Für Kinder da sein, sie anleiten und begleiten: Tim Binner wird Erzieher und dringend gebraucht. Foto: Mierendorf

Erzieherinnen und Erzieher dringend gesucht - auf diese Formel lässt sich der Fachkräftemangel in Kindertagesstätten bringen.

Der politische Wille ist da, mehr Kitaplätze zu schaffen, aber es fehlt an qualifiziertem Personal. Wer sich jetzt für diesen Beruf entscheidet, dem winkt ein sicherer Arbeitsplatz. Außerdem machen neue Ausbildungsmodelle auch einen Berufseinstieg in mittleren Jahren möglich. Wie dramatisch der Fachkräftemangel ist, belegen die Zahlen: Im Oktober lag die Zahl der offenen Stellen in Stuttgart bei 120. Im gleichen Zeitraum waren dagegen lediglich 25 Erzieher arbeitslos, so Jürgen Weiger, Koordinator für Weiterbildung bei der Arbeitsagentur Stuttgart.

'Dass es überhaupt arbeitslose Erzieher gibt, liegt zum Beispiel daran, dass diese aufgrund von gesundheitlichen Einschränkungen schwer vermittelbar sind. Manche Arbeitslose, die in der Statistik geführt werden, haben bereits wieder eine neue Stelle in Aussicht.' Inzwischen können an diesen Beruf Interessierte auch neue Ausbildungswege beschreiten wie der 22-jährige Tim Binner, der zuvor das Technische Gymnasium besucht hat: 'Betriebswirtschaft oder Maschinenbau waren mir zu trocken, ich wollte mehr mit Menschen arbeiten', berichtet Binner. Er absolvierte ein Freiwilliges Soziales Jahr an einer Schule für geistig behinderte Kinder. Dort verfestigte sich sein Wunsch, einen pädagogischen Beruf zu ergreifen. Für die Ausbildung zum Erzieher entschied er sich, um einen Beruf 'von der Pike auf zu lernen'. Deshalb begann er auch nicht sofort zu studieren.

'Der Unterricht an der Fachschule hat ein sehr hohes Niveau'

Er wollte erst einmal praktisch an der Basis arbeiten. Binner gehört zum ersten Jahrgang von angehenden Erziehern, die eine praxisintegrierte Ausbildung (PiA) absolvieren. Sie verbindet die schulische Ausbildung an der Evangelischen Fachschule für Sozialpädagogik in Stuttgart-Botnang mit einer praktischen Tätigkeit in einer Kindertagesstätte, deren Träger das Jugendamt Stuttgart ist. Im Gegensatz zur klassischen Erzieher-Ausbildung ist die PiA um ein Jahr verkürzt. Die Auszubildenden erhalten bereits ein Gehalt zwischen 800 und 900 Euro im Monat. Binner hat seine Entscheidung, Erzieher zu werden, nicht bereut: 'Der Unterricht an der Fachschule hat ein sehr hohes Niveau.' Auch die Arbeit mit Kindern macht dem jungen Mann viel Spaß.

'Kinder sind ganz offen für ihre Umwelt. Deshalb macht es große Freude, in ihnen neue Interessen zu wecken, wie zum Beispiel das Wahrnehmen der Natur beim Spaziergang.' Er selbst hat sich vorgenommen, nach seiner Ausbildung noch Soziale Arbeit zu studieren. Bruno Pfeifle, Jugendamtsleiter der Stadt Stuttgart, ist von dem bisherigen Verlauf der PiA begeistert: 'Wir konnten für diese Ausbildung verhältnismäßig viele Männer gewinnen und auch viele Quereinsteiger aus anderen Berufen wie Dolmetscher oder Handwerker.'

