Das Badewannen-Rennen zählt zu den Attraktionen im Jahreskalender. Foto: Horst Rudel

Das Freibad in Kirchheim ist im Jahr 1927 innerhalb von nur 32 Tagen gebaut worden. Wie es damals aussah, zeigen historische Fotos in der Bilderstrecke. Nun steht ein großer Umbau an.

Kirchheim - Der ausufernde Geschlechterkampf in einem Freiburger Frauenbad schlägt mediale Wellen. Dabei ist der Streit um das Miteinander von Männlein und Weiblein im und am Wasser alles andere als neu. Das belegt ein Zitat aus dem Jahr 1929, als im Kirchheimer Freibad die Bretterwand zwischen Männer- und Frauenbad durchlässig zu werden begann. „Ein Durcheinander von Männlein und Weiblein müsse jeder feinen empfindlichen Frau zuwider sein und wie stumpft sich bei diesem Zusammenbaden die natürliche Ehrfrucht, die der Knabe vor dem Mädchen, der Jüngling vor der Jungfrau empfindet, ab“, befand ein Zeitgenosse damals.

Ehrfurcht hin oder her – die Bretterwand ist gefallen. Zuerst an den Familienbadetagen am Sonntag, und dann, im Jahr 1938, auf immer und ewig. Seither wird in Kirchheim fröhlich zusammen gebadet – und in diesem Jahr noch etwas fröhlicher als zuvor: Das Bad feiert 90. Geburtstag.

In Rekordzeit gebaut

Das 1927 in nur 32 Tagen an der Lindach gebaute Kirchheimer Freibad ist nicht nur eines der ersten Freibäder in Württemberg gewesen, sondern damals auch das größte. 100 Meter maß das Schwimmbecken. 65 Meter für die Herren, 35 Meter exklusiv für die Damen – säuberlich getrennt durch besagte legendäre Bretterwand.

Inzwischen hat das Bad zwar ein genormtes Wettkampfbecken und die ebenfalls zum Standard gehörenden Spassangebote wie Strömungskanal und Wasserrutsche, doch ein Alleinstellungsmerkmal ist dem Kirchheimer Freibad über die Jahrzehnte hinweg geblieben. „Mit seiner großzügigen Anlage und dem alten Baumbestand strahlt es einen besonderen Reiz aus“, sagt die Oberbürgermeisterin der Teckstadt, Angelika Matt-Heidecker. Entsprechend reicht der Einzugsbereich bis weit in die Region hinein. Im Schnitt der vergangenen fünf Jahre haben 126 000 Besucher den Kassenbereich passiert. Auch das laufende Jahr mit inzwischen 62 000 Besuchern wird sich da aller Voraussicht nach einreihen. Selbst wenn aber, wie im Jahr 2015 geschehen, rund 150 000 Besucher gezählt werden, decken deren Eintrittsgelder gerade mal 29 Prozent der Kosten. „Wir haben jedes Jahr einen Abmangel zwischen 800 000 und 900 000 Euro“, sagt Martin Zimmert, der Geschäftsführer der Stadtwerke Kirchheim, die das Bad für die Stadt betreiben.

Gesamtpaket zum Geburtstag kostet 2,2 Millionen Euro – und eine Jahreskarte

Zum Geburtstag greifen die Stadtwerke als Betreiberin des Bades trotzdem noch einmal kräftig in die Tasche. Nach der Saison werden die Außenanlagen und die Anordnung der Betriebsgebäude völlig neu geordnet. Das Aufsichtsgebäude und die Gaststätte „Hutteninsel“ werden abgerissen. Dafür entsteht an einem näher am Becken gelegenen Platz ein Kiosk mit Sitzgelegenheiten. Auch das neue Umkleide-und Personalgebäude rückt ans Wasser heran. Dieser Tage wird eine Informationstafel angebracht, die den Blick in die Zukunft wirft.

Rund 2,2 Millionen Euro lassen sich die Stadtwerke das Gesamtpaket kosten, zu dem auch noch eine neue Fahrradabstellanlage und eine neue Wärmeerzeugungsanlage gehören. Und eine Jahreskarte. Die bekommt, zum 90. Geburtstag des Bades am Sonntag, 9. Juli, der 900. Besucher.

Bei aller Jubiläumsfreude will die Oberbürgermeisterin nicht verschweigen, dass es auch in Kirchheim mit der „natürlichen Ehrfurcht“ zwischen den Geschlechtern nicht immer zum Besten bestellt war. Nachdem es in der vergangenen Saison zu massiven Belästigungen weiblicher Badegäste gekommen war, wacht nun ein eigens engagierter Sicherheitsdienst über Recht und Ordnung.

Parallel dazu hat die Stadt mit der Unterstützung des Ehrenamts den als Unruhestiftern ausgemachten Flüchtlingen Nachhilfe im respektvollen Umgang mit dem anderen Geschlecht gegeben. „Seither haben wir keine Problem mehr“, sagt Angelika Matt-Heidecker.