50 zum Teil Schwerverletzte sind an mehreren Unfallorten zu versorgen. Foto: factum/Granville

Das Regierungspräsidium lässt den Katastrophenfall üben. 2300 Rettungskräfte sind in vier Landkreisen der Region Stuttgart im Einsatz, um Schwerverletzte zu versorgen oder Waldbrände zu löschen.

Böblingen - Realistische Unfalldarstellung“ ist auf schwarz-weiß gestreifte Westen gedruckt. Gerhard Fuchs trägt eine von ihnen. Er koordiniert diesen Einsatz des Roten Kreuzes. Manv 50 ist ausgelöst. Manv steht für „Massenanfall von Verletzten“. Die 50 benennt deren zu erwartende Zahl. Blaulichter blitzen über den Platz an einer A 81-Einfahrt bei Böblingen. Eine Frau auf einer Trage schreit, während Fuchs Amtsträgern das Geschehen erklärt. Die Frau ist keine Verletzte, sondern eine Laienschauspielerin, die ihre Rolle ernst nimmt. Die Amtsträger werden am Nachmittag den Einsatz allesamt loben, einschließlich Innenminister Thomas Strobl.

Diese Übung soll bis ins Detail realistisch sein, und für Vorbeifahrende muss sie wirken wie Realität. Mehrere hundert Frauen und Männer wimmeln über den Platz, wie viele genau, weiß selbst Fuchs nicht. Ein Stück hinter ihm liegt ein Reisebus auf einem zerquetschten Opel. Eine Frau in ihm haben die Retter nicht einmal zu befreien versucht. Sie war tot oder dem Tod so nah, dass sie wohl nicht mehr zu retten war. Auch dies gehört zur Realität. Bei Manv 50 konzentrieren die Kräfte sich auf diejenigen, bei denen Aussicht auf Erfolg besteht.

In einem Zeltlager ist die Annahme eine Gasexplosion

Dies ist der Samstag der blitzenden Blaulichter in den Landkreisen Böblingen, Esslingen, Tübingen und Reutlingen. Das Regierungspräsidium hat zur Großübung aufgefordert. In einem Zeltlager bei Tübingen ist die Annahme eine Gasexplosion mit 50 Brandopfern. Am See Kirchentellinsfurt sind Ausflügler aus dem Wasser zu bergen, deren Boot gekentert ist. Überall in der Region lodern Waldbrände.

2300 Helfer sind unterwegs, Feuerwehren, Polizei, Hilfsorganisationen, das Technische Hilfswerk und die Bundeswehr sind beteiligt. Die ersten von ihnen sind um fünf in der Früh aufgebrochen, weil Spezialfahrzeuge aus dem Hohenlohekreis und aus Ulm angefordert waren. „Heißer Süden“ ist die Aktion benannt. Eine Hitzewelle ist die Grundannahme. Das Wasser wird knapp, hie und da fällt das Stromnetz aus. Menschen kollabieren in sengender Sonne.

Am Freitag, dem 13., hat die Übung in den Büros der Einsatzkräfte begonnen. Tags darauf war sie in der gesamten Region unübersehbar, selbst in der Luft, weil Hubschrauber Menschen transportierten, Material und Wasser. Ein Helikopter mit einem Tank im Schlepp überfliegt das Busunglück. Der Pilot ist auf dem Weg zum Kirchentellinsfurter See, um 5000 Liter Wasser zu fassen, die abgelassen werden, nachdem ein Feuer gelöscht ist, um Glutnester zu ersticken. „Der Herrenberger Wald wird gerade abgebrannt“, sagt der Feuerwehrmann Martin Lange. „Wir hoffen, dass wir ihn retten.“ Im Ernstfall wären 156 Quadratkilometer in Gefahr, der Naturpark Schönbuch.

Der Waldbrand lodert 5,5 Kilometer vom Straßennetz entfernt

Das Problem der Feuerwehr ist, dass im Wald keine Wasserleitung liegt. Der Vorrat in den Einsatzwagen reicht nicht. Der Brand lodert 5,5 Kilometer von der nächsten Straße entfernt. Bis auf 1,6 Kilometer sind die Einsatzfahrzeuge der Lichtung nahegekommen, auf der für die Übung ein fünf Meter hoher Holzstapel entzündet wurde. Der Rest der Strecke muss mit Schläuchen überbrückt werden. Gegen Mittag stockt die Arbeit wegen eines tatsächlichen Notfalls. Eine Wespe hat einen Allergiker gestochen. Für den Rettungswagen müssen die Wege geräumt werden.

Auf jener Lichtung steigen aus dem Holzstapel nur noch Rauchfäden auf. 2400 Liter Wasser fließen pro Minute durch die Schläuche. Es stammt aus Reservoirs rund um den Brandort. Zwischenzeitlich hatten die Wehrleute sogar das Freibad in Hildrizhausen angezapft. Nach einer Stunde war die Versorgung stabil. Das Dröhnen des Bundeswehrhubschraubers, Typ Sikorsky CH 53, kündigt das Ende der Übung an. Die Wehrleute zücken ihre Handys, um ihn zu fotografieren. Auf sie geht kein Wasserschwall nieder, eher ein Nieselregen. Damit endet der Samstag der Blaulichter.