Gerade darin sieht Pfeifle eine große Bereicherung. Denn diese seien hoch motiviert, aber auch berufserfahren, wovon sie in ihrer Arbeit als Erzieher sehr profitieren würden. 'Für junge Erzieherinnen ist es gar nicht so einfach, kritische Gespräche mit Eltern zu führen, die deutlich älter sind als sie selbst. Das ist bei Quereinsteigern aufgrund ihrer Lebenserfahrung einfacher.' Birgit Deiss-Niethammer, die Rektorin der Evangelischen Fachschule für Sozialpädagogik Stuttgart-Botnang, sieht in ihren mittlerweile zwei PiA-Klassen ebenfalls die Chance, andere Bewerbergruppen für die Ausbildung zu interessieren. 'Die Altersspanne geht von 18 bis 45 Jahren. Da sind Berufswechsler dabei, aber auch Frauen, die nach dem Abschluss der Familienplanung wieder arbeiten wollen.'

Neben der praxisintegrierten Ausbildung bietet die Evangelische Fachschule weiterhin den klassischen Ausbildungsweg an, den zum Beispiel Ipek-Jorina Dogan beschreitet. Sie hat nach ihrem Realschulabschluss mit 16 Jahren die vierjährige Ausbildung begonnen. 'Mir macht die praktische Arbeit mit Kindern viel Spaß, denn als Erzieherin kann ich die Grundlagen für das spätere Leben der Kinder mit entwickeln und begleiten', so Dogan. 'Gerade für die kleinen Kinder sind wir außerhalb der Familie der wichtigste Bezugspunkt. Das ist wirklich eine Freude.' Mit ihrer Ausbildung ist sie hochzufrieden, denn dort werde ein sehr gutes Fundament gelegt. Auf das möchte die junge Frau nach ihrem Berufsabschluss durch Weiterbildung aufbauen.

Die Kosten werden von der Arbeitsagentur übernommen

Eine weitere Möglichkeit zum Einstieg in den Erzieherberuf bietet die Arbeitsagentur Stuttgart an: Die sogenannte externe Prüfung. 'Wir können aber nur Personen fördern, die über keinen Berufsabschluss verfügen oder ihr Studium abgebrochen haben', erklärt Weiger. Zwei Jahre lang werden sie auf diese externe Prüfung zum Beispiel bei der Deutschen Angestellten-Akademie vorbereitet. Anschließend folgt ein Anerkennungsjahr.

'Die Kosten übernimmt unter bestimmten Voraussetzungen die Arbeitsagentur.' Doch trotz der neuen Ausbildungsvarianten ist der Bedarf an Erziehern noch lange nicht gedeckt: 'Alle Träger in unserer Stadt haben einen hohen Bedarf', so Pfeifle. 'Auch wir könnten mehr Erzieher einstellen, wenn es mehr auf dem Arbeitsmarkt geben würde.' Dabei sieht er für Erzieher durchaus Möglichkeiten, beruflich aufzusteigen oder sich weiterzuqualifizieren. So können Erzieher mit einer entsprechenden Fortbildung zum Gruppenleiter, aber auch zur stellvertretenden Erziehungsleitung oder gar zur Erziehungsleitung aufsteigen und somit die Einrichtung führen. 'Eine weitere Möglichkeit der Weiterqualifizierung bietet die Fortbildung zu Fachberatern.

Diese begleiten und beraten die Einrichtungen von außen.' Doch auch wenn der Bedarf groß ist, die Eignung für den Beruf sollte stimmen. 'Wichtig ist, dass die Bewerber selbst neugierig sind. Denn schließlich sollen sie die Bildungsprozesse von Kindern fördern und begleiten', betont Deiss-Niethammer. 'Außerdem sollten sie im hohen Maß kontakt- und beziehungsfähig sein.' Ebenso wichtig sind nach Einschätzung der Rektorin auch die Fähigkeit zur Selbstreflexion und die Bereitschaft, sich auch nach der Ausbildung ständig weiterzuqualifizieren. 'Wer fortbildungsfreudig ist, der ist in diesem Beruf genau richtig.'