Es ist manchmal ein Kreuz mit dem Leben als Priester. Foto: dpa

Der Psychiater, Theologe und Jesuit Eckhard Frick im Interview über priesterliche Ehelosigkeit, Einsamkeit und Frust.

Stuttgart – Herr Professor Frick, wie zufrieden sind Deutschlands Priester mit dem Zölibat und ihrer ehelosen Lebensform?
Die Frage des Zölibats ist wichtig. Wir haben sie in einen größeren Zusammenhang gestellt, nämlich in den Kontext von Belastungen und Kraftquellen von Seelsorgenden überhaupt. Wir haben unseren Fragebogen an über 20 000 Priester, Diakone, Pastoral- und Gemeindereferenten geschickt. Davon haben sich über 8000 gemeldet, also mehr als 40 Prozent, was ein sehr guter Rücklauf ist.
Und sind Sie vom Ergebnis überrascht?
Überrascht sind wir von manchen Details, zum Beispiel die hohe Lebenszufriedenheit und die gute Berufszufriedenheit. Angesichts der hohen Berufsbelastungen sind die Burnout-Werte verhältnismäßig gering. Äußere Faktoren wie die Größe der Pfarrverbände wirken sich kaum aus auf die Belastung. Es sind mehr die inneren Faktoren, die Art wie ein Seelsorger mit der Belastung umgeht.
Dass Priester mit der zölibatären Lebensform, ihre Probleme haben, ist nicht neu. Was hat sich gegenüber früher verändert?
Man muss unterscheiden zwischen äußeren Umständen, die sich ändern wie große Umbrüche, neue pastorale Berufe, mehr Teamarbeit, die veränderte Priesterrolle, neuer Stil, andere Ansprüche der Gemeinden, eine gewisse berufliche Spezialisierung in sogenannten kategorialen Bereichen der Sonderseelsorge. Die Frage ist jetzt: Wie geht der Einzelne mit diesen Veränderungen um? Wir nennen das Kohärenz-Gefühl.
Das heißt?
Es geht hier darum, ob ein Seelsorger in seiner Lebenslinie – wir sprechen hier von mehreren Jahren – ein Grundzutrauen hat. Ob alles in seinem Leben und Beruf stimmig und sinnvoll ist, auch wenn es große Änderungen gibt. Oder anders ausgedrückt: Ob jemand eher ängstlich die Schotten dicht macht und in sich selber oder ins bloß Innerkirchliche zurückzieht.
Gibt es da eine Entwicklung zu mehr Ängstlichkeit und Flucht nach innen?
Die scheint es mir in der Tat zu geben. Die Priester haben sind im Vergleich zu den anderen Seelsorgenden heute ein etwas schwächeres Kohärenz-Gefühl.
Was soll Ihre Studie über das reine Ergebnis hinaus bewirken?
Unsere Aufgabe ist es nicht, Kirchengeschichte zu schreiben. Wir fragen, wie es den Seelsorgenden geht, wir schauen, wie Ressourcen und Unterstützungsrückhalt auf der individuellen Ebene sind. Selbstverständlich wird das Individuum nicht isoliert betrachtet, sondern in einem Team und in einem Verhältnis zu den Vorgesetzten.
Knapp die Hälfte der Priester würde, wenn sie die Entscheidung noch mal hätten, sich gegen den Priesterberuf entscheiden. Das ist heftig.
Das stimmt so nicht. Richtig ist: Ein Viertel würde sich nicht mehr für die zölibatäre Lebensform entscheiden. Für diese Gruppe ergeben sich auch erhöhte Werte hinsichtlich ihrer psychosomatischen Belastung. Wir wissen aber nicht, ob diese Belastungen schon vor der Berufswahl vorhanden waren.
Um welche Art von typisch priesterlicher Krise handelt es sich?
Es sind Krisen, die nicht unbedingt eine totale Katastrophe darstellen, sondern möglicherweise Umorientierungs- und Vertiefungsprozesse sind. Das ist ganz wichtig: Auch Seelsorger müssen die Chance bekommen, sich zu entwickeln und unter neuen Bedingungen vielleicht dann eine andere Form ihres Lebensstils und ihrer Tätigkeit zu finden.
Das ist schwerer gesagt als getan.
Viele schaffen das auch. Viele nehmen diese Krise und eine gewisse Schwäche als Chance an und versuchen, etwas daraus zu machen.
Und wie viele schaffen es nicht? Wie viele zerbrechen an der zölibatären Lebensform?
Darüber kann unsere Studie keine Aussage machen.
Aber zumindest ein Trend?
Häufig machen wir bei den etwas Älteren die Erfahrung, dass sie die Krisen schon bewältigt haben. Denen geht es dann meist besser als den Jüngeren, denen der Wind entgegen bläst.
Wie steht wes um die Vorbereitung auf den Priesterberuf? Studium, Konvikt, Priesterseminar, Diakonat?
Wir haben auch die Aussage, dass viele unzufrieden mit ihrer Ausbildung sind und in der Rückschau sich nicht ausreichend auf den Lebensstil der Ehelosigkeit vorbereitet und unterstützt fühlen. Das gibt zu denken.
Inwiefern?
Wir fragen uns, wie künftige Priester mit einem Grundvertrauen in das hineingehen können in das, was auf sie zukommt.
Die Zahlen der neu aufgenommenen Priesteramtskandidaten sind auf einem Tiefstand. Etwas mehr als 100 traten 2013 in die Theologenkonvikte ein. 1984 waren es noch um 650. Was läuft falsch?
All diese Tendenzen gibt es. Die Frage ist: Wo ist das Innovationspotenzial? Das scheint mir unter anderem in der Spiritualität zu liegen. Eine persönliche und nicht nur pflichtmäßig erfüllte Spiritualität ist der große Motivator für die Seelsorge – über alle Berufsgruppen hinweg.
Plädieren Sie für eine Abschaffung des Zölibats?
Das ist eine Frage, die wir als Forscher nicht beantworten können. Wir möchten eine Debatte anstoßen. Auch innerkirchlich. Wir halten es nicht für hilfreich, dass eine oder andere aus den Forschungsergebnissen zu schließen. Das lässt sich nicht begründen.
Das klingt sehr diplomatisch.
Selbstverständlich haben wir individuelle Meinungen. Auf jeden Fall braucht es den innerkirchlichen Dialog. Davon kann auch die Lebensform des Priesters nur profitieren.
Und was ist mit Ihnen? Würden Sie noch mal Ordensmann und Priester werden?
Ich bin 59 und wurde 1992 zum Priester geweiht. Ich kann die Frage mit einem einfachen Ja beantworten. Ich bin sehr gerne Priester.

Zur Person: Eckhard Frick

1955 geboren

1974-1981 Studium der Medizin, Philosophie, Theologie

1982 Promotion in Medizin

1986 Eintritt in den Jesuitenorden

1987 Facharzt für Psychiatrie

1995 Abschluss der Psychoanalytischen Ausbildung

Seit 2003 Dozent an der Hochschule für Philosophie München

2007 Habilitation für das Fach Psychosomatische Medizin und Psychotherapie

Seit 2010 Professor für Spiritual Care an der Medizinischen Fakultät der Universität München