Orchideenfach, aber eines mit hoher gesellschaftlicher Relevanz: Archäologie Foto: dpa

Seltene Disziplinen wie Ägyptologie, Kristallografie oder Slawistik können sich im hochschulpolitischen Gerangel um Geld und Glanz oft nur schwer durchsetzen. Um zu verhindern, dass diese „kleinen Fächer“ auf der Strecke bleiben, will ihnen die Landesregierung jetzt organisatorisch und finanziell zu Hilfe kommen.

„Obwohl klein in puncto Personalausstattung, Studierendenzahl oder Anzahl der Universitätsstandorte, sind sie von unschätzbarer Bedeutung für die Grundlagenforschung und die Vielfalt des Denkens in unserer Gesellschaft“, sagte am Donnerstag Wissenschaftsministerin Theresia Bauer. Sie greift deshalb fünf Empfehlungen eines Expertenrats auf, um „die Leistungsfähigkeit der kleinen Fächer zu sichern“.

Dazu zählt die Gründung eines Fonds, mit dem die Weiterentwicklung eines Fachs gefördert werden soll. Für die Erprobung innovativer Konzepte stehen jährlich eine Million Euro zu Verfügung. Das Kriterium sei allerdings stets die „nationale und internationale Wettbewerbsfähigkeit“, betonte die Grünen-Politikerin: „Es geht auch bei kleinen Fächern um Exzellenz, diese sind nicht von sich aus erhaltenswert.“

Hilfestellung will die Ministerin auch bei der Kommunikation der Disziplinen untereinander leisten. Schon vor Jahren habe man erkannt, dass die kleinen Fächer ein „problematisches Koordinationsdefizit“ hätten. In einem „Zukunftsrat“ sollen deshalb wichtige Akteure von Universitäten und außeruniversitären Forschungseinrichtungen zusammenfinden und die Weiterentwicklung der Disziplinen vorantreiben.

Orchideenfächer besser vernetzen

Bauer ist auch daran gelegen, dass sich die bisweilen als „Orchideenfächer“ bezeichneten Disziplinen besser vernetzen – und zwar über die Landesgrenzen hinaus. Eines will sie jedoch nicht tun: in die Hochschulautonomie eingreifen. Die Landesregierung werde nicht entscheiden, welches Fach zu erhalten oder zu schließen sei, sagte die Wissenschaftsministerin.

Man dürfe ohnehin keine einfachen Antworten erwarten. Um den kleinen Fächern zu helfen, müsse man auf vielen Ebenen arbeiten. Der jetzt vorliegende Bericht einer vielköpfigen Expertenrunde zeige jedoch, dass es Spielraum für eine Weiterentwicklung der kleinen Fächer gebe. Die müsse man nun nutzen.

Elf Professoren unter Leitung von Markus Hilgert, dem Chef des Vorderasiatischen Museums der Berliner Staatlichen Museen, haben den „Orchideengarten“ in Baden-Württemberg in den Jahren 2013 und 2014 gesichtet und beurteilt. Sie haben Fragebögen verschickt, Daten erhoben, Kollegen interviewt und im Mai vergangenen Jahres ein großes Symposium in Stuttgart abgehalten.

Laut ihrer Bestandsaufnahme gibt es an Baden-Württembergs Universitäten 116 kleine Fächer mit rund 12 000 Studierenden im Haupt- und Nebenfach. Das sind keineswegs nur Geisteswissenschaften. 22 der 116 gehören den Naturwissenschaften an.

"Gesamtgesellschaftlich unverzichtbar“

So bietet etwa die Universität Stuttgart die Fächer Computerlinguistik, Linguistik und Geschichte der Naturwissenschaften und Technik an. In Hohenheim wiederum kann man zum Beispiel Meteorologie, Biogeophysik oder Bioinformatik studieren.

„Natürlich sind vor allem Heidelberg, Tübingen und Freiburg betroffen“, sagte am Donnerstag der Vorsitzende der Landesrektorenkonferenz, Hans-Jochen Schiewer (Freiburg). Dort blühen etwa so seltene Disziplinen wie Altorientalistik, Judaistik oder Mittellatein. Doch auch für sie gilt das Fazit der Expertenrunde: „Sie sind gesamtgesellschaftlich unverzichtbar.“

Wie schnell sich das Urteil vom „nützlichen“ Fach ändern kann, hat im vergangenen Jahr der Heidelberger Rektor Bernhard Eitel am Beispiel der Lagerstättenkunde erläutert: „In Heidelberg wurde in den 1990er Jahren Lagerstättenkunde abgebaut, wie an anderen Standorten, weil die Industrie sagte, wir brauchen keine Prospektoren mehr in Deutschland: BP und andere, die wissen heutzutage, wie man Öl sucht und prospektiert, gar kein Problem. Konsequenz daraus ist, dass z. B. im Falle der Suche nach Seltenen Erden, die heute eine ganz aktuelle Bedeutung haben, man nicht mehr ausreichend Fachleute vorfindet.“