Wie der 3300-Meter hohe Vulkan Mount Raung auf Java (hier ein Foto von Juli 2015) könnte auch der Mount Agung auf der indonesischen Nachbarinsel Bali jederzeit ausbrechen. Foto: AFP

Der Geologe und Vulkanologe Hans-Ulrich Schmincke spricht im Interview über die vernichtende Kraft von Vulkanausbrüchen und die Vorhersagemöglichkeiten.

Stuttgart - Vulkane ängstigen und faszinieren die Menschen – und das zu recht. Viele Regionen auf diesem Planeten haben eine explosive Vergangenheit – wie die Schwäbische Alb. Derzeit sind 1500 bis 1900 Vulkane auf der Erde aktiv und können jederzeit ausbrechen. Wir sprachen mit dem Geologen und Vulkanologen Hans-Ulrich Schmincke, einem der renommiertesten Experten weltweit, über die vernichtende Kraft von Vulkanausbrüchen und die Vorhersagemöglichkeiten.

Herr Professor Schmincke, was fasziniert Sie so an Vulkanen?
Seit jeher haben Menschen Vulkane verehrt und als Sitz der Götter betrachtet – wie zum Beispiel den Fujiyama, mit 3776 Meter der höchste Berg Japans. Vulkane faszinieren die Menschen und zugleich haben sie Angst vor ihnen. Aus das aus gutem Grund. Wenn ein Vulkan ausbricht, zerstört er Felder, Menschen kommen zu Tode. Andererseits weiß man seit Jahrtausenden, dass die Böden in der Nähe von Vulkanen sehr fruchtbar sind.
Schauen Sie sich gerne Vulkan-Filme an?
Manchmal im Fernsehen. Aber die meisten Filme sind viel zu einseitig und heben auf die zerstörerische Seite von Vulkanen ab. Immer wieder werden nur die Gefahren sensationell dramatisiert. Dabei sind nur wenige Vulkane wirklich gefährlich. Sie sind ein ganz normaler, wunderbarer und dramatischer Teil der Natur.
Was sind Vulkane eigentlich?
Vulkane sind nicht nur Krater oder Bergkegel. Wir sprechen von Vulkan-Magma-Atmosphäre-Systemen: Sie erstrecken sich vom Erdmantel, wo das Magma entsteht, entlang der unterirdischen Aufstiegswege des Magmas bis zu den eigentlichen Vulkan-Gebäuden auf der Oberfläche. Dazu gehören auch die relativ dünne Erdkruste und die während der Eruptionen ausgestoßenen Partikeln und Gase, die bis hoch hinauf in die Atmosphäre gelangen.
Wie gefährlich sind vulkanische Eruptionen?
In den Medien wird meistens nur dann über Vulkane berichtet, wenn irgendwo einer ausbricht und Menschen dabei ums Leben kommen. Wenn man aber auf die Menschheitsgeschichte blickt, haben die Menschen immer unendlich mehr von Vulkanen profitiert als unter ihnen gelitten.
Für wen können Lavaströme und Aschewolken denn von Nutzen sein?
Vulkanische Böden sind sehr fruchtbar. Die Ascheteilchen sind meistens porös, enthalten viele für das Pflanzenwachstum wichtige Elemente und speichern das Wasser lange. Pflanzen können darin gut wurzeln, so dass mehrere Ernten pro Jahr möglich sind. Viele Ascheteilchen bestehen aus Gesteinsglas, das leicht zersetzbar ist und die darin enthaltenen Mineralien gut verfügbar macht. Das ist auch der Grund, warum in vielen lateinamerikanischen Ländern, auf den Philippinen oder in Indonesien Menschen bis hoch hinauf an den Flanken aktiver Vulkane siedeln.
Gibt es neben der Landwirtschaft noch andere Wirtschaftszweige, die profitieren?
Für viele Länder und Regionen wie Costa Rica, Nicaragua, Island oder die Kanaren ist der Vulkan-Tourismus eine wichtige und wachsende Einnahmequelle. Auch die geothermische Energie spielt in vulkanisch aktiven Gebieten eine wichtige Rolle. Es gibt viele geothermische Kraftwerke – in Neuseeland, Island oder Italien. San Francisco zum Beispiel bezieht seine gesamte Elektrizität von einem geothermischen Kraftwerk in seiner Nähe.
Nicht zu vergessen Baustoffe . . .
. . . Basalt von Lava-Strömen für Schotter und Pflastersteine, Tuffe und durch Beton gebundene Bimssteine als Leichtbausteine mit sehr guten Isoliereigenschaften.
Wie wirken sich Eruptionen auf das globale Klima aus?
Der Schwefelausstoß großer hochexplosiver Vulkan-Eruptionen führt in der Stratosphäre in 20 bis 40 Kilometern Höhe zur Bildungen von kleinen Schwebeteilchen aus Schwefelsäure-Aerosolen. Sie können mehrere Jahre um den Globus wandern und absorbieren ein Teil des Sonnenlichts.
Mit welchen Folgen?
Dadurch kann es zu einem Abfall der Jahresmitteltemperatur um mehrere Grad Celsius und damit zu einer signifikanten Veränderung der Wettermuster auf der gesamten betroffenen Hemisphäre für mehrere Jahre kommen. Man denke da nur an die gravierenden Folgen der Tambora-Eruption im Jahre 1815. (Anm. d. Red.: Beim Ausbruch des Vulkans auf der indonesischen Insel Sumbawa starben Zehntausende. Das bei der Eruption ausgeworfene Material bewirkte globale Klimaveränderungen, in Nordamerika und Europa sprach man 1816 vom „Jahr ohne Sommer“. Es kam zu Missernten und Hungersnöten).