Die Daimler-Mitarbeiter sind besorgt und verärgert – doch Vorstandschef Dieter Zetsche schweigt bisher zu den Kartellvorwürfen. Foto: AP

Politiker und Betriebsräte der Autobauer verlangen Klarheit über angebliche Absprachen in geheimen Arbeitsgruppen. Daimler hält sich weiter bedeckt.

Stuttgart - Nach den Kartellvorwürfen gegen die deutschen Autobauer fordern Politiker und Betriebsräte eine lückenlose Aufarbeitung der Anschuldigungen. „Natürlich muss alles schonungslos aufgeklärt werden“, sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer in Berlin und plädierte dafür, das Ergebnis des Kartellverfahrens abzuwarten. Mit den Vorwürfen ist derzeit die EU-Kommission befasst. Dem „Spiegel“ zufolge sollen sich VW mit seinen Töchtern Audi und Porsche sowie Daimler und BMW seit den 90er Jahren in geheimen Arbeitsgruppen über ihre Fahrzeuge abgesprochen haben.

Grüne und Linke fordern bereits eine Sondersitzung des Verkehrsausschusses. „Wenn das stimmt, ist hier ein komplettes System marode“, erklärte Katrin Göring-Eckardt, Spitzenkandidatin der Grünen. „Die Bundesregierung muss aufhören, ihre schützende Hand über die Konzerne zu halten. Sie muss jetzt ihre schützende Hand über die Arbeitnehmer und die Autobesitzer halten“, verlangte sie.

Daimler-Mitarbeiter sind verärgert

Nicht nur die Opposition, auch die Koalitionsfraktionen machen Druck. „Jetzt brauchen wir schnell Antworten von den Managern“, forderte der SPD-Verkehrspolitiker Sören Bartol. „Es geht darum, der Gesundheit vieler und der deutschen Automobilindustrie und ihren Beschäftigten nicht weiter zu schaden.“ Unionsfraktionschef Volker Kauder forderte die Autohersteller auf, „jetzt mal reinen Tisch zu machen“. Der CDU-Wirtschaftspolitiker Joachim Pfeiffer warnte zwar ausdrücklich vor Vorverurteilungen, räumte aber ein: „Wenn das zutrifft, ist es starker Tobak.“ Die Autoindustrie und ihre Zulieferer bezeichnete Pfeiffer als Grundpfeiler der deutschen Wirtschaft. Deshalb sei bereits ein erheblicher Imageschaden eingetreten. „Für den Standort Deutschland sind schon die Berichte schädlich und negativ“, betonte er. „In dieser Situation sind Vorsicht und Zurückhaltung geradezu die Pflicht der Bundesregierung. Nichts wäre falscher als operative Hektik.“

Auch der Daimler-Betriebsrat fordert Aufklärung. „Arbeitsplätze dürfen nicht durch kartellwidriges Verhalten riskiert werden“, sagte Gesamtbetriebsratschef Michael Brecht, der auch Vizechef des Aufsichtsrats ist. Es sei eindeutig, dass danach Konsequenzen gezogen werden müssen, sagte Brecht. Wie diese aussehen, könne jedoch noch nicht beurteilt werden. Nach Angaben des Betriebsratschefs sind die Beschäftigten entsetzt und verärgert. „Sie machen sich Sorgen, sowohl um ihre Arbeitsplätze als auch um die Reputation des Unternehmens und der Branche“, sagte Brecht. Daimler legt an diesem Mittwoch den Zwischenbericht für das zweite Quartal vor. Nach Informationen aus Kreisen des Kontrollgremiums will die Arbeitnehmerseite die Sitzung des Aufsichtsrats an diesem Mittwoch dazu nutzen, die Kartellvorwürfe zur Sprache zu bringen.

VW plant Sondersitzung des Aufsichtsrats

VW-Aufsichtsratschef Pötsch lud „vor dem Hintergrund der aktuellen Situation“ für Mittwoch zu einer außerordentlichen Sitzung ein, wie ein Sprecher sagte. Am Wochenende hatten der Konzernbetriebsrat und das Land Niedersachsen als Anteilseigner eine Aufsichtsratssitzung gefordert. „Der Vorstand ist in der Pflicht, das Aufsichtsgremium umfassend zu informieren“, so der Gremiensprecher. Zudem erwarte die Arbeitnehmervertretung, „dass sich der Vorstand gegenüber den Belegschaften erklärt“.

Daimler zeigt sich weiter sehr zugeknöpft und wiederholte auf Anfrage, dass man sich grundsätzlich nicht zu Spekulationen äußere. Eine Sprecherin ergänzte, dass es bei Daimler umfangreiche Schulungen von Mitarbeitern in Fragen des Kartellrechts gebe. Dieses Compliance-Programm werde ständig verbessert und angepasst. Die Schulungen waren bereits 2011 verstärkt worden, nachdem ein Lkw-Kartell aufgeflogen war, an dem auch der Stuttgarter Konzern beteiligt war. Das Kartell flog auf, weil MAN die EU-Kommission über die Absprachen informierte. Die Lkw-Hersteller sollen 14 Jahre lang die Preise abgesprochen haben.