Liebt Herausforderungen: Katharina Grosse vor einem ihrer großformatigen Bilder; das Porträt wurde im Jahr 2015 aufgenommen. Foto: Andrea Stappert

In den vergangenen Jahren sind die Bilder der baden-württembergischen Künstlerin Katharina Grosse immer größer geworden – und passen nun so gerade ins Museum Frieder Burda in Baden-Baden hinein.

Baden-Baden - Luxus ist verführerisch. Man lernt ihn zu schätzen. Man nimmt ihn irgendwann ganz selbstverständlich in Anspruch. Katharina Grosse genießt einen Luxus, um den sie viele Künstler beneiden werden: 2007 ließ sie sich in Berlin-Mitte ein Atelier bauen. Für das Grundstück einer ehemaligen Militärschneiderei entwarf das Büro Augustin und Frank Architekten einen kühlen Neubau mit riesigen Arbeits- und Lagerräumen, die eher an ein Gewerbe erinnern als an ein Atelier. Aber Katharina Grosse malt auch schon längst nicht mehr mit Pinsel und Palette, sondern arbeitet im großen Stil mit einer von Kompressoren angetriebenen Spritzpistole.

Im Museum Frieder Burda in Baden-Baden lässt sich nun schön nachverfolgen, wie die Bilder von Katharina Grosse seit ihrem Umzug ins Großatelier weiter gewachsen sind: Die jüngsten Arbeiten haben inzwischen Ausmaße von vier auf neun Meter erreicht und sind damit so groß, dass selbst im geräumigen Erdgeschoss des Museums nur noch eine Handvoll Werke Platz finden. Ein riesiges, gekrümmtes Oval mit Loch in der Mitte wölbt sich vor der Wand und erinnert eher an den Leib eines Flugzeugs als an klassische Tafelmalerei. Die gut zehn Meter hohe Fläche aus glasfaserverstärktem Kunststoff erobert vielmehr den Raum und ist Teil der Architektur.

Vor zwei Jahren hat Katharina Grosse den Oskar-Schlemmer-Preis des Landes Baden-Württemberg bekommen. Die 54-Jährige ist in Freiburg geboren worden und hat an der Düsseldorfer Kunstakademie studiert, wo sie heute selbst Professorin ist. Mit dem Schlemmer-Preis werden Persönlichkeiten des Landes geehrt, die in der aktuellen Kunst wichtige Impulse gesetzt haben und international anerkannt sind. Beides gilt für Grosse, trotzdem wurde ihr Werk in Baden-Württemberg bis heute nicht umfassend ausgestellt. Das holt das Museums Frieder Burda nun zumindest teilweise nach: In der monografischen Sommerausstellung wird eine Auswahl an Tafelbildern präsentiert, auch wenn zu Grosses Werk auch Skulpturen sowie Installationen gehören. Denn ihre Malerei wächst und wuchert, greift längst auch auf Räume über, auf Stoffe oder Möbel. Sie hat auch schon Schutt, Erde oder Rasen ausgestellt, die bei ihr zu Bildträgern ihrer schrillfarbigen Malerei werden.

Die Formate werden immer gigantischer

Im Museum Burda lässt sich nun nachverfolgen, wie Grosses Auseinandersetzung mit einer radikalen Abstraktion sich hin zum Gigantismus entwickelt. Spannend sind die verschiedenen Werkkomplexe früherer Jahre, bei denen Grosse die Flächen zu sprengen scheint und verschiedene Perspektiven und Bildebenen ineinandergreifen. Sie kombiniert Raster, Gekröse und atomisierte Farbnebel. Partien werden abgedeckt, Farbe fließt, es wird geschüttet, gesprüht, die Leinwand während des Arbeitsprozesses gedreht, damit die trielende Farbe die Richtung wechseln kann. Das Ergebnis dieser ganz verschieden bearbeiteten Segmente auf der Fläche ist ein virtuoses, aberwitziges Ineinandergreifen der heterogenen Elemente.

Auch wenn die Ausstellung nicht das vielschichtige Werk von Katharina Grosse spiegelt, vermittelt sie doch, wie stark sich die Künstlerin im Lauf der Jahre verändert hat und ihre Malerei beständig fortentwickelt. In den achtziger, neunziger Jahren unterteilte die Künstlerin die Leinwände noch streng in große Flächen, die sie durch unterschiedliche Richtungen des Pinselstrichs dynamisierte und in Spannung brachte. Später arbeitete sie mit Rastern, die sich raffiniert wie Flächen aufwölben; in sie grätschen aggressiv Bildelemente hinein und reißen die Fläche auf. Ende der neunziger Jahre tauschte Katharina Grosse dann den Pinsel gegen die Spritzpistole ein und drängt seither auch immer stärker in den Raum hinein.

Die Bilder bringen die Sprache an ihre Grenzen

Eines verbindet ihre Arbeiten: Diese Malerei bringt die Sprache an ihre Grenzen, lässt sich kaum mehr benennen, weil sie sich nicht um Tiefe und Hintergründigkeit schert und sich jeder Inhaltlichkeit verweigert. Grosse ist allein dem Einsatz von Farbe auf der Fläche verpflichtet. Das ist Handwerk – und doch mehr als das. Ihre Bilder, meint die Künstlerin, entwickelten „Modelle des Paradoxen“, indem sie über das Gegebene hinauswiesen.

Die wenigen bei Burda ausgestellten Riesenformate sind dabei nicht unbedingt Katharina Grosses beste Arbeiten. Auf einem sind Spuren ihrer nackten Füße zu sehen, mit denen sie über die nasse Fläche gelaufen ist, um die Farbe gehend weiterzutragen und zu vermischen. Für Katharina Grosse ist aber allein die schiere Größe eines Bildes schon ein wichtiges Statement gegen den konservativen Kunstbetrieb. Während ihres Studiums habe man ihr häufig geraten, sich doch lieber kleineren Formaten zuzuwenden, die für sie als Frau einfacher zu bearbeiten seien. Das habe sie erst recht herausgefordert.