Paletten und Gitterboxen so weit das Auge reicht: Geschäftsführer Constantin Knall (links) und Logistikchef Jan Mitter sorgen dafür, dass bis zum Beginn des Kirchentages am kommenden Mittwoch alles am richigen Platz ist Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Drei Jahre Vorbereitungszeit gehen zu Ende: 2500 Veranstaltungen an 200 Orten in fünf Tagen locken in der kommenden Woche mehrere hunderttausend Besucher zum Kirchentag nach Stuttgart. Trotz der Fülle des Programms soll es ein Glaubensfest der kurzen Wege werden.

Stuttgart - 50 Hubwagen, 300 Gießkannen, 26 Hochdruckreiniger, 130 Kabeltrommeln, 645 Verlängerungskabel, 54 Staubsauger, 500 Handfeger samt Kutterschaufel: Was sich liest, wie die Inventarliste eines Baumarkts ist in Wirklichkeit ein Auszug aus Materiallagerbestand, des Evangelischen Kirchentages, der vom 3. bis 7. Juni in Stuttgart gastiert. Das Glaubensfest, das bereist zum vierten Mal in Stuttgart Station macht ist eine echte Mammutveranstaltung, zu der mehr als 100 000 Dauergäste erwartet werden. Hinzu kommen weitere rund 40 000 Tagesbesucher. Etwa die Hälfte der Dauerteilnehmer gestaltet das Kirchentagsprogramm aktiv mit. 300 Bläser- und 200 Sängerchöre sorgen für den musikalischen Rahmen. Das alles erfordert eine Planung bis in kleinste Detail.

„Man bereitet sich drei Jahre vor und am Ende läuft es ganz anders“, sagt Constantin Knall mit einem Schmunzeln. Dabei sollte man meinen, dass der 34-Jährige längst Routine hat, was die Vorbereitung eines Kirchentages angeht. Seit 2005 schon ist er Mitarbeiter beim Kirchentagen, seit 2012 ist der Religionspädagoge und Nonprofit-Manager Geschäftsführer beim Deutschen Evangelischen Kirchentag. „Routine gibt es kaum“, erklärt der gebürtige Freiburger, der wie ein Großteil der Mitarbeiter über die Pfadfinder zum Kirchentag kam. „Wir haben den Vorteil, dass wir alle zwei Jahre wieder auf Erfahrungen aufbauen können, aber auch den Nachteil, dass jede Stadt andere Gegebenheiten und andere Veranstaltungsorte hat.“

Knall ist einer von gut 20 hauptamtlichen Mitarbeitern, die seit zwei Jahren in Stuttgart leben, wohnen, arbeiten. Sie bilden das Organisationsteam der alle zwei Jahre stattfindenden Großveranstaltung, das in der heißen Phase auf mehr als 100 Mitarbeiter anwächst. Dazu gehört auch Jan Mitter. Der 33-Jährige ist gelernter Maurer und Fachkaufmann für Einkauf und Logistik. Er ist verantwortlich für die Materialbeschaffung und Logistik. Auch für ihn ist es bereits der fünfte Kirchentag.

Schon wenige Wochen nach dem Schlussgottesdienst auf dem Cannstatter Wasen heißt es für Knall und Mitter wieder Kisten und Koffer packen, Wohnung kündigen, umziehen. Dann zieht der ganze Tross nach Berlin, wo 2017 der nächste Kirchentag stattfindet. „Es hat schon etwas von einem Wanderzirkus“, sagt Knall. Und in den nächsten Tagen sind er und Mitter vor allem als Dompteure gefragt.

Sie müssen alle Fäden in der Hand halten. 4500 freiwillige Helfer gilt es zu koordinieren. Sie sollen an 200 Veranstaltungsorten vor allem in der Innenstadt, im Neckarpark und in Fellbach für einen reibungslosen Ablauf der mehr als 2500 Veranstaltungen sorgen. Die Ehrenamtlichen sind keineswegs nur Rentner, die einen Zeitvertreib suchen. Die Organisation stützt sich sehr stark auf die christlichen Pfadfinder, die rund zwei Drittel der freiwilligen Helfer stellen. Viele von ihnen opfern eigens einen Großteil ihres Jahresurlaubs, um beim Kirchentag dabei sein zu können. Die Ehrenamtlichen sind im Durchschnitt 30 Jahre alt, die Kirchentagsbesucher gut 36 Jahre. „Wo findet man noch eine Veranstaltung, die so viele Generationen bewegt?“ betont Knall.

