Einfallsstraße in die Hauptstadt des Emirats, Doha. Foto: Dähne

 Der Emir des Wüstenfleckens und Fußball-Gastgeber 2022 unterstützt Aufständische in Sachen Demokratie ebenso wie radikalislamische Terroristen und windige Prediger in Deutschland.

Doha - Mit fester Stimme und in hohen Tönen schmettert Tawakkul Karman eine kämpferische Hymne. In der ist viel von Kampf, von Freiheit und von Syrien die Rede. Das Scheinwerferlicht bricht sich in den kleinen Wasserperlen, die sich auf der Stirn der jemenitischen Friedensnobelpreisträgerin bilden. Die Ode an den Bürgerkrieg in der Levante geht dem Schnauzbart in der ersten Reihe ans Herz – begeistert klatschen die feingliedrigen Hände des Staatschefs den Takt mit.

Öl, Gas und Geld zu verschenken - Das Scheichtum Katar

Die Familie der bin Khalifa al Thanis mischt wie kaum ein anderer die arabische Politik auf. Vater Hamad unterstützte die Rebellen, die in Tunesien Langzeitherrscher Ben Ali zum Teufel jagten. In Libyen bombardierten seine Mirage-2000-Jets Flügel an Flügel mit französischen und britischen Jägern Benghazi und Diktator Muammar al-Gaddafi aus dem Amt. In Syrien liefern er und sein inzwischen als Emir nachgefolgter Sohn Tamim den Aufständischen Waffen, Munition und Funkgeräte, mit denen sie Präsident Bashar al-Assad zu Leibe rücken. Wenn es einen Motor des arabischen Frühlings gibt, dann sind es die bin Khalifa al Thanis.

Aus gutem Grund: Sein Volk, salbadert Scheich Tamim, habe „den katarischen Frühling schon vor langer Zeit gestartet“. Jetzt sei es an ihm und seinen Landsleuten, „die Menschen in den Ländern zu unterstützen, die nach Gerechtigkeit und Würde streben“. Unterstützung liefert er dieser Tage vor allem für die syrischen Rebellen: Katar war das erste arabische Land, das seinen Botschafter aus Damaskus abzog. Das erste, das sich für Sanktionen aussprach. Und das einzige, das seit anderthalb Jahren fordert, arabische Truppen müssten al-Assad aus seinem Palast vertreiben.

Deshalb ist Guido Steinberg von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin überzeugt, dass die „Katarer sich an die Spitze der antisyrischen Bewegung in der arabischen Welt gestellt haben und die Revolutionen massiv unterstützt haben“.

Eine Hilfe, die in Libyen deutlich wurde, als Gaddafi aus seinem Palast floh und, von Häschern verfolgt, durch sein Land hetzte. Die Rebellen stürmten das Hauptquartier und hissten neben ihrer eigenen Flagge auch die dunkelrot-weiß gezackte von Katar. Seitdem taucht die Stoffbahn immer öfter in der arabischen Welt auf: vor den Unterkünften syrischer Flüchtlinge im Libanon. An den Antennen von Geländewagen, mit denen langbärtige Krieger durch das syrische Aleppo rasen. Oder über Feldhospitälern für Vertriebene in Jordanien. Geld spielt keine Rolle.

Denn unter dem Emirat Katar lagern die drittgrößten Erdgasvorkommen der Welt. Für einige Ökonomen ist der Wüstenflecken das derzeit reichste Land überhaupt. Eine Supermacht am Persischen Golf – zumal die traditionellen arabischen Führungsnationen in der Krise stecken: Ägypten ist damit beschäftigt, die Folgen der Herrschaft der Muslimbrüder aufzuräumen. Saudi-Arabien gilt den meisten Arabern als dekadent und wird deshalb immer unbeliebter. Der Irak versinkt im Bürgerkrieg. Und der schiitische Iran wird in der sunnitischen Welt sowieso nicht ernstgenommen.

Materiellen Wohlstand gibt es für die meisten der etwa 250 000 Katarer in Hülle und Fülle. Erst im Herbst 2012 sackten sie Gehaltserhöhungen ein, die jeden Gewerkschafter in Deutschland blass werden lassen: 60 Prozent mehr für alle Angestellten des Staates und die in großen Unternehmen, 100 bis 120 Prozent für Polizisten und Soldaten. Ein Reichtum, den die etwa 1,9 Millionen Gastarbeiter erwirtschaftet haben, die für Hungerlöhne und unter Sklavenbedingungen schuften. Wer derart absahnt wie die Katarer, will nicht über die Zukunft des Emirats reden, über Demokratie und Menschenrechte. Nicht einmal öffentlich die Regierung kritisieren.

Zumal deren Politik ebenso subtil wie effizient von einem Fernsehsender unterstützt wird. Etwa 50 Millionen Araber schauen täglich Al Dschasira und verfolgen im eigenen Wohnzimmer hautnah die arabischen Aufstände und Straßenkämpfe in Syrien. Die Meinungen der Zuschauer werden auf ein Thema konzentriert und gespiegelt. Viele Meinungen werden so erst gemacht. Den Sender 1996 zu gründen war ein politisches Wagnis für den Emir – und vielleicht sein genialster Schachzug: Um Katar geht es in den Nachrichten von Al Dschasira fast nie.

Dafür aber um den FC Barcelona, den Katar sponsert. Um Paris St. Germain, dessen Team fast komplett den Katarern gehört. Katar hat keine große Armee, mit der es Politik gestalten kann. Mit Al Dschasira aber beherrscht der Emir eine Waffe, die mächtiger als jede Atombombe ist.

Zumal er geschickt zwischen den Extremen laviert. Während Jagdbomber über Libyen donnerten, steckten Vater und Sohn den El-Kaida-Kämpfern am Boden jene Erdgas-Dollar zu, mit denen diese für ihren Kampf in Mali Kalaschnikows, Granaten und Sprengstoff kauften. Dem geistigen Führer der Muslimbruderschaft, Yusuf al Qaradawi, ließ er in einer eigenen Sendung auf Al Dschasira über die Scharia, das islamische Recht, und das Leben reden und gegen Gaddafi und Assad wettern. Im schlimmsten Fall, sagt Terrorismusexperte Steinberg, fördern die Katarer von En-Nahda in Tunesien bis hin zur El Kaida alles. Und wenn man sich den Emir anhört, dann scheint er wirklich der Meinung zu sein, dass Leute nur deshalb zur El Kaida gehen, weil die politischen Verhältnisse in ihrem Heimatland sie dazu zwingen.“

Wie offenbar auch in München. In der bayrischen Metropole sind die rührigen Scheichs des Bin-Khalifa-al-Thanis-Clans inzwischen auch aktiv. Hier finanzieren sie das „Münchner Forum für Islam e. V.“, das der windige Vorbeter und Absolvent einer Kaderschmiede der Muslimbrüder, Benjamin Idriz, ins Leben gerufen hat. Ihr Ziel: Sie wollen im Stadtzentrum eine Islamakademie errichten, in der muslimische Geistliche – Imame – und islamische Religionslehrer ausgebildet werden sollen. Wird sie eröffnet, wird sicher auch die Familie des Emirs anreisen, in der ersten Reihe sitzen und klatschen. Eben Grenzgänger zwischen den Extremen.