Der Republikaner-Bürgermeister Jim Brainard in Carmels neuer fußgängerfreundlicher Innenstadt Foto: City of Carmel

Alle Republikaner in Amerika zweifeln am Klimawandel. Alle Republikaner? Nein. Jim Brainard, Bürgermeister in Carmel in Indiana, kämpft für den Umweltschutz. Und erfindet seine Stadt komplett neu.

Stuttgart/Carmel - Alle Republikaner in Amerika zweifeln am Konsens der Wissenschaftler, dass die Welt einer menschengemachten Klimaerwärmung entgegengeht. Alle Republikaner? Nein. Jim Brainard sagt: „Der Klimawandel ist eine der größten Herausforderungen unserer Zeit.“ Er ist Republikaner und Bürgermeister des Städtchens Carmel, 30 Kilometer nördlich der Großstadt Indianapolis im Herzen des Midwest-Staates Indiana. Seit 20 Jahren schon hat sich Brainard den Kampf gegen Luftverschmutzung auf die Fahnen geschrieben – mit dem Ziel, seine Stadt zu einer lebenswerteren Gemeinde zu machen. Brainards ehrgeiziger Plan: Im Herzen Carmels, einem alten 1837 gegründeten Quaker-Dorf, entstand eine komplett neue Innenstadt mit Büros, Wohnungen und Theatern, schmaleren Straßen, dafür aber breiten Bürgersteigen, die anders als die gesichtslosen Einkaufszentren mit ihren riesigen Parkflächen die Bürger auch zum Flanieren einladen.

„Wir kehren zu einer traditionelleren Stadplanung zurück, wo man zu Fuß oder mit dem Fahrrad zur Arbeit und zu den Dingen des täglichen Bedarfs gelangt“, erklärt Brainard, von Beruf Anwalt, der seine Ideen unter anderem bei einem Studienaufenthalt in England gesammelt hat.

Kreisverkehre und Hybridautos

Mit dieser Stadtplanung eng verbunden, hat Carmel an mehr als 50 Straßenkreuzungen Ampeln und Stopschilder abgebaut und Kreisverkehre errichtet. Damit konnte nach Angaben der Stadtverwaltung die Zeit, in der wartende Automotoren im Leerlauf Benzin verbrauchen und klimaschädliche Emissionen ausstoßen, verringert und sogar die Unfallzahlen reduziert werden. Carmel hat 200 Kilometer an Fahrradwegen, die Dienstwagenflotte der Stadt fährt mit Hybridantrieb oder mit alternativem Treibstoff. Aus dem Abwasser wird ohne neue Energiezufuhr Düngemittel gewonnen und gleichzeitig der Methanausstoß reduziert.

Carmels Runderneuerung, die längst USA-weit für Furore sorgt, wurde möglich dank einer 750 Millionen Euro schweren Partnerschaft von öffentlicher Hand und privaten Investoren. Mit 280 Millionen Euro schlug allein die Errichtung des neue Innenstadtbezirks City Center zu Buche. Dort sind Rathaus, eine große ultramoderne Konzerthalle und zwei Theater untergebracht.

Und was treibt den Bürgermeister zu dieser – nicht nur für amerikanische Verhältnisse – Städtebau-Revolution? Er will sein Carmel zu einer erstklassigen Stadt machen. „Wir haben weder Ozeane noch Berge, deshalb müssen wir ein bisschen härter dafür arbeiten, die Besten und Klügsten anzuziehen“, sagt Brainard mit Blick auf sein wirtschaftspolitisches Ziel, gut bezahlte Arbeitsplätze in seine Gemeinde zu holen.

Bürgermeister kann Erfolge vorweisen

Und der Republikaner-Bürgermeister hat Erfolg. In seiner fast 20-jährigen Amtszeit ist die Stadt von 31 000 auf 85 000 Einwohner angewachsen. Die Arbeitslosenzahl ist niedrig, die Schulen sind gut, die Häuser noch bezahlbar. Und trotz herber Kritik konservativer Gegner, dass er mit 280 Millionen Euro an Schulden gegen jede fiskalische Vernunft verstoße, wählten ihn die Bürger gerade erst für eine sechste Amtszeit wieder. „Die Leute in dieser Stadt unterstützen, was er tut“, heißt es in Carmel.

Als einer von nur vier Republikanern sitzt Brainard auch in Präsident Barack Obamas lokaler Klimaschutz-Task-Force. Dabei erinnert er gerne daran, dass es einst der Republikaner Theodore Roosevelt war, der weite Landstriche zur Schaffung von Nationalparks reservierte und der Republikaner Richard Nixon die heute von vielen US-Konservativen so sehr geschmähte Umweltschutzbehörde EPA geschaffen und zahlreiche weitere Umweltschutzgesetze auf den Weg gebracht hat. „Auch beim Klimawandel sollten die Republikaner wieder die Führung übernehmen“, meint der gemäßigte Pragmatiker. Schließlich habe konservativ sein auch etwas mit Bewahren zu tun.

Seine Erklärung für die politische Selbstlähmung in Washington: „Die Amtsträger dort sind zu weit weg von den Bürgern und verstehen nicht, was die Mehrheit im Land von ihrer Regierung erwartet.“ Dem Eindruck, ganz Amerika sei durch die Blockade von republikanisch beherrschtem Kongress und demokratischem Präsidenten gelähmt, widerspricht Brainard aber energisch: Die Städte funktionierten im Land. Denn „es gibt keine demokratischen oder republikanischen Weg, den Müll einzusammeln“.

Am Mittwoch präsentiert Brainard seine Ideen zum Kampf gegen den Klimawandel im Deutsch-Amerikanischen Zentrum (DAZ) in Stuttgart (Anmeldung nötig unter: anmeldung@daz.org). Es ist der Auftakt der Programmreihe „American Spaces“, bei der es, von der US-Botschaft gefördert, um ein besseres Verständnis für die USA in der deutschen Öffentlichkeit geht.