Die Aussicht aus dem Arrest im Stettener Rathaus hat die Insassen Foto: Simone Käser

Im Obergeschoss des Rathauses in Stetten saßen Bettler, Vaganten und Verbrecher ihre Strafe ab. Weil es einen Ofen gab, galt der Arrest als Luxuszelle.

Stetten - Einer ist ausgebüxt. Das war im Jahr 1832. Danach wurde die Decke des Arrests in Stetten verstärkt. Für die kleine und spärlich eingerichtete Gefängniszelle wurde die Küche im Dachgeschoss des Rathauses 1825 ausgeräumt und eine Zwischenmauer eingezogen, um dort Platz für Bettler, Umherstreunende (Vaganten) und Verbrecher zu schaffen, denn der Schultheiß sperrte zu dieser Zeit fleißig ein. Der Umbau des Arrests kostete einschließlich eines Ofens 73 Gulden.

Apropos: Die Möglichkeit zu heizen machte den Arrest zur Luxuszelle. „In den Gefängnistürmen haben die Insassen dagegen jämmerlich gefroren. Oft hat man das Wetter abgewartet, bis man überhaupt jemanden eingesperrt hat“, sagt Andreas Stiene vom Verein für Heimat und Kultur Kernen, während er die in der Wand befestigten Hand- und Fußketten aus Eisen begutachtet. „Das sind noch die originalen. Der Schlossermeister fertigte sie 1840 an“, sagt Andreas Stiene.

Von damals erhalten ist die Kloklappe nebst Topf und Papier, das benutzt aussieht

Ebenfalls noch von damals erhalten ist die Kloklappe nebst Topf und Papier, das benutzt aussieht. Das Bett aus Holz ist dagegen ein Nachbau; die Insassen der Arrestzelle schliefen auf Strohsäcken. Nach Aufhebung der herrschaftlichen Rechte wurde es für die Gemeinde notwendig, ein eigenes Gefängnis einzurichten. Normalerweise wurden Geldstrafen verhängt. Wer ins Gefängnis musste, hatte sich schon ein schweres Vergehen zu Schulden kommen lassen. Dann war die Geldstrafe schnell so hoch, dass sie nicht beglichen werden konnte, sondern abgesessen werden musste.

Bei einer Strafe in Höhe von einem Gulden musste man 12, später 24 Stunden einsitzen. Die Straftaten waren in Frevel eingestuft. So gab es vom kleinen Frevel, der drei Gulden kostete, bis zum Blutfrevel, der 14 Gulden kostete, alles. „Es war ein gut durchschaubares System. Die Leute wussten schon vorher, welcher Frevel was kostet“, sagt Andreas Stiene. Er vermutet, dass die Gefängniszelle bis zur Zeit um den Ersten Weltkrieg herum benutzt wurde. „Eben bis zur Zentralisierung in Vollzugsanstalten.“ Fortan hatten Beamte das Recht, Kriminelle einzusperren.

Der Schultheiß war die niedere Gerichtsbarkeit, der Galgen die hohe

Der Schultheiß war die niedere Gerichtsbarkeit, der Galgen die hohe. „In den 300 Jahren, in denen er außerhalb der Ortschaft stand, war aber kein Fall bekannt, in dem er zur Tötung genutzt wurde. „Das Recht dazu wäre aber da gewesen“, sagt Stiene. Stattdessen sei der Galgen bei Großereignissen zum Einsatz gekommen und habe zur Abschreckung gedient. Ähnlich wie der Pranger, der spanische Mantel oder der Trill. Darin wurden Delinquenten so lange gedreht, bis sie sich übergeben mussten, sagt Andreas Stiene. „Das klingt brutal, aber irgendwie musste Ordnung her, denn nach dem 30-jährigen Krieg war alles und jeder gesetzlos.“

Der Galgen lag auf dem freien Feld und leicht erhöht. Dort wurden Selbstmörder – wie es heißt – „verlocht“. „Durch ihr Vergehen hatten sie das Recht auf einen Friedhofsplatz verwirkt“, berichtet Stiene beim Rundgang durch die alte Zelle. Mit dem Reichsdeputationshauptschluss wurde das Recht der hohen Gerichtsbarkeit abgegeben und der Galgen verboten.