Hans-Peter Ziehmann (links) und Herbert Temme von der Waldenservereinigung freuen sich Foto: Cedric Rehman/

Während des Kirchentags werden Waldenser aus Italien Plieningen. Die evangelische Glaubensgemeinschaft wurde in vergangenen Jahrhunderten von der katholischen Kirche schwer verfolgt. Die Gäste aus Italien wollen die Plieninger mit italienischen Speisen bekochen und Informationen geben über die turbulente Geschichte ihrer Gemeinschaft.

Plieningen - Bei Antipasti und italienischen Nudelgerichten soll während des Besuchs der italienischen Waldenser im evangelischen Gemeindezentrum über den Glauben gesprochen werden und zwar besonders über den prostantischen Glauben. Die gedankliche Verbindung von der Üppigkeit der italienischen Küche zur Nüchternheit des protestantischen Geistes klappt nicht auf Anhieb. Immerhin gehört zumindest in der Welt der Klischees die katholische Kirche so sehr zu Italien wie eine knusperige Pizza Margarita, die frisch aus dem Ofen kommt.

Doch es gibt seit Jahrhunderten ausgerechnet im Mutterland des Katholizismus eine Religionsgemeinschaft, die im 12. Jahrhundert die Reformation vorweggenommen hat und dafür einen hohen Preis bezahlen musste. Die Waldenser flüchteten während Wellen schärfster Verfolgung durch die katholische Kirche vom 12. zum 17. Jahrhundert durch verschiedene Länder Westeuropas.

Teil der evangelischen Landeskirchen

Waldensergemeinden gibt es außer in Italien auch in Süddeutschland. Sie sind Teil der evangelischen Landeskirchen und nehmen deshalb an den evangelischen Kirchentagen teil. In Italien bilden sie dagegen eine eigene evangelische Kirche. Sie unterhält aber enge Verbindungen zu den deutschen Protestanten. Aus der piemontesischen Kleinstadt Torre Pellice bricht unter anderem der Schulchor auf, um am Kirchentag in Stuttgart zwischen dem 3. und dem 7. Juni teilzunehmen. Die Stadt gilt bis heute als ein Zentrum der Waldenser in Italien. Viele Waldenser aus Torre Pellice werden in Plieningen wohnen. Am Freitag, den 5. Juni, wird es ein Feierabendmahl auf Deutsch und Italienisch geben.

Nicht zuletzt werden die italienischen Gäste in Plieningen auch Gastgeber sein und abends von 18 Uhr an im evangelischen Gemeindezentrum besagte Antipasti und Nudelgerichte unter dem Motto „Pasta und mehr“ servieren. Das „mehr“ spielt auf die Gespräche an, die sich während des gemeinsamen Essens und Genießens entwickeln sollen.

Keine Reaktion der Katholiken

Der Plieninger Pfarrer Hans-Peter Ziehmann beschreibt eine gute Resonanz auf den Besuch der evangelischen Waldenser unter den evangelischen Gläubigen in Plieningen. „Viele wollten italienische Gäste während des Kirchentags beherbergen“, sagt der Pfarrer. Die Katholiken im Bezirk hätten dagegen nicht offiziell auf die Anwesenheit der Waldenser reagiert, erklärt Ziehmann. „Die Katholiken in Plieningen sind gerade in einer Umbruchsituation“, erklärt Ziehmann. Außerdem würden die Katholiken den Kirchentag bereits unterstützen, in dem sie die Räumlichkeiten des katholischen Gemeindezentrums Padua für die Besucher zur Verfügung stellen. „Das ist doch schon gelebte Ökumene“, sagt Hans-Peter Ziehmann.

Das Verhältnis zwischen Waldensern und der katholischen Kirche ist überschattet von der Verfolgungsgeschichte der religiösen Minderheit. Bereits im 12. Jahrhundert wurden die Anhänger der neuen Lehre aus der Kirche ausgeschlossen und damit zu Feinden der Religion erklärt.

Verfolgung durch die Inquisition

Die Folge war eine blutige Verfolgung der Glaubengemeinschaft. Anders als die gleichfalls durch die katholische Kirche als Ketzer gebrandmarkten Katharer entgingen die Waldenser aber der völligen Vernichtung durch die kirchliche Inquisition. Im Juni will Papst Franziskus als erstes Oberhaupt der Katholiken offiziell eine Waldenserkirche in Turin besuchen. „Wir sind gespannt, darauf, was der Papst zu sagen hat“, sagt Herbert Temme, von der Waldenservereinigung. Er plant gemeinsam mit Pfarrer Ziehmann den Besuch der italienischen Waldenser in Plieningen.

Für Herbert Temme steht fest, dass die Verfolgungsgeschichte und der Behauptungswillen der Waldenser viele Menschen fasziniert. Die italienischen Waldenser würden aus ihrer eigenen Verfolgungsgeschichte eine besondere Verantwortung herleiten, berichtet Herbert Temme. „In Italien nehmen die Waldensergemeinden afrikanische Christen auf, die mit dem Boot über das Mittelmeer geflohen sind“, berichtet Herbert Temme.

So würden die Täler, in den italienischen Alpen, die einst den von der katholischen Kirche verfolgten Waldensern als Schutzstätte gedient haben erneut zum Zufluchtsort für Verfolgte, sagt er. Mehr über die Aufnahme von Flüchtlingen in den Waldenser-Gemeinden und dieturbulente Geschichte der Glaubensgemeinschaft können die italienischen Gäste den Plieningern bald selbst erzählen – bei Antipasti und Nudeln.