Beliebtes Ausflugziel: Die Büffel auf der Schwäbischen Alb Foto: ww

Mit interaktiver Grafik - Büffelzüchter Willi Wolf von der Schwäbischen Alb darf seine Tiere behalten. Monatelang ­­­drohte ihnen wegen eines Herpesvirus die Tötung.

Hohenstein - Willi Wolf kann sein Glück kaum fassen. Erleichtert liest er die Untersuchungsergebnisse des Bundesforschungsinstituts für Tiergesundheit vor. „Zusammenfassend deuten sämtliche Ergebnisse auf das Vorliegen einer Infektion mit dem Wasserbüffelherpes hin“, heißt es in dem Schreiben, das das Veterinäramt Reutlingen Ende vergangener Woche vom Fried- rich-Löffler-Institut auf der Insel Riems erhalten hat. Der Befund bedeutet die Rettung für seine Büffel.

Der Büffelzüchter aus HohensteinMeidelstetten im Kreis Reutlingen hat eine schwere Zeit hinter sich. Monatelang bangte er um sein Lebenswerk – eine Herde mit rund 300 Tieren. Von einem Großteil der Büffel sollte er sich nach Weisung der Behörden spätestens bis zum 31. März 2015 trennen, weil bei ihnen Antikörper gegen Herpesviren festgestellt worden waren. Nicht, dass ihr Gesundheitszustand schlecht wäre – bei keinem der Tiere ist je eine Atemwegserkrankung oder eine Entzündung der Geschlechtsorgane aufgetreten. Auch sind die Viren aus Sicht der Wissenschaft für Menschen ungefährlich, das Fleisch infizierter Tiere kann gegessen werden. Dass Wolf seine Büffel wegschaffen sollte, hat vor allem wirtschaftliche Gründe. Baden-Württemberg will bis Mitte 2015 frei werden von dem sogenannten Rinderherpes – in der Fachsprache bovines Herpesvirus Typ 1 (BHV1).

Denn seitdem Bayern als erstes Bundesland BHV1-frei geworden ist, gilt das Virus als Handelshemmnis. Kälber und Zuchttiere, in denen es noch Rinderherpes gibt, dürfen erst nach vierwöchiger Quarantäne und einem Bluttest in BHV1-freie Länder gebracht werden. Das gilt auch für den Transport und Verkauf in BHV1-freie Staaten wie die Schweiz, Österreich, Dänemark, Schweden und Finnland. Als virusfrei gilt ein Land erst, wenn alle positiv getesteten Tiere beseitigt sind. In Baden-Württemberg ist das noch nicht der Fall. Derzeit gibt es im Südwesten knapp 18 000 Rinderhalter mit gut einer Million Tieren. Im Juli waren noch 1173 infizierte Tiere in 75 Betrieben gemeldet, sagt Gerhard Kuhn, verantwortlich für Tiergesundheit im Landwirtschaftsministerium. Da waren auch die Tiere von Wolf eingerechnet – zoologisch gelten sie als Rinder.

Bisher gingen die Experten in der Landwirtschaftsverwaltung davon aus, dass virusinfizierte Büffel das Rindervirus BHV1 in sich tragen. Das haben die Untersuchungen im Friedrich-Löffler-Institut nun widerlegt. Ein neues Testverfahren ermögliche eine Unterscheidung zwischen Rinder- und Büffelherpes, sagt Institutsleiter Martin Beer. Das Büffelherpesvirus sei bereits seit längerem bekannt und spielt besonders in Ländern mit einer hohen Zahl an Wasserbüffeln, etwa Italien oder Rumänien, eine Rolle.

Diese Unterscheidung ist für Wolfs Tiere überlebenswichtig – denn damit fallen sie nicht mehr unter die Verordnung des baden-württembergischen Landwirtschaftsministeriums. Diese sieht – wie ähnliche Verordnungen in anderen Bundesländern – vor, dass bis Mitte 2015 alle mit Rinderherpes infizierten Tiere aus den Ställen entfernt werden müssen.

Die Mitteilung, dass er seine positiv getesteten Tiere binnen eines Jahres loswerden müsse, hatte den 59-Jährigen im Frühjahr wie ein Keulenschlag getroffen. Damit stand seine Existenz auf dem Spiel. 2005 hatte er 36 Wasserbüffel aus Rumänien nach Deutschland geholt, daraus ist seine heutige Herde entstanden – die größte in Deutschland. Die Tiere fühlten sich auf den Weiden und Brachen so heimisch, als hätten sie immer hier gelebt, sagt Wolf – für ihn sind sie deshalb Albbüffel. Sie bewahren die Alblandschaft vor dem Zuwuchern und liefern Fleisch, das magerer als Rindfleisch ist und kräftiger schmeckt. Pro Woche verkauft er drei einjährige Kälber an einen Metzger in einer Nachbargemeinde, der Spitzenköche und Krankenhäuser mit dem „stressfreien Fleisch“ beliefert. Aus der Haut der Tiere werden beispielsweise Jacken und Taschen hergestellt.

Natürlich wusste Wolf, dass ein Teil seiner Tiere mit Herpes infiziert war – schließlich müssen Infektionen seit 2001 gemeldet werden. Durch Impfungen versuchte er, die Ausbreitung zu verhindern. Allerdings habe er sich gewundert, dass die Kälber geimpfter Kühe ebenfalls positiv getestet wurden, während die wenigen Rinder auf seinem Hof von dem Virus verschont blieben, erzählt er.

Er schmiedete Pläne, um seinen Hof zu retten. Der Verkauf der infizierten Tiere nach Litauen scheiterte, weil der vorgesehene Käufer keine finanzielle Sicherheit bieten konnte. Auch die Hoffnung, aus Bulgarien Kühe für eine neue Herde beschaffen zu können, platzte – beim Test wurden bei den Tieren ebenfalls Antikörper gefunden.

Aber aufgeben? Hartnäckig suchte der Mann, der mit 20 Jahren die Liebe zur Landwirtschaft entdeckt hat, nach einem Ausweg. Im Reutlinger Veterinäramt, das ihm im Frühjahr die schreckliche Nachricht überbrachte, findet er auch Hilfe – Thomas Buckenmaier, Tierarzt und Amtsleiter, und die Kollegen lässt das Schicksal der Tiere nicht kalt. Sie hören von einer neuen Untersuchungsmethode des Bundesforschungsinstituts – und schicken Blutproben an die Ostsee. Dann die erlösende Nachricht. „Wenn das Veterinäramt nicht so offen gewesen wäre, hätte ich das nicht geschafft“, sagt Wolf. „Wir gehen in die Geschichte ein.“ Für viele Büffel kommt die Nachricht zu spät – andere Züchter haben ihre positiven Tiere bereits weggeschafft.

Wolf ist froh, sich nun wieder seinen Büffeln widmen zu können. Die sind mittlerweile zu einer Attraktion in der Gegend geworden. Mehr als 60 Busse und viele Privatbesucher kamen im vergangenen Jahr, um die Tiere über die Weide donnern oder sich im Schlamm suhlen zu sehen.