Homosexualität ist auf dem Kirchentag ein Thema. Foto: dpa-Zentralbild

Experten fordern, dass die evangelische Kirche ihre neue sexualethische Denkschrift aus der Schublade holt. Beim Kirchentag ist auch über Homosexualität und Intersexualität diskutiert worden.

Fellbach - Sexualität ist immer noch ein Rand- und ein Reizthema in der kirchlichen Debatte. Das zeigt sich auch daran, dass die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) seit längerer Zeit ihre neue sexualethische Denkschrift zurückhält. Dabei wäre ein aktuelles Grundsatzpapier für viele Menschen bestimmt hilfreich, denn in den vergangenen 40 Jahren hat sich viel verändert.

Dass das Thema Sexualität von großem Interesse ist, zeigte sich auch am Samstag beim Kirchentag. Die Veranstaltung „Lustvoll, männlich, weiblich und mehr“ war sehr gut besucht. Im Uhlandsaal der Schwabenlandhalle gab es bei rund 300 Besuchern kaum noch einen freien Platz.

Uwe Sielert Foto: Patricia Sigerist
Der Sozial- und Sexualpädagoge Uwe Sielert erzählte, wie schwierig es für ihn als Jugendlichen in den 1960er-Jahren war, sich in der Welt der Sexualität zu orientierten. „Die Bravo und die Aufklärungsfilme von Oswalt Kolle standen auf der schwarzen Liste der EKD.“ Selbstbefriedigung habe als „schwierige Phase“ gegolten und Homosexualität sei skeptisch gesehen oder abgelehnt worden.

Sielert forderte – wie auch weitere Redner –, dass die neue Denkschrift der EKD aus der Schublade geholt werden müsse: „Sexualität ist der Kern unserer Persönlichkeit und Identität.“ Der Sexualpädagoge formulierte auch Wünsche an die Kirche: „Sie muss ein Schutz- und Reflexionsraum sein sowie bei Wertekonflikten Kompetenz zeigen.“

Intersexualität ist vielen Menschen unbekannt

Der Kinder- und Jugendarzt Jörg Woweries sprach über ein noch relativ unbekanntes Thema: Intersexualität. „Es gibt Menschen, die sich nicht eindeutig als Mann oder Frau zuordnen lassen“, erklärte er. Wenn Kinder so auf die Welt kommen, habe man sie bisher meist operiert, um ein Geschlecht festzulegen. „Mit den Operationen werden die Persönlichkeitsrechte von Säuglingen vergewaltigt“, sagte Woweries. Dabei liebe die Natur Variationen. „Die Schöpfung ist Vielfalt“, sagte der Arzt.

Über ihre Homosexualität sprachen Volker Beck, der innenpolitische Sprecher der Grünen, und Marlis Bredehorst, die Grünen-Vorsitzende in Köln. „Das Coming-out ist ein Schritt zum Exoten“, sagte die bekennende Lesbierin. Doch es sei befreiend gewesen: „Die Angst vor Diskriminierung ist größer als die erlebte.“

Homosexuelle wollen Gleichberechtigung

Von der Kirche wünscht sich Marlis Bredehorst, dass Homosexuelle als gleichwertige Menschen gesehen werden. „Lesben und Schwule sollen willkommen sein.“ Volker Beck sagte, dass die Homosexuellen keine besonderen Rechte, sondern Gleichberechtigung wollen. Kritisch bewertete er rechtspopulistische Bewegungen wie AfD und Pegida. „Sie wollen die Unterschiedlichkeit der Menschen, sie wollen besser sein.“ Zum Schuss seiner Rede forderte der Grünen-Politiker: „Die Kirche sollte sich zu ihrem Anteil an der Verfolgung von Homosexuellen bekennen.“