Mittelständler - auch Maschinenbauer - halten sich mit Investitionen zurück Foto: dpa

Experten warnen: Viele mittelständische Firmen nutzen die Chance nicht, sich die historisch niedrigen Zinsen jetzt langfristig zu sichern. „Das ist zu kurz gedacht“, sagt Unternehmensberater Michael Euchner.

Stuttgart - Die Lage hat sich total gedreht. In der Wirtschaftskrise vor wenigen Jahren klagten viele Unternehmen über eine Kreditklemme. Heute erhalten die meisten mittelständischen Unternehmen in Deutschland ohne Schwierigkeiten Kapital. Nach einer Studie der Unternehmensberatungen Ebner Stolz und Wolff &Häcker Finanzconsulting (WHF) geben 68 Prozent der Unternehmer an, dass sich die Finanzierungskonditionen für sie in den vergangenen zwei Jahren verbessert haben.

Ohnehin scheint die Zusammenarbeit mit der Hausbank für den Mittelstand „weitestgehend alternativlos“ zu sein, schreiben die Autoren der Studie. „Die Finanzkrise hat dem Ansehen der Banken im Mittelstand nicht geschadet“, sagt Michael Euchner, Partner der Ebner-Stolz-Gruppe. „Das Vertrauen in die Hausbank hat in den vergangenen zwei Jahren zugenommen.“ 20 Prozent der Befragten geben an, dass sich das Verhältnis zur Hausbank weiter verbessert hat. 64 Prozent sehen keine Veränderung, und nur 9 Prozent meinen, dass sich die Beziehung zur Hausbank verschlechtert hat. Allerdings gaben fast 30 Prozent der Unternehmer an, dass sie heute bei Finanzierungen mit mehr Banken zusammenarbeiten als früher.

Das gute Verhältnis zur Hausbank mag auch daran liegen, dass viele Banken den Mittelstand umwerben. „Die Mentalität bei den Banken hat sich verändert“, betont Euchner. Ihm zufolge wollen viele mit ihren Unternehmenskunden eine langfristige Beziehung eingehen, die nicht gleich beim ersten Windstoß aufgegeben werde.

Für die Firmen ist die Finanzierungssituation angesichts der niedrigen Zinsen komfortabel. Die Hälfte der bundesweit befragten 5000 Unternehmer aus dem verarbeitenden Gewerbe geht davon aus, dass die Zinsen weiter niedrig bleiben. 17 Prozent erwarten sogar weiter sinkende Zinsen. Für WHF-Vorstand Hendrik Wolff besteht aus Sicht der Unternehmer „wenig Handlungsdruck“, die niedrigen Zinsen zu nutzen. „Das überrascht, da sich die Rentabilität von Investitionen deutlich verbessert“, so Wolff.

Knapp ein Drittel der befragten Firmenchefs plant trotz niedriger Zinsen aktuell keine Investitionen. Dabei könnten Unternehmen mit Investitionen in ihre Produktionskapazität, in Innovation, Markterschließung oder Vertrieb ihre Wettbewerbsfähigkeit erhöhen, meint Euchner. Die sich verschärfende Wettbewerbssituation gehört zu den drängendsten Sorgen des Mittelstands. 82 Prozent sehen in der Wettbewerbssituation ein starkes Hindernis für weiteres Wachstum, gefolgt von fehlendem qualifiziertem Personal (71) und stagnierenden Märkten (67).

Wenn Mittelständler finanzieren, dann meist über klassische Bank- oder Förderdarlehen (76 Prozent). Fast ein Viertel der Unternehmen sichert sich die Zinsen nur zwischen einem halben und einem Jahr. Anleihen spielen bei Mittelständlern derzeit keine wesentliche Rolle in der Finanzierung, auch wenn viele Börsenplätze hierfür spezielle Mittelstandssegmente eingerichtet haben. Allerdings waren hier auch spektakuläre Ausfälle zu verzeichnen, „da wollen sich viele Mittelständler nicht einreihen“, weiß Euchner. Der Kapitalmarkt als Finanzierungsquelle wird überwiegend skeptisch eingeschätzt, zeigt auch die Studie.

Die Möglichkeit, für langfristige Finanzierungen externe Eigenkapitalgeber zu holen, wird von mittelständischen Unternehmern nicht gern ergriffen. Gegenüber Private Equity gibt es immer noch dieselben Vorbehalte, so Euchner, „obwohl die jüngere Unternehmer-Generation internationaler ausgebildet wurde.“ Die Unternehmer fürchten Renditedruck, kurzfristige Ergebnisoptimierung und die Gefahr einer Zerschlagung des Unternehmens. Generell wüssten Geschäftsführer wenig über andere Finanzierungsformen.