Steht vor dem Pflichtspieldebüt für den VfB Stuttgart: Neuzugang Kevin Großkreutz. Foto: Baumann

Er hat ein halbes Jahr lang kein Pflichtspiel bestritten, VfB-Trainer Jürgen Kramny aber sagt über Kevin Großkreutz vor dem Rückrundenstart gegen den 1. FC Köln: „Ich kann ihn von Anfang an bringen.“ Macht er es auch? Für den Neuzugang wäre es ein besonderes Spiel.

Stuttgart - Da ist das verkorkste halbe Jahr, da ist die Kritik von Bundestrainer Joachim Löw, da ist die fehlende Spielpraxis – da sind also genug Gründe, weshalb Kevin Großkreutz eher vorsichtig in sein Bundesliga-Comeback an diesem Samstag (15.30 Uhr/Sky) mit dem VfB Stuttgart in Köln gehen sollte. Da ist aber noch ein weiterer.

Kevin Großkreutz muss aufpassen, dass er im Kölner Stadion nicht die Tür verwechselt. Die Tür in die Kabine seines neuen Vereins – und die Tür des 1. FC Köln.

Für den Stuttgarter Neuzugang nämlich bietet der erste Rückrundenspieltag eine besondere Konstellation. Der VfB ist der Verein, dem er dient in den kommenden Monaten, der FC ist der Club, den Großkreutz nach Borussia Dortmund wohl am meisten liebt. Sogar einen Wechsel zum Geißbockclub schließt er nicht aus: „Köln wäre immer eine Option“, hat er mal gesagt. In dieser Winterpause hätte es klappen können, doch die Kölner winkten ab, also kickt der Weltmeister nun für die Roten und gegen die Kölner. Wenn er denn spielt am Samstag.

Zuletzt war es der Bundestrainer höchstpersönlich, der Großkreutz’ Eignung infrage stellte. Löw kritisierte den 27-Jährigen für dessen Einstellung zu seinem Engagement bei Galatasaray Istanbul – für den türkischen Club bestritt Großkreutz im vergangenen halben Jahr nach einem Formfehler beim Transfer kein Pflichtspiel, weshalb die Frage nun lautet: Kann er dem VfB dennoch sofort weiterhelfen?

Zumindest in Sachen Fitness lässt Jürgen Kramny keine Zweifel gelten und verweist darauf, dass der Neue in der Vorbereitung sämtliche Einheiten absolviert hat. „Wenn einer das schafft“, schlussfolgert der VfB-Trainer, „dann ist er in einem guten Zustand.“ Auch die zu Jahresbeginn erhobenen Laktatwerte seien „ordentlich“ gewesen. Allerdings: Da sind auch noch die Punkte Spielpraxis und Integration.

Letztere, sinniert Kramny, „geht nicht von heute auf morgen“ – was für den ukrainischen Stürmer Artem Kravets noch mehr gilt als für Großkreutz. „Beide werden uns mit Sicherheit verstärken“, ist Kramny sicher, schränkt aber ein: „Wann der Zeitpunkt sein wird, entscheide ich.“ Zumindest zu Großkreutz fügt er an: „Ich kann ihn von Anfang an bringen, er kann auch 90 Minuten spielen.“ Kann – ob er den Neuzugang auch spielen lässt oder doch auf Florian Klein hinten rechts setzt, lässt Kramny offen: „Einige Positionen sind noch hart umkämpft.“ Eines ist dagegen jetzt schon sicher: Dass Kevin Großkreutz in Köln ein freundlicher Empfang erwartet.

Großkreutz ist ein Fan des 1. FC Köln

Zu Hause hat der Ex-Dortmunder eine ganze Kollektion an Kölner Trikots im Schrank hängen, zusammen mit seinem Kumpel Lukas Podolski besucht er schon einmal Heimspiele des 1. FC Köln, zu Zweitligazeiten saß er im roten Jersey im Kölner Fanblock – die Auswärtspartie des VfB fühlt sich für ihn also fast wie ein Heimspiel an. „Ich kenne viele FC-Fans, und auch mit den Verantwortlichen und ein paar Spielern verstehe ich mich gut. Ich kenne auch die Fan-Lieder, und wenn ich im Stadion bin, singe ich sie mit. Ich bin Fan von dem Verein.“

Und das kam so: Im Oktober 2011 spielte Borussia Dortmund gegen Köln, als Großkreutz sein Herz für den Gegner entdeckte. Der BVB gewann 5:0, und danach jubelten nicht nur die eigenen Fans den Dortmundern zu, sondern auch die Kölner Anhänger. Besonders feierten sie Kevin Großkreutz. Einmal allerdings kam dessen Nähe zum 1. FC Köln nicht gut an.

Ende 2014 hatte Großkreutz vor der Kamera mit einem Kapuzen-Pullover posiert, der in Brusthöhe den Namen „Boyz“ trug. Die Kölner Ultra-Gruppierung ist vor allem den Anhängern von Borussia Mönchengladbach ein Dorn im Auge, seit sie im Februar 2015 beim direkten Duell beider Vereine den Platz gestürmt haben. Der 1. FC Köln entzog den „Boyz“ nach den Ausschreitungen den Status eines Fanclubs und schloss sie aus der AG Fankultur aus. Als Dortmund dann im April in Gladbach spielte, hielten Fohlen-Fans ein gegen Großkreutz gerichtetes Banner hoch. Worauf sich dieser bemüßigt fühlte, sich von den Vorfällen zu distanzieren. Zugleich betonte er aber seine Nähe zum FC und dessen Ultras. „Da könnt ihr mich noch so oft beleidigen“, schrieb er, „Freunde sind Freunde, und zu denen steht man.“

An Samstag trifft er sie wieder, Jürgen Kramny ist nach einem Gespräch mit seinem Schützling aber sicher, dass ihn das zunächst ebenso wenig beschäftigt wie die Kritik von Joachim Löw. „Kevin konzentriert sich jetzt auf den VfB“, sagt der Coach, „er hat mit uns die Möglichkeit, sich weiterzuentwickeln, sich wieder interessant zu machen.“ Nicht nur für die Fans des 1. FC Köln.

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