Rund um den Cannstatter Wasen wächst derzeit eine gigantische, weiße Zeltstadt empor – das Herzstück der Kirchentagsveranstaltungen. Auch auf der anderen Seite der Mercedesstraße herrscht emsige Betriebsamkeit. Gabelstapler und Hubwagen holpern über den unebenen Boden, rangieren Paletten und Gitterboxen hin und her. Hier ist in drei Zelten auf dem früheren Güterbahnhofareal das Materiallager des Kirchentages untergebracht. Für den richtigen Bestand sorgt ein eigenes Materialwirtschaftssystem. Mehr als 900 Paletten finden hier Platz. 24 Lastwagen haben das Material angekarrt, von der Leiter über den Feuerlöscher bis hin zur Opferbüchse oder dem Altarkreuz. Auch das gesamte Lager wurde von Ehrenamtlichen bestückt. Für Logistikchef Jan Mitter „eines der Geheimnisse, warum es alle zwei Jahre wieder so gut funktioniert“.

„Die eigentlichen Experten des Kirchentages sind die ehrenamtlichen Helfer“, sagt Geschäftsführer Constantin Knall. „Für viele in der Geschäftsstelle ist es oft der erste Kirchentag, aber die Ehrenamtlichen sind teilweise seit Jahrzehnten mit dabei.“ Der Kirchentag verfügt über eine eigenen Theaterwerkstatt, eine Fahnenabteilung, eine Fahrbereitschaft mit mehr als 100 Fahrzeugen, die von einem Sponsor zur Verfügung gestellt werden. „Wir haben auch 120 Helfer, die alle zwei Jahre unbedingt im Müllentsorgungsteam dabei sein wollen, nirgends anders“, sagt Knall stolz. Im Neckarpark steht auch ein Verpflegungszelt für die 4500 Helfer.

Bleibt bei all der Vorbereitung und Organisation überhaupt noch Platz für etwas Spirituelles, für das, was den Kirchentag eigentlich ausmacht? „Das Ganze ist eine riesengroße Beteiligungsveranstaltung“, sagt Knall, „der Geist dieser Gemeinschaft, der einen ergreift, hat etwas Spirituelles und erzeugt eine besondere Stimmung.“ Auch innerhalb des Organisationsteams seien starke Freundschaften entstanden, ergänzt Mitter. Faszinierend sei aber vor allem „der Eifer und die Gewissenhaftigkeit“, mit der die vielen Ehrenamtlichen dabei seien.

Geschäftsführer Knall ist froh, dass die ursprünglichen Pläne, einen Großteil der Veranstaltungen auf das Messegelände am Flughafen zu verlegen, schnell wieder verworfen worden sind. „Der Kirchentag soll nicht auf einem Messegelände außerhalb der Stadt verschwinden. Und eine Alternative wie den Neckarpark hat nicht jede Stadt“, sagt der 34-Jährige, der sich auf einen „Kirchentag der kurzen Wege“ freut. Vieles spielt sich im Herzen der Stadt zwischen Schlossplatz, Stiftskirche, Rathaus, Hospitalhof, Haus der Wirtschaft und Liederhalle ab. Auch den Neckarpark kann man mit einem längeren Spaziergang oder öffentlichen Verkehrsmitteln schnell erreichen.

Doch noch ehe das Stuttgarter Glaubensfest überhaupt begonnen hat, denkt Constantin Knall bereits längst an Berlin und den Kirchentag 2017. Wohnung suchen, Mitarbeiter akquirieren. Wo finden welche Veranstaltungen statt, wo der auf Auftakt-, wo der Abschlussgottesdienst? Welche Technik wird gebraucht, welche Wege nehmen die Besucher? Für Stuttgart steht die Logistik. Sie muss jetzt nur noch funktionieren.