Papst Franziskus will die Annullierung kirchlicher Ehen vereinfachen. Foto: Fotolia

Die katholische Kirche kennt keine Scheidung einer Ehe, wohl aber eine Annullierung. Die soll jetzt viel einfacher und schneller gehen.

Stuttgart - Im Neuen Testament (Erster Korintherbrief Kapitel 13, Vers 13) steht folgender Satz: „Auch wenn alles einmal aufhört - Glaube, Hoffnung und Liebe nicht. Diese drei werden immer bleiben.“

Ein schöner Satz. Ob Geschiedene das auch so sehen? Der Glaube an eine gemeinsame Zukunft? Die Hoffnung auf ein trautes Heim, Glück zu Zweit und Familie? Die Liebe, die nie enden sollte? Statt Glaube, Hoffnung und Liebe gibt es eher Frust, Schulden und jede Menge Ärger.

Kirchliche Ehe-Annullierungen dauern, kosten und sind selten

Bei Katholiken kommt erschwerend hinzu, dass sie im Falle einer Scheidung und erneuten Heirat vom Abendmahl automatisch ausgeschlossen sind. Aber was wäre, wenn eine katholisch geschlossene Ehe gar keine richtige Ehe wäre und ohne großen Aufwand für nichtig erklärt werden könnte? Bisher war das (fast) ein Ding der Unmöglichkeit. Annullierungsverfahren dauerten ewig, kosteten Geld und noch mehr Nerven.

Das soll jetzt anderes werden. Der Papst höchst selbst erleichtert die Aufhebung kirchlich geschlossener Ehen. In der vergangene Woche hat der Vatikan entsprechende Kirchenrechtsbestimmungen erlassen. Dazu überträgt Franziskus die Entscheidung der meisten Fälle auf die Ortsbischöfe.Binnen anderthalb Monaten kann alles vorbei sein und die ehemals Verheirateten sind frei für den nächsten Partner – so heißt es.

Laut Kirchenrecht ist eine Scheidung ausgeschlossen. Die Kirche kann lediglich im Nachhinein feststellen, dass eine Ehe von vornherein ungültig war, weil sie unter völlig falschen Voraussetzungen geschlossen wurde: Sei es, dass einer der Partner keine Kinder wollte, das Paar nie vorhatte, lebenslang zusammenzubleiben oder formale Fehler vorliegen . Nach einer Annullierung können die ehemaligen Partner erneut kirchlich heiraten. Wer dagegen ohne kirchliche Eheannullierung standesamtlich heiratet, wird von den Sakramenten ausgeschlossen.

Die Hälfte aller kirchlich geschlossenen Ehen soll ungültig sein

Was in diesem Zusammenhang aufhorchen lässt: Franziskus weist darauf hin, dass nach Ansicht von Bischöfen etwa die Hälfte aller kirchlich geschlossenen Ehen praktisch ungültig ist, weil sich viele Partner nicht klar machten, dass sie mit der Ehe eine lebenslange Bindung eingehen. Da fragt man sich, was Priester in den Ehe-Vorbereitungskursen den künftigen Angetrauten eigentlich mit auf den Weg geben?

Eheannullierungen sind eine Art kirchlich sanktionierter Notausgang, wenn das Paar doch nicht mehr zusammenbleiben will. Ob die Ehe tatsächlich nicht vollzogen wurde, der Ehewille gefehlt hat oder ein falsche Formel aufgesagt wurde, sei dahingestellt.

Besonders häufig sind Annullierungen ohnehin nicht. Nach Angaben der Deutschen Bischofskonferenz wurden 2013 insgesamt 740 Ehen in Deutschland für nichtig erklärt. Wenn es tatsächlich stimmen sollte, was die Bischöfen so munkeln, dass nämlich die Hälfte der Ehen ungültig sei, dann könnte eine Flut an Annullierungsverfahren auf die Kirche zukommen. Jetzt, wo alles schneller, einfacher und billiger werden soll.

Scheidung auf katholisch

Konservative Kritiker monieren deswegen, eine vereinfachte Eheannullierung laufe auf eine Art „katholische Scheidung“ hinaus. Der Papst betont dagegen, die Ehe bleibe unauflöslich. Es gehe nicht um Scheidungen, sondern um Gerechtigkeit und das Seelenheil der Gläubigen. Und der Chef des kirchlichen Familiengerichts, Prälat Pio Vito Pinto, betont, der Papst rufe die Bischöfe zu einem Sinneswandel auf. „Er stellt die Armen ins Zentrum - das sind die Geschiedenen, Wiederverheirateten, die bisher immer auf Abstand gehalten worden sind.“

Mehrheitsbeschlüsse sind sinnvoller als Alleingänge

Wenn dem so wäre, wäre es ein Riesenfortschritt. Da können Konservative, allen voran der Präfekt der Glaubenskongregation Kardinal Gerhard Ludwig Müller, noch so zetern und sauer sein. Ja, wenn. Doch gegen den Widerstand der Konservativen im Vatikan und in den Diözesen wird der päpstliche Beschluss das Papier nicht wert sein, auf dem er gedruckt ist. Gerade in solch essenziellen Fragen sind kirchliche Mehrheitsbeschlüsse sinnvoller als päpstliche Alleingänge. Nur so wird gewährleistet, dass die Bestimmungen in der Praxis auch umgesetzt werden und die Betroffenen davon profitieren.

Im Oktober treffen sich Bischöfe aus aller Welt im Vatikan zur Familiensynode. Die Zusammenkunft ist das richtige Podium für wegweisende Entscheidungen. Aber wahrscheinlich geht Franziskus davon aus, dass die Konservativen gegen jede Liberalisierung der kirchlichen Lehre mauern werden und er deshalb allein entscheiden muss, damit überhaupt etwas entschieden wird. Und damit dürfte er Recht behalten!