Max Chilton drückt bei den Tests in Barcelona aufs Gas – aber sein Team Marussia soll mit bis zu 95 Millionen Euro in der Kreide stehen. Foto: dpa

HRT musste aufgeben. Lotus, Marussia und Caterham plagen hohe Schulden, auch Sauber muss sparen. Nicht nur die Privatteams kämpfen um jeden Cent, auch zwei Große müssen aufpassen. Bei Mercedes wird mit spitzer Feder kalkuliert.

Stuttgart - Champagner in der Hospitality, Kaviar beim Vip-Dinner; die Formel 1 pflegt ihr Image der Schönen, Schnellen und Steinreichen. Alles nur Show? Ist die noble Villa in Wahrheit nur eine zugige Baracke mit schick verputzter Front zur Straße? Für HRT mag das zutreffen, der Rennstall hat im Winter die Box dichtgemacht. Das Geld war weg, die Schulden wuchsen. Marussia musste Timo Glock wegschicken, weil sein Fahrergehalt von 1,5 Millionen Euro zu hoch war, nur die Hälfte des schmalen Budgets von 45 Millionen Euro sind bisher gedeckt. Deshalb haben die Russen zwei Pay-Driver angeheuert; Luiz Razia (Brasilien) bringt elf Millionen Euro mit, Max Chilton (England) sechs. Selbst der WM-Vierte Lotus ist klamm, auch bei Sauber besteht keine Sorge, im Geld zu ertrinken. „Auch wir spüren die globale Situation – die Zeiten sind vorbei, in denen man sich die riesigen Sponsoren aussuchen konnte. Ich finde es bedenklich für den Sport“, sagt Sauber-Teamchefin Monisha Kaltenborn, „wenn Teams auch solche wirtschaftliche Erwägungen betrachten müssen wie die Sponsorengelder der Fahrer, um am Rennsport teilnehmen zu können.“

Weil Bernie Ecclestone den großen vier, Ferrari, McLaren, Red Bull und Mercedes, zusätzliches Geld versprochen hat, haben einige Teams hörbar protestiert. Der Chefvermarkter hat sie zur Sitzung gebeten, bei der sechs Privatteams den Milliardär auf ihre beunruhigende Kassenlage hinwiesen. „Die Teams haben mehr Geld als Gott“, höhnte Ecclestone, wobei er wohl nicht gelogen hat – bisher wäre nicht bekannt, dass der Allmächtige irgendwo auf der Welt als Kontoinhaber geführt wird. Weil aber die Realisten in den kleinen Rennställen wissen, dass es noch nie Dollar vom Himmel geregnet hat, wollen sie auf die Kostenbremse treten.

„Wie viel Geld ein Team ausgibt, sollte seine Sache bleiben“

Budgetobergrenze lautet ihr Ausweg aus der Schuldenfalle. „Das ist der einzige sinnvolle Weg“, betont Monisha Kaltenborn, „innovativ sein, tüfteln, das kann man auch auf einem finanziell niedrigeren Niveau. Die Reize und Herausforderungen würden wir doch behalten, auch wenn wir uns eine Grenze setzen.“ Die Formel 1 würde keinesfalls zum Spektakel für begüterte PS-Freaks verkommen – ein dreistelliger Millionenbetrag als Maximalbudget würde es sicher sein. Als andere Stellschraube gilt ein Ressourcen-Restriktions-Abkommen (RRA), nach dem der Mitteleinsatz von Geld, Technik und Manpower reglementiert wird. Bisher existiert es nur auf freiwilliger Basis, weil vor allem Red Bull und dessen Juniorteam Toro Rosso sich gegen die Verbindlichkeit sträuben. „Wie viel Geld ein Team ausgibt, sollte seine Sache bleiben“, unterstrich Red-Bull-Teamchef Christian Horner, der wegen seines Etats von etwa 300 Millionen Euro aber kein einziges graues Haar bekommen dürfte. Das Imperium der Dose floriert. Auch Ferrari verzeichnete einen Gewinn von 244 Millionen Euro. 2012 war das beste Geschäftsjahr der Geschichte der Scuderia, das Budget von gut 300 Millionen Euro fürs Formel-1-Engagement steht, nicht nur, weil die Roten im chinesischen Unternehmen Weichai einen dicken Fisch geangelt haben.

Dagegen war McLaren auf dem Markt nicht so erfolgreich, die Autoproduktion in Woking verursachte 2011 einen Verlust von 62,5 Millionen Euro. Grund: die Kostensteigerung von 177 Prozent, die die Entwicklung der 195.000 Euro teuren Karosse MP4-12C verursachte. Das Formel-1-Budget von 280 Millionen Euro ist aber nicht gefährdet.

Auch bei Mercedes wird gerechnet. Der Daimler-Konzern spart im Motorsport in der DTM und setzt statt bisher acht in der Saison 2013 nur sechs C-Coupés ein. In der Formel 1 werden die Investitionen mit spitzer Feder kalkuliert – nicht nur, weil kürzlich Fondsmanager einen Ausstieg aus der „nicht mehr zeitgemäßen“ Rennserie gefordert hatten. Der Etat liegt bei schätzungsweise 280 Millionen Euro – die Mannschaft um Teamchef Ross Brawn muss den Gürtel (noch) nicht spürbar enger schnallen, Mercedes will den satten Rückstand zur Spitze aufholen, und das funktioniert nicht mit Halbgas. Der neue Aufsichtsratschef Niki Lauda sieht in dem Finanzmisere sowieso keinen Fehler im Formel-1-System, HRT habe eh alles falsch gemacht. „Worüber regen die sich auf? Es fahren doch bis auf ein Team alle“, sagte der Österreicher. Wenn’s bei HRT bleibt . . .