Der Meister und einige seiner Schätze: Homolka baut, restauriert und verkauft Geigen aller Art. Foto: Björn Springorum

Seit fast 30 Jahren leitet der Geigenbaumeister Hans-Jörg Homolka seinen Betrieb an der Bebelstraße im Westen – es ist ein Ort der Entschleunigung und der Konzentration.

S-West - Jeder, der früher mal „Pumuckl“ gesehen hat, stellt sich einen Meister doch genau so vor wie Meister Eder. Ruhig, besonnen, ein weiser Mann, der Hektik verabscheut, eine Schürze trägt und über die Ränder seiner tief auf der Nase sitzenden Brille in die Welt hinausblickt. Hans-Jörg Homolka (55) ist genau so ein Meister. Ein Geigenbaumeister, um genau zu sein, der seine Werkstatt direkt an der Bebelstraße im Stuttgarter Westen hat. Die sieht übrigens auch so aus, wie man sich eine solche Werkstatt nun mal vorstellt: Kruschtelig, aber nicht unaufgeräumt, vollgestopft mit Werkzeugen, fertigen oder halbfertigen Instrumenten und einer Menge sonderbarer Dinge, die sicher essenziell sind, wenn man eine Geige bauen möchte, sich dem Verständnis des Laien aber vollkommen entziehen.

Geigenbauen hat für den Meister etwas Meditatives

Mittendrin sitzt Homolka auf seinem Stuhl, der Blick konzentriert, die Hand ruhig. Vor ihm brennt eine Kerze. Der Meister behaart gerade neue Geigenbögen. Eine Arbeit, die seine Konzentration beansprucht, weshalb die Gesprächspausen bisweilen recht lang werden. Gutes Handwerk braucht eben vor allem viel Zeit. Und ist allein deswegen eine wundersam beruhigende Antithese zu der schnellen Welt vor Homolkas Tür.

„Durch das Geigenspiel nutzen sich die Haare ab oder brechen“, sagt der Geigenbauer, ohne aufzublicken. „Alle ein bis zwei Jahre muss der Bogen neu bespannt werden.“ Pferdehaare werden dafür verwendet, die besten kommen von mongolischen Pferden. „Die sind vom Wuchs regelmäßiger“, so der Meister. Etliche Großhändler buhlen um die Streichinstrumentenriege, manche haben sich ausschließlich auf Pferdehaar spezialisiert. „Ein richtiges Geschäft ist das“, sagt Homolka und lächelt.

Etwas Meditatives, Entschleunigendes geht von seiner Art aus. Eine Folge seiner Arbeit wahrscheinlich, die viel Geduld und Können erfordert und ihn bis heute immer wieder aufs Neue fordert. Natürlich verbringt Homolka seine Tage nicht nur damit, neue Geigenbögen zu bespannen. Das macht er nur montags, erzählt er. „Die anderen Tage sehen anders aus. Denn repariere oder restauriere ich Geigen, baue aber natürlich auch komplett neue Instrumente.“ Die hängen in den verschiedenen Stadien in den Vitrinen und an der Wand wie Fische, die zum Räuchern aufgehängt werden. Kostbare und zeitaufwendige Fische, um genau zu sein. „Für eine Geige sind etwa 150 Arbeitsstunden nötig, für ein Cello 300 bis 400 Stunden.“ Celli würden nur sehr wenige Geigenbauer herstellen, sagt er etwas undeutlich. Er hat einen Faden im Mund, spricht dennoch gelassen weiter, während er ihn einfädelt. „Das ist schon sehr viel Aufwand, außerdem ist ein Cello deutlich schwieriger zu bauen.“

Das Geschäft existiert schon seit mehr als 100 Jahren

Seit 1990 leitet der gebürtige Degerlocher Homolka das Geschäft, wie viele Geigen und Celli seither über seinen Ladentisch gewandert sind, möchte er nicht so genau sagen. Es seien schon sehr viele gewesen. Man hat den Eindruck, dass er nicht angeben will. Gegründet wurde das Geschäft schon vor mehr als 100 Jahren. Ein Familienbetrieb war es nie, die Kernkompetenzen sind aber schon lange dieselben: Reparatur, Restauration und Neubau.

Wenn Homolka nicht hochkonzentriert an seinem Schreibtisch sitzt, reist er in der Welt umher, begutachtet alte restaurierte Geigen, wägt ab, ob ein Kauf lohnenswert wäre. Dafür muss man sich gut auskennen, betont er. „Das ist ein wenig wie der berühmte Scheunenfund beim Oldtimer. Wie andere bei den Autos muss ich bei den Geigen einschätzen können, was ich da vor mir habe. Es sind ja teilweise 200 Jahre alte Instrumente.“

Möglich machen das die verschiedenen Schulen des Geigenbaus – die deutsche, die italienische, die französische. „Zudem“, fügt Homolka an „hat jeder alte Geigenbauer eine ganz spezielle Handschrift. Wer genügend Erfahrung hat, erkennt diese Handschrift.“ Ein kurzes Lächeln. Weniger Genugtuung, eher Zufriedenheit. „Bisher lag ich noch nie daneben.“ Viel hat sich Homolka selbst beigebracht. „Jeder Tag in der Werkstatt ist eine Fortbildung“, sagt er dazu. Man kann sich sofort vorstellen, wie er Weisheiten wie diese an seine Lehrlinge weitergibt.

Da blitzt er dann doch mal kurz durch, der Stolz. „Kürzlich hat mein Lehrling seine Ausbildung abgeschlossen – mit einer 1,0, was es nur alle paar Jahrzehnte mal gibt.“ Homolka zählt bundesweit zu den fleißigsten Ausbildern im Geigenbauen, alle seine Lehrlinge haben mit einer Auszeichnung abgeschlossen. In Stuttgart gibt es neben ihm etwa ein Dutzend Kollegen, in Baden-Württemberg sind es rund 50.

Gelungene Stücke gibt der Geigenbaumeister gerne weiter

Spaß an seiner Arbeit empfindet er bis heute. Besonders viel Freude bereitet ihm der Fund eines besonders schönen Stücks, das nach aufwendiger Restauration wieder in altem Glanz erstrahlt. Und weil er heute selbst nicht mehr so viel Geige spielt wie früher, macht es ihm auch nichts aus, besonders gelungene Stücke wegzugeben.

„Heute reite ich dafür sehr gern Dressur“, erzählt Homolka, der früher Pilot werden wollte. „Nach zehn Stunden hier im Laden steht mir dann schon der Sinn nach etwas anderem.“ Das ist ein bisschen wie mit der Musik, die in Homolkas Laden bei der Arbeit läuft. Es ist auch klassische Musik darunter. Aber eben nicht nur. Manchmal ertönen Jazz und Pop. An diesem Montag jedoch herrscht Stille. Homolka hat noch einige Bögen zu bespannen.