Der berühmte Künstler Markus Lüpertz ist zum Katholizismus konvertiert. Foto: dpa

Markus Lüpertz wird in den neuen Karlsruher U-Bahn-Stationen die Schöpfungsgeschichte künstlerisch gestalten. Trotz der Kritik des ZKM-Chefs Peter Weibel hat der Gemeinderat dem privat finanzierten Projekt zugestimmt.

Karslruhe - Am Ende konnte Peter Weibel sich doch nicht durchsetzen. In einem mehrseitigen Brief hatte sich der Leiter des Karlsruher Zentrums für Kunst- und Medientechnologie (ZKM) vehement dagegen ausgesprochen, dass der Künstler Markus Lüpertz die neuen unterirdischen Stationen der Karlsruher Straßenbahn gestaltet. Lüpertz will großformatige Keramiktafeln anbringen, die sich mit der Schöpfungsgeschichte befassen.

Genutzt hat die Kritik von Weibel und anderen Gegnern in der Stadt letztlich doch nicht, der Karlsruher Gemeinderat hat grünes Licht gegeben für das höchst umstrittene Kunstprojekt. Wenn die neuen U-Bahn-Stationen 2019 im Karlsruher Untergrund fertiggestellt sind, werden die Passanten mit der Genesis konfrontiert werden. Am Durlacher Tor wird es zum Beispiel um „Urflut und Licht“ gehen, am Europaplatz um die „Scheidung des Wassers“. So sieht es zumindest bisher der Plan von Markus Lüpertz vor.

Der Initiator war Geschäftsführer der Majolika-Manufaktur

Auch wenn die Entscheidung gefallen ist, wird der Ärger damit nicht verraucht sein und die Debatte weitergehen, für die ein Mann verantwortlich ist: Anton Goll. Der ehemalige Geschäftsführer der Karlsruher Keramikwerkstatt Majolika hat das Projekt initiiert, für das er bereits seit mehr als einem Jahr Mitstreiter sucht. Der Name Markus Lüpertz war schnell zur Hand, schließlich hatte der als exzentrisch geltende Künstler und Bildhauer in den 1970er und 1980er Jahren in Karlsruhe eine Professur für Malerei an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste und hat bis heute private Kontakte in die Stadt. Auch das ZKM widmet dem 76-jährigen Künstler derzeit eine größere Ausstellung.

Markus Lüpertz ist allerdings nicht nur Künstler, sondern betont auch gern, ein leidenschaftlicher Anhänger der Kirche zu sein. Er ist zum Katholizismus konvertiert, auch wenn er, wie er kürzlich im Interview mit dieser Zeitung erklärte, „die sozialen Päpste nicht ertragen“ könne, „sie verraten das Mysterium, das Geheimnis.“

Ihn faszinieren große Mythen und Geschichten, weshalb er sich bei Gestaltung der U-Bahn-Stationen für die Schöpfungsgeschichte entschieden hat. Die insgesamt 14 Flächen hat er unter den Obertitel „Genesis – die sieben Tage des Herrn“ gestellt. Gefertigt werden sollen die Keramiktafeln in der Karlsruher Majolika, deren Chef der Initiator Goll lange war.

Der ZKM-Chef sieht demokratische Gepflogenheiten verletzt

Für Peter Weibel ist der gesamte Vorgang ein Beweis für „Defekte der Demokratie“, wie der ZKM-Chef es nennt. Es spreche nicht nur gegen alle „demokratischen Gepflogenheiten“, dass für die Gestaltung der U-Bahn-Stationen kein Wettbewerb ausgeschrieben wurde und auch keine öffentliche Diskussion stattgefunden habe. Er hält es auch für hochproblematisch, dass im öffentlichen Raum die Initiative eines Privatmannes umgesetzt wird, sieht aber auch die Freiheit der Kunst in Gefahr. Nach Jahrhunderten habe sie sich von kirchlichen Auftraggebern befreien können. Weibel ist überzeugt, dass religiöse Kunst in die Kirche gehört – und nicht in den öffentlichen Raum einer säkularen Gesellschaft. Die Stationen mit der Schöpfungsgeschichte „zu dekorieren“, hätte „auf allen gesellschaftlichen Ebenen diskutiert werden“ müssen, sagt Weibel.

In einem Punkt scheinen die Kritiker aber doch Gehör gefunden zu haben. So wurde im Vorfeld unter anderem gewarnt, dass die Kosten letztlich doch an der öffentlichen Hand hängenbleiben könnten, falls die Privatinitiative das Geld nicht zusammenbekommt. Die Kosten der Tafeln werden auf eine Million Euro geschätzt, für die Hälfte, sagt Anton Goll, habe er bereits die Zusage von Sponsoren. Der Gemeinderat hat bei seiner Entscheidung nun deutlich gemacht, dass die Stadt sich auf keinen Fall an „Genesis – die sieben Tage des Herrn“ finanziell beteiligen werde. Außerdem wurde das Projekt befristet: Nach sechs Jahren sollen die 14 Tafeln aus den Haltestellen wieder entfernt werden.

