Der Kirchentag soll im Zeichen des interreligiösen Dialogs stehen – doch schon lange vorher gibt es Irritationen Foto: dpa

Interreligiosität ist eines der wichtigsten Themen des Kirchentags, so Präsident Andreas Barner. Doch die Kirchentag-Leitung schlug das Angebot von Schlafplätzen für Kirchentagsteilnehmer in drei Moscheen aus – sehr zur Enttäuschung der Muslime.

Stuttgart - Brüssel, Kopenhagen, Paris – nach drei islamistisch motivierten Anschlägen mitten in Europa wurden Forderungen nach mehr interreligiösem Dialog laut. In Stuttgart haben die christlichen Stadtdekane Hermes und Schwesig zu diesem Zweck erst vor wenigen Tagen einen Rat der Religionen gegründet. „Für die Stadtgesellschaft ist es wichtig, dass sich verschiedene Religionsgruppen verständigen“, sagt der evangelische Stadtdekan Sören Schwesig über die Notwendigkeit des neuen Rats.

Verständigung zwischen den Religionen – genau dafür hätte der evangelische Kirchentag vom 3. bis 7. Juni eine einmalige Möglichkeit geboten: Der muslimische Verband Ahmadiyya Muslim Jamaat hat der Kirchentagsleitung angeboten, in seinen drei Moscheen in Stuttgart, Weil der Stadt und Waiblingen Kirchentagsteilnehmer zu beherbergen. „Wir haben dankend abgelehnt“, sagt Kirchentagssprecher Alexander Matzkeit.

Man will nicht von Prinzipien der Vergangenheit abweichen

Die Begründung: In den muslimischen Gemeindezentren stünden keine Duschen zur Verfügung. Außerdem will die Leitung offenbar nur ungern von Prinzipien der Vergangenheit abweichen. „Es hat sich bewährt, dass wir nur in Schulen Sammelunterkünfte bilden“, sagt Matzkeit.

Die notwendige Zahl an Schulen – insgesamt rund 170 – hätten die Organisatoren schon zusammen gehabt, bevor die Ahmadiyya-Gemeinde ihr Angebot machte. „Wir brauchen das gar nicht“, habe die Leitung deshalb laut Sprecher Matzkeit auf das Angebot der Muslime erwidert. Nach seinen Angaben fehlen für den Kirchentag noch Unterkünfte für rund 6000 Menschen. Diese sollen aber in Privatunterkünften, nicht durch zusätzliche Sammelquartiere, bereit gestellt werden.

„Es ist schon schade, dass wir die Leute nicht bei uns in den Gemeindezentren unterbringen können“, sagt der Sprecher des Ahmadiyya-Verbands Kamal Ahmad. „Wir halten uns natürlich an die Regeln.“ Die Begründung von Seiten der Kirchentagsleitung, dass es unter anderem an den fehlenden Duschen scheitere, kann Ahmad aber nicht ganz verstehen. „Uns wurde immer wieder gesagt, die Kirchentagsteilnehmer seien so unkompliziert.“ Deshalb, so Ahmad, hätten die muslimischen Gemeindezentren womöglich auch ohne Duschen als Unterkünfte dienen können: „Vielleicht hätten die Gäste ja auch in nahe gelegenen Schulen duschen können.“

Muslime wollen wenigstens Frühstück anbieten

Ahmads Vereinskollege Mustafa Ljaic, der bei Ahmadiyya für interreligiösen Dialog zuständig ist, sagte, die Moscheen würden laut Kirchentagsvertretern nicht den Vorschriften für die Genehmigung als Übernachtungsstätte entsprechen. Wie genau diese Vorschriften lauten, teilte Kirchentagssprecher Alexander Matzkeit auf Anfrage nicht mit. So bleibt am Ende nur die offizielle Begründung mit den Duschen und den guten Erfahrungen mit den Schulen als Sammelunterkünfte in den vergangenen Jahren.

Nun wollen die Muslime den Christen anstelle des Betts wenigstens das Frühstück machen. Der Ahmadiyya-Verband möchte sich als„Quartiermeister“ in einer der Schulen engagieren, die beim Kirchentag zu Sammelunterkünften werden. „Wenigstens beim Frühstück wollen wir sicherstellen, dass es den Gästen an nichts mangelt“, sagt Ahmad. Der Islam, so Vereinskollege Ljaic, schreibe Nächstenliebe vor – „und dass wir immer Hilfe anbieten, wenn wir darum gebeten werden. Wir haben alles angeboten, was wir konnten“.

Welche Schule Ahmadiyya betreuen wird, wollen Ahmad, Ljaic und ihre Kollegen in den nächsten Tagen festlegen. „Wir liebäugeln mit Stuttgart-Vaihingen oder Feuerbach“, sagt Ljaic, „wegen der guten Autobahnverbindung.“

Neben dem Engagement in der Schule wirbt Ahmadiyya unverdrossen in den Moscheen weiter für die Aktion „Gräbele“ und hofft, dass muslimische Familien privat Kirchentagbesucher bei sich zu Hause aufnehmen. Der interreligiöse Dialog ist Ahmad und Ljaic mindestens so wichtig wie dem Kirchentags-Präsident Andreas Barner.