Leerung der Biotonnen: Künftig müssen und wollen Stuttgart und der Kreis Ludwigsburg bei der Verwertung der Bioabfälle viel mehr tun – aber jeder für sich Foto: dpa

Die Landeshauptstadt will eine Anlage bauen, die von Anfang an 30 000 Tonnen Bioabfälle pro Jahr zu Biogas machen kann. Bisher war zunächst nur eine Anlage für 17 500 Tonnen geplant. Bioabfall aus dem Kreis Ludwigsburg will die Stuttgarter Stadtverwaltung nicht haben - mit interaktiver Grafik

Die Landeshauptstadt will eine Anlage bauen, die von Anfang an 30 000 Tonnen Bioabfälle pro Jahr zu Biogas machen kann. Bisher war zunächst nur eine Anlage für 17 500 Tonnen geplant. Bioabfall aus dem Kreis Ludwigsburg will die Stuttgarter Stadtverwaltung nicht haben.

Stuttgart - Am 1. Januar 2018 soll im Kreis Ludwigsburg eine Vergärungsanlage die Arbeit aufnehmen, in der die Bioabfälle zu Biogas verarbeitet werden. Landrat Rainer Haas und die 100-prozentige Kreis-Tochter AVL nehmen dafür jetzt die Zielgerade in den Blick. Bei Firmenchef Utz Remlinger gingen nach EU-weiter Ausschreibung vier Angebote für den Bau und Betrieb ein. Im Oktober soll der Aufsichtsrat entscheiden. Am Monatsende dürfte die Vergabe rechtskräftig werden. Dann hätte der Landkreis einen Partner, der Bioabfälle gegen Bezahlung zu Tonnenpreisen verwertet.

Damit das wirtschaftlicher wird, will der AVL bei den Haushalten noch mehr Bioabfälle abschöpfen. Von derzeit rund 23 000 Tonnen pro Jahr hoffe man die Menge auf 28 000 steigern zu können, sagt Remlinger. Für einen optimalen Betrieb sollte so eine Anlage mit 30 000 bis 35 000 Tonnen Bioabfällen gefüttert werden. Wenn es klemmt, kann man noch zusätzlich Grasabfälle und die auf den Häckselplätzen angelieferten Grünabfälle beisteuern. Zudem werde der Betreiber sich wohl noch im Umland Bioabfälle besorgen, sagt Remlinger.

Nach Informationen der Stuttgarter Nachrichten ist für die Anlage unter anderem ein Gelände südlich von Kornwestheim im Gespräch – und damit ganz in der Nähe des Gewanns Hummelsgraben Süd in Zuffenhausen, wo die Stadt Stuttgart Biogas produzieren will. Dies und die Tatsache, dass Stuttgart in einer ersten Stufe zunächst eine Anlage für 17 500 Tonnen Biomüll pro Jahr errichten wollte, hat die Alarmglocken schrillen lassen.

Planen da zwei Bauherren getrennt voneinander zwei Anlagen, die beide kaum wirtschaftlich wären und die Gebührenzahler mit unnötigen Millionen-Ausgaben belasten? Die Bedenken sind groß. Auch im Landesumweltministerium hätte man gern eine Kooperation gesehen, sagt Remlinger. An der Ludwigsburger Seite sei die Zusammenarbeit nicht gescheitert, doch „unsere Liebe wurde von Stuttgart nicht erwidert“.

Remlinger bedauert das. Mehrfach hätten der Landrat und er selbst sich bei Stuttgart um die Kooperation bemüht, sogar den früheren OB Wolfgang Schuster (CDU) und in diesem Jahr auch Schusters Nachfolger Fritz Kuhn (Grüne) angesprochen. Vergeblich. Möglicherweise habe man im Stuttgarter Rathaus befürchtet, dass die Bürger die Anlage nicht mehr akzeptieren, wenn dort auch Bioabfälle der Nachbarn anlanden.

In Ludwigsburg staunt man jedenfalls heute darüber, was Stuttgarts Technik-Bürgermeister Dirk Thürnau (SPD) und der Chef der Abfallwirtschaft Stuttgart (AWS), Thomas Heß, den Stadträten schon 2012 berichtet hatten: Kurz- und mittelfristig könne keine Kooperation realisiert werden. Der Kreis Ludwigsburg könne keine konkrete Zusage über eine gemeinsame Anlage geben. Zusagen, hält Remlinger dagegen, seien damals keiner Seite möglich gewesen.

Thürnau lässt auf Anfrage keinen Zweifel daran, dass es für einen Stopp des Stuttgarter Projekts aus seiner Sicht heute zu spät ist. Die Entwurfsplanung sei fast fertig. Er habe auch Protokolle, wonach die Stadträte keine Mülllaster aus anderen Kreisen in Stuttgart haben wollten. Das war allerdings noch vor 2012, als der EnBW-Konzern eine Anlage für 60 000 Tonnen Bioabfälle beim Gaskessel im Stuttgarter Osten erwog.

Lkw aus dem Kreis Ludwigsburg wären beim neuen Stuttgarter Standort direkt an der Grenze kein Thema. Aber die Fläche dort, sagt Thürnau, reiche nicht für eine 60 000-Tonnen-Kapazität – und die wäre nötig, wenn man kooperieren wolle. Der Platz hätte dort nie gereicht, sagt Thürnau, auch nicht vor einer Kursänderung 2013. Damals musste das Baufeld verkleinert werden, damit man vom Aussterben bedrohte Zauneidechsen auf dem Areal halten kann.

Unterdessen neigen Thürnau und AWS-Chef Heß dazu, in die rund 13 Millionen Euro teure Anlage gleich einen zweiten Fermenter einzubauen. Das ist ein Bioreaktor, in dem die Vergärung abläuft. Mit zwei Fermentern wäre Stuttgarts Anlage sofort für 35 000 Tonnen ausgerüstet. Grund: Der Zeitplan habe sich ja verschoben. Statt wie ursprünglich vorgesehen im Jahr 2015 werde die Anlage Mitte oder Ende 2017 in den Regelbetrieb gehen. Das wäre zweieinhalb Jahre nach Inkrafttreten des geänderten Kreislaufwirtschaftsgesetzes, das Anfang 2015 den Druck erhöht, damit die Kommunen Biomüll getrennt vom Restmüll einsammeln und verwerten. Bis Ende 2017 will die Stadt die Pflicht zur Biotonne aber sowieso in allen Bezirken umgesetzt haben. Wenn man dann nicht mehr 15 000 Tonnen Bioabfälle abschöpfe, sondern 30 000, spräche das für den zweiten Reaktor.

Sein eigenes Ding zu machen ist Thürnau auch aus anderen Gründen lieb: Vertragsverhältnisse seien in der Abfallbeseitigung „nicht ganz einfach“. Ein Hinweis auf die Müllverbrennungsanlage der EnBW. Da ist die Stadt zur Einhaltung vertraglicher Mengen und Preise verpflichtet, doch die Restmüllmenge sinkt. Thürnau kämpft um bessere Konditionen für die Stadt und die Gebührenzahler. Ergebnis ungewiss.