Der Karlsruher Oberbürgermeister Frank Mentrup (SPD) hatte sich im Vorfeld bereits positiv über Lüpertz Pläne geäußert. Auch in der Kunstkommission wurde das Projekt Mitte des Monats offensichtlich so diskutiert, dass man sich im Gemeinderat nun einig war. Außerdem hat der Rat bereits Überlegungen angestellt, wie man die Sponsoren des Kunstprojekts angemessen würdigen könnte. In jeder der sieben unterirdischen Haltestellen, heißt es nun in den Erläuterungen des Beschlusses, könne für sie „in den Transferräumen ein Platz von etwa ein auf drei Meter zur Verfügung gestellt werden.“

Der Gemeinderat konnte so ein prestigeträchtiges Angebot nicht ablehnen. Aber es muss ein Geschenk bleiben und privat finanziert werden, meint Norbert Burkert. -

- Natürlich kann man so tun, als ginge es um die Kunst. Und um die Demokratie. Von diesem Standpunkt aus, von ganz hoch oben also, ist es ein Leichtes, den Karlsruher Gemeinderäten Vorwürfe zu machen: Sie ließen sich vom großen Namen des Künstlers Markus Lüpertz blenden und kauften die Katze im Sack. Außerdem hätten religiöse Motive in einer modernen Multikulti-Stadt nichts verloren. Und vor der Entscheidung nicht in einer breiten Debatte die Bürger zu fragen, sei undemokratisch.

Doch der Gemeinderat darf das. Er entscheidet ständig ohne gesamtstädtische Debatte, dafür wurde er gewählt. Und wenn er den Bau großer Gebäudekomplexe absegnet, hat dies oft viel tiefgreifendere Folgen für das Stadtbild, als dies ein paar Keramiktafeln im Untergrund je haben könnten – an Stellen, wo sonst Werbung platziert würde. Und auch bei Bauprojekten richtet man sich nach denen, die Geld bieten.

Dass religiöse Kunst altbacken daherkommt und nicht zum Image einer modernen Stadt passt, mag bisweilen sein – aber doch nicht, wenn sie von dem Star des Kunstbetriebs geschaffen wurde. Daher liegen die Stadträte in der Imagefrage sicher richtig: Sie erwarten, dass der Glanz des Künstlers auch die Stadt zum Leuchten bringt. Außerdem: wenn sich ein Lüpertz mit alttestamentarischer Mythologie beschäftigt, muss nicht zwingend fromme Kunst herauskommen. Und es gibt noch viel andere Kunst im öffentlichen Raum, die Lüpertzschen Tafeln sind nur ein weiterer Beitrag zur Stadtgestaltung: auch das ist multikulti.

Die Forderung, Kunst mit religiösen Motiven solle gefälligst im Kirchengetto bleiben, ist absurd: Schon die Kirchen selbst sind öffentliche religiöse Symbole, ebenso wie viele Grabsteine auf Friedhöfen, wie jedes Bildstöckchen am Spazierweg, wie jedes Kreuz am Straßenrand, wo ein Mensch bei einem Unfall starb.

Aber es geht gar nicht um Kunst, sondern darum, dass die Stadt ein spektakuläres, werbewirksames Geschenk erhält. Das kann ein Gemeinderat nicht ablehnen.

Kontra: Ein Gemeinderat, der sich bezirzen ließ

Kunst im öffentlichen Raum muss auf den Kontext eingehen. Markus Lüpertz schert sich dagegen nicht um die moderne Gesellschaft, meint Adrienne Braun. -

- Wem gehört der öffentliche Raum? Wenn es um Karlsruhe geht, scheint die Sache klar zu sein: Denen, die Geld bieten. Der Gemeinderat hat sich bezirzen lassen von den Plänen eines engagierten Mannes, der ein Herz für die Kunst hat und sich gute Chancen ausrechnen konnte, für ein Projekt mit Markus Lüpertz Mitstreiter und Geldgeber zu finden. Denn Lüpertz, der sich immer schon zu inszenieren verstand, ist nicht nur in Karlsruhe ein berühmter Mann. Die Popularität des „Malerfürsten“ plus die Aussicht auf Kunst, die die Stadt nichts kostet, hat dem Gemeinderat den Blick offenbar so vernebelt, dass er ein Projekt abgesegnet hat, an dem es zurecht reichlich Kritik gab.

Denn selbst wenn Städte immer wieder Investoren freie Hand lassen und fatale Bauprojekte abnicken – das Gesicht des öffentlichen Raumes darf nicht Privatinteressen überlassen werden. Selbstverständlich hätte es eine Ausschreibung geben müssen für die künstlerische Gestaltung der U-Bahn-Stationen. Auch bei Wettbewerben mag mitunter falsch entschieden werden, aber man hätte die Chance erhöht auf ein intelligentes, zeitgemäßes und durchdachtes Konzept.

Das Projekt „Genesis – die sieben Tage des Herrn“ ist nichts davon. Dass sich ein Künstler mit der Schöpfungsgeschichte befasst, ist legitim. Er kann glauben, was er will. Kunst im öffentlichen Raum aber muss auf ihre Umgebung eingehen und den städtischen Kontext reflektieren. Und wenn Städte derzeit ein Thema beschäftigt, so ist es die Einwanderungsgesellschaft, das Zusammenleben der verschiedenen Kulturen, Religionen und Herkünfte. Ausgerechnet an jenen Orten, an denen sich die vielen verschiedenen Menschen der Stadt treffen, nämlich in den U-Bahn-Stationen, wird nun mit der Schöpfungsgeschichte ein Exempel statuiert gegen die bunte, diverse Gesellschaft – noch dazu in altbackener Keramik. Wenn Lüpertz die Offenheit für die moderne Lebenswelt und zeitgemäße Kunst abgehen, ist das seine Sache. Von der Politik aber hätte man mehr Weitblick erwartet.