Andrii Melnuchyk in einer Kirche in der Ukraine: Griechisch-katholische Gotteshäuser gleichen orthodoxen Kirchen. Foto: privat

Andrii Melnychuk ist Lizenziat der griechisch-katholischen Theologie und arbeitet als Mesner in Heumaden. Der Ukrainer lernt bei seiner Arbeit den lateinischen Ritus kennen, der sich vom griechischen Ritus in der Ukraine unterscheidet.

Heumaden - Jedes Volk habe die Kirche, die zu ihm passe, sagt der Ukrainer Andrii Melnychuk. In der Ukraine sind Kirchen mit Gold geschmückt. Viele Kerzen beleuchten Ikonen, und Besucher müssen nicht lange warten, bis eine Babuschka auftaucht, um sich andächtig zu bekreuzigen.

Die katholische Kirche Sankt Thomas Morus erscheint dagegen – wie viele moderne Kirchen in Deutschland – eher als ein sakraler, aber etwas schlichter Versammlungsort. Das Nüchterne passe zu den Deutschen wie das Überbordende zu den Ukrainern, meint der 27-Jährige. Der Ukrainer aus der Gegend um die in der Nähe der polnischen Grenze gelegene Großstadt Lwiw lebt seit einigen Monaten in Deutschland. Er spricht die ihm fremde Sprache schon gut, weil er während seines Theologiestudiums in Italien Deutschkurse belegt hat. Der Ukrainer lächelt etwas verlegen angesichts so viel europäischer Verwirrung. Manchmal sucht er noch nach dem richtigen deutschen Ausdruck. Dann hilft ihm seine Frau Natalia. Sie studiert seit vier Jahren Wirtschaftswissenschaften an der Universität Hohenheim.

Fremder Ritus

Andrii Melnychuk ist Lizenziat für katholische Theologie. Nach kirchlichem Recht besitzt er somit die Befugnis, an Hochschulen der Kirche zu lehren. Im Moment unterstützt er die Heumadener Gemeinde Sankt Thomas Morus als Mesner. So könne er den ihm als griechisch-katholischen Ukrainer fremden, in Westeuropa üblichen lateinischen Ritus kennenlernen, sagt er. Ihm gefalle, dass der lateinische Ritus die Besucher eines Gottesdienstes mehr einbinde und die Gemeinde insgesamt sich stärker einbringen könne. „Ministranten gibt es bei uns zum Beispiel nicht. Die Gläubigen haben im Gottesdienst die Aufgabe, zu singen und zu beten“, sagt der 27-Jährige. Schön findet der Ukrainer auch die Orgelmusik, die in deutschen Gottesdiensten nicht fehlen darf. „In der Ukraine gibt es nur einen Chor“, sagt er.

Griechisch-katholisch bedeutet, die Autorität des Papstes anzuerkennen und die Glaubenslehren der Kirche in Rom, gleichzeitig aber Gottesdienste zu feiern, wie es die Orthodoxen in Griechenland pflegen – vereinfacht gesagt mit viel Gold in den Kirchen und Heiligenikonen.

Nach Europa orientiert

In der Westukraine leben die meisten griechisch-katholischen Gläubigen des Landes. Sie haben sich in der Geschichte immer nach Rom und damit nach Westen orientiert. Kulturell und politisch gesehen hat das Folgen, die bis heute nachwirken. Gerade in der Westukraine mit ihrer katholischen Minderheit wurden Bewegungen stark, die das Land an der Seite Westeuropas sehen und die Ukrainer nicht als Brudervolk der Russen. Eine kulturelle und auch religiöse Bruchlinie zwischen West und Ost verläuft mitten durch die Ukraine. Seit 2014 wird entlang dieser Linie geschossen. Soldaten und Kämpfer pro-russischer Separatisten liegen sich in Schützengräben gegenüber.

Für Andrii Melnychuk und seine Frau Natalia bedeutet der Krieg in der Heimat viele Sorgen. Lwiw mag mehr als tausend Kilometer vom umkämpften Gebiet entfernt liegen. Doch ein Freund sei Pfarrer und nur 50 Kilometer entfernt von der Front, erzählt er. In Bad Cannstatt feiern die ukrainischen Katholiken nach dem griechischen Ritus Gottesdienst. „In den Fürbitten geht es meist um den Frieden in der Ukraine, um unsere Soldaten oder die vielen Flüchtlinge“, sagt er. Allerdings habe das geteilte Leid die Ukrainer zusammengeschweißt. „Egal, ob katholisch oder orthodox, wir sind von diesem Krieg betroffen“, sagt der Mesner. Und im Ausland spielten konfessionelle Unterschiede ohnehin keine Rolle. „Da sind wir so froh, andere Ukrainer zu treffen. Wir verabreden uns sofort, um abends miteinander zu kochen oder Ausflüge zu machen“, erzählt er.

In Heumaden gefallen ihm die ländlichen Strukturen in der Nähe zum Stadtzentrum. Er selbst komme ja aus einem Dorf in der Nähe von Lwiw. Ob er in Stuttgart bleiben werde, könne er nicht sagen. „Das hängt von der Kirche ab“, sagt er. „Ich gehe dahin, wo die Kirche mich braucht.“