Weltreligionen: Der Koran, das heilige Buch der Muslime, und die Bibel, die Heilige Schrift der Christen. Foto: Picture alliance

Die meisten Christen wissen nur wenig über den Islam. Und wie sieht es umgekehrt aus? Was wissen Muslime über das Christentum? Wir haben einen gläubigen Muslim gefragt.

Stuttgart - In Leipzig sind nur etwa vier Prozent der Einwohner katholisch. Und dennoch findet genau dort der 100. Katholikentag statt. Vom 25. bis 29. Juni geht es um Themen wie Flüchtlinge, Frauen in der Kirche, Ökumene und das Gespräch mit Nicht-Gläubigen. Ein Schwerpunkt des Christentreffens ist wie schon in den vergangenen Jahren der Dialog mit dem Islam.

Wir fragten ein Muslim, Zekeriya Altug, Abteilungsleiter für Außenbeziehungen der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion (türkisch: Diyanet Isleri Türk Islam Birligi, kurz Ditib), was Muslime eigentlich über das Christentum und die christlichen Kirchen wissen.

Zekeriya Altug. Foto: Ditib
Herr Altug, was wissen Muslime vom Christentum? Vom christlichen Glauben und den Ritualen und Bräuchen der christlichen Kirchen?
Wir Muslime leben in diesem Land und bekommen so einiges mit von den täglichen Handlungen und Bräuchen unserer christlichen Mitbürger. Wir beteiligen uns auch bei vielem– in Schulen, bei privaten Kontakten oder bei der Arbeit.
Und dabei erfahren Muslime etwas darüber, was gläubige Christen umtreibt?
Von den Handlungen und den groben Inhalten schon. Allerdings hat ja Bundeskanzlerin Angela Merkel einmal die Frage gestellt, wie viel der ganz normale Christ vom Christentum, von seinen Ursprüngen und seiner Geschichte weiß. Ob der normale Gläubige zum Beispiel wisse, warum man Pfingsten feiere. Bei vielen ist da natürlich nur oberflächliches Wissen vorhanden.
Was sind Ihrer Meinung nach die Gründe für dieses geringe Wissen?
Wir leben in einer modernen Gesellschaft, in der Religiosität nicht mehr bewusst gelebt wird, sondern vielfach zu einem Konsumgut geworden ist. Weihnachten ist das Musterbeispiel dafür. Ostern hat für manche mehr etwas mit Ostereiern und dem Osterhasen zu tun, obwohl es für Christen das wichtigste Fest sogar noch vor Weihnachten ist.
Und was wissen Muslime über Ostern? Wissen sie, warum dieses Fest für Christen so wichtig ist?
Es ist nicht einfach zu beantworten, wie viel jeder einzelne Muslim darüber tatsächlich weiß. Das täglich gelebte und öffentliche Miteinander führt dazu, dass auch Muslime als Teil dieser Gesellschaft von den christlichen Festen und Bräuchen etwas erfahren und erleben. Mal mehr, mal weniger. Aber natürlich reicht diese Erfahrung nicht bis ins Detail und selten in den Bereich der inhaltlichen Auseinandersetzung. Aber sie sehen, dass auch Christen zum Beispiel wichtige Feste haben und diese gebührend feiern. Da man auch die eigenen religiösen Hochfeste sehr schätzt und groß feiert, sind das verbindende Elemente, auch wenn die Art und Weise anders ist.
Wie zum Beispiel Ostern . . .
. . . Muslime sehen, dass Ostern für Christen eine sehr wichtige Zeit ist. Sie erfahren, dass es etwas mit der Kreuzigung und Auferstehung Jesus von Nazareth zu tun hat. Wie intensiv der einzelne Muslim darum weiß, wird bei jedem sehr unterschiedlich sein. Es gibt unter Muslimen genauso wie unter Christen Menschen, welche die Spiritualität sehr wichtig finden und versuchen, den Glauben zu verstehen und auch zu erleben. Es gibt aber auch jene, die Religion im Allgemeinen eher lockerer nehmen, Diese sehen es eher pragmatisch und freuen sich einfach über christliche Feste, weil sie dann nicht zur Arbeit oder zur Schule müssen. Der religiöse Sinn ist ihnen dabei irrelevant.
Das ist auch bei Christen nicht viel anders.
Das ist ein religionsübergreifendes Phänomen.