Andreas Barner sagt, manche Kritik habe ihn getroffen. Foto: dpa

Andreas Barner ist der erste Pharmamanager im Amt des Kirchentagspräsidenten. Der Kirchentag soll auch zeigen, dass Wirtschaft und Moral zusammengehen können, sagt er im Interview.

Stuttgart - Als Kirchentagspräsident plädiert Andreas Barner nicht nur für nachhaltiges Wirtschaften und die Schonung unserer natürlichen Ressourcen. Der Firmenchef fordert auch: Deutschland muss mehr Flüchtlinge aufnehmen als bisher.

Herr Barner, wie ist Ihre Gefühlslage vor dem Kirchentag?
Ich bin gespannt, aufgeregt und empfinde große Vorfreude auf die fünf Tage mit interessanten Veranstaltungen, schönen Gottesdiensten und ganz vielen Gesprächen.
Was erwarten Sie von den Treffen?
Als ganz wichtig betrachte ich den interreligiösen Dialog. Der Kirchentag ist eine hervorragende Plattform dafür, dass sich Judentum, Islam und Christentum austauschen. So können wir dazu beitragen, Gegensätze aufzulösen.
Apropos Gegensätze auflösen. Hätten Sie dann nicht auch Pegida-Vertreter zu diesen Gesprächen einladen müssen?
Seien Sie sicher, dass die gesamte Bandbreite des Meinungsspektrums auf den Podien oder unter den Zuhörern vertreten sein wird.
Hat es wirklich eine nachhaltige Wirkung, wenn sich potenzielle Kontrahenten auf dem Kirchentag freundlich austauschen?
Ich bin überzeugt, dass es langfristig nützt, wenn man miteinander redet. Das bringt vielleicht keine große Veränderung, zählt aber zu den wichtigen kleinen Schritten.
Haben Sie einen Gradmesser für den Erfolg des Kirchentages?
Wenn alle am Sonntagmittag sagen: wir würden am liebsten nicht nach Hause fahren, sondern noch weiter miteinander Kirchentag feiern, dann ist es sicher ein Erfolg.
War es ein Fehler, den Kirchentag in die Pfingstferien zu legen? Die Bettenkampagne verlief schleppend, und es war nicht leicht, Ehrenamtliche in den Gemeinden zu finden?
Letztlich haben wir doch genügend Quartiere gefunden. Aber ich gebe zu: die Pfingstferien sind kein idealer Zeitpunkt. Wenn wir den Termin noch einmal festlegen könnten, würden wir auf ein anderes Datum ausweichen.
Wie beruhigen Sie die Stuttgarter, die wenig religiös sind und denen die Pilgermassen der kommenden Tage auf die Nerven gehen?
Denen sage ich: die Erfahrung der früheren Kirchentage zeigt, dass es ein ausgesprochen gutes Miteinander von Einwohnern und Besuchern gibt. Bei den Treffen entsteht in aller Regel eine harmonische Atmosphäre, weil die Kirchentagsgäste sehr freundlich sind und ihre Umgebung positiv stimmen.
Welche Bedeutung hat das Protestantentreffen innerkirchlich?
Der Kirchentag legt Wert darauf, dass er nicht Teil der Amtskirche ist. Für ihn ist es möglich, Themen deutlicher herauszuarbeiten, Positionen klarer zu formulieren – etwa in Fragen des guten Wirtschaftens oder bei der Flüchtlingsproblematik.
Welche langfristigen Wirkungen hat die Veranstaltung in der Kirche?
Es ist ein Fest des Glaubens. Viele Jugendliche finden hier Anknüpfungspunkte, um in der Kirche weiter aktiv zu sein. Wo begegnen Ihnen denn sonst mehr Gleichgesinnte? Wo erleben Sie mehr Gemeinschaft?
Viele Jugendliche gehen aber bloß zu den Konzerten, suchen Zerstreuung und Spaß.
Da sage ich: viele singen gemeinsam, beten gemeinsam, gehen gemeinsam zu den Gottesdiensten, beschäftigen sich mit Glaubensthemen und philosphischen Fragen.
Der Kirchentag erhebt den Anspruch, Zeitansage zu sein, der Gesellschaft Orientierung zu geben. Inwiefern muss unser Land – getreu der Losung – klug werden?
Vor allem müssen wir achtsamer mit den Ressourcen umgehen. Die Frage der Nachhaltigkeit wird den Kirchentag stark beschäftigen. Klüger muss die Republik auch in der Flüchtlingsfrage werden. Wir leben in einem reichen Land. Da sollten wir mehr tun als bisher, mehr Menschen helfen, mehr Flüchtlinge aufnehmen.
Mehr Flüchtlinge? Wie lassen sich die damit einhergehenden Probleme lösen?
Natürlich kann ich jetzt auch nicht aus dem Stegreif eine Patentlösung für all die praktischen Schwierigkeiten anbieten. Klar ist aber: Europa muss hier zusammenarbeiten und darf nicht den Ländern die Hauptlast zuschieben, an deren Küsten die Flüchtlinge an Land gehen – etwa Italien oder Spanien.