szenarien vor. Detaillierte Pläne wurden ausgeklügelt, ein fester Krisenstab installiert. Beim dritten Fund im April hätten diese Strukturen gut gegriffen, so Finkbeiner. „Alles ging zügiger und reibungsloser als bei den ersten Malen.“

Hochwasser in Corbeil-Essonnes und Torgau

Mit ganz anderen Problemen hat das französische Corbeil-Essonnes zu kämpfen. Die Stadt wird von zwei Flüssen immer wieder von Hochwasser bedroht. Die jüngste Überschwemmung ereignete sich vor einem Jahr. Durch ein Frühwarnsystem sei man rechtzeitig auf die Lage aufmerksam geworden, berichtete Jean-Michel Fritz, der Erste stellvertretende Bürgermeister der Stadt. So habe man frühzeitig die Schulen schließen und die Parkplätze an den Ufern der Essonne sperren können. Während der Überflutung habe man die Stadt durch die Videoüberwachung kontrolliert. Etwa 150 Kameras sind installiert. Sie seien im Zuge der Terrorabwehr aufgebaut worden. In Frankreich ist man in Sachen Datenschutz offenbar etwas hemdsärmeliger als hier zu Lande. Mittlerweile, berichtet Fritz, bewährten sich die Kameras auch bei der Überwachung von Parksündern.

Für die Bevölkerung habe während der Überflutung eine Betreuerteam parat gestanden, das telefonisch erreichbar war. Es informierte über Versicherungsfragen, bot aber auch psychologische Betreuung an.

Erfahrungen mit Hochwasserkatstrophen hat auch das sächsische Torgau. Zwei so genannte Jahrhundertfluten erlebte es bereits in den 17 Jahren dieses Jahrhunderts. Aus den Erfahrungen der Flut von 2002 habe man für die zweite Flut 2013 viel gelernt, berichtete der Torgauer Feuerwehrchef. Die Helfer seien geschult worden und dank gemeinsamer Katastrophenschutzübungen habe die Zusammenarbeit mit der Bundeswehr gut funktioniert.

Sieben Partner in Europa

Sindelfingen hat sieben Partnerstädte: Chelm in Polen, Corbeil-Essonnes in Frankreich, Dronfield in Großbritannien, Györ in Ungarn, Schaffhausen in der Schweiz, Sondrio in Italien und Torgau in Ostdeutschland. Traditionell treffen sich Vertreter aller Städte zum Internationalen Straßenfest in Sindelfingen.

Doch vor dem Feiern wird es ernst. Bei einem Kommunalpolitischen Gespräch werden aktuelle Themen diskutiert und Konzepte vorgestellt. In der Vergangenheit wurden so die Integration Behinderter, die Zuwanderung, die Aufstellung von Haushaltsplänen und unterschiedliche Konzepte der Wirtschaftsförderung besprochen.