Kinder brauchen Liebe und Führung – sagt Bildungsforscherin Sabine Walper Foto:  

Die Bildungsforscherin Sabine Walper über verunsicherte Eltern und gute Erziehung.

Die Bildungsforscherin Sabine Walper vom Deutschen Jugendinstitut in München spricht im Interview über den Sinn von Elternkursen und die Frage, was wir von Flüchtlingen in Sachen Erziehung lernen können. -
Frau Walper, wenn man die Zahl der Erziehungsratgeber und -kurse sieht: Sind Eltern heute sehr verunsichert?
Tatsächlich zeigen unsere Daten, dass 50 Prozent der Eltern zumindest manchmal unsicher sind, wie sie ihre Kinder erziehen sollen.
Woran liegt das?
In den vergangenen Jahrzehnten haben sich die Erziehungsziele, aber auch die Methoden stark verändert. Seit den 70er Jahren sind Ziele wie Gehorsam und Unterordnung unwichtiger geworden. Eltern wollen Kinder zu selbstbestimmten, sozial kompetenten, reifen Persönlichkeiten erziehen. Gleichzeitig haben sie eine Schutzfunktion, müssen Grenzen setzen. Das richtige Verhältnis von Freiheiten und Grenzen zu finden, ist nicht einfach.
Herrscht Konsens, was gute Erziehung ist?
60 Prozent aller Eltern erziehen autoritativ: Sie geben ihren Kindern viel Liebe, übernehmen aber auch die Aufgabe der Lenkung. Ein Viertel erzieht verwöhnend, jeweils sieben Prozent autoritär oder vernachlässigend. Der verwöhnende Stil ist sehr anstrengend. Diese Eltern geben Wärme und lassen den Kindern alles durchgehen. Aber damit überfordern sie sich und die Kinder oft.
Sind das diejenigen, die irgendwann einen Elternkurs besuchen?
Das kann man nicht so pauschal sagen, aber der Laissez-faire-Stil kann schon zu Problemen führen. Die meisten Elternkurse vermitteln den autoritativen Erziehungsstil: Man kann Kindern Entscheidungsfreiheit geben, aber ihrem Alter entsprechend. Ich darf ein Kleinkind nicht fragen, was es gern anziehen würde. Aber ich kann es zwischen einem grünen und einem roten Pulli wählen lassen.
Bringen solche Elternkurse überhaupt etwas?
Es gibt evaluierte Angebote wie Triple P, Familienteam oder Starke Eltern – Starke Kinder, die Erfolg haben. Sie vermitteln Wissen und Praktiken. Eltern sollten darauf achten, dass erforscht wurde, ob Eltern danach erfolgreicher erziehen als andere.
Regelmäßig fordern Autoren mehr Disziplin in der Erziehung. Ist das von Vorgestern?
Ich würde das nicht abtun. Unsere Untersuchungen zeigen, wie wichtig Selbstregulation, also Selbstdisziplin für Kinder ist. Um heute bestehen zu können, müssen sie auch Dinge tun, auf die sie keine Lust haben. Extreme Meinungen regen dazu an, über das richtige Maß an Disziplin zu diskutieren.
Viele Flüchtlinge stammen aus autoritären Kulturen. Wird das Erziehung verändern?
Auf der einen Seite müssen wir sicherstellen, dass wir unsere Erziehungsziele, zum Beispiel Gleichberechtigung von Mann und Frau, vermitteln. Wir können aber auch etwas von den Zuwanderern lernen. Zum Beispiel werden in diesen Gesellschaften ältere Menschen sehr respektiert. Das kann ein Korrektiv zu unserer jugendorientierten Gesellschaft sein.
 
Zur Person:

Die Diplom-Psychologin Sabine Walper (59) ist Forschungsdirektorin am Deutschen Jugendinstitut und Professorin für Pädagogik und Bildungsforschung an der Universität München. Walper hat das Elternprogramm „Familienteam“ entwickelt und berät das Bundesfamilienministerium in Familienfragen.