Arme der Blitzer auf der A 8 Richtung Leonberg Foto: Peter-Michael Petsch

Der neue Blitzer an der Autobahn 8 zwischen Kreuz Stuttgart und Leonberg fährt reichlich Ernte ein. Mit bisher täglich mehr als 2000 Sündern ist die Überwachung einträglicher als die bisherigen drei Anlagen zusammen.

Der neue Blitzer an der Autobahn 8 zwischen Kreuz Stuttgart und Leonberg fährt reichlich Ernte ein. Mit bisher täglich mehr als 2000 Sündern ist die Überwachung einträglicher als die bisherigen drei Anlagen zusammen.

Stuttgart - Ist dort vorne ein Unfall? Oder ein Pannenfahrzeug? Oder einfach nur ein zu hohes Verkehrsaufkommen? Blechkolonnen sind für Autofahrer nichts Ungewöhnliches, wenn sie auf der A 8 Stuttgart südlich umfahren und Leonberg anvisieren, wo sich die A 8 nach Karlsruhe und die A 81 nach Heilbronn teilt. Diese kilometerlange Blechkolonne aber scheint keine Ursache zu haben. Die Schilderbrücken zeigen auf Höhe der Raststätte Sindelfinger Wald zur Linken die Warnung vor Stau und Tempo 60 an. Auf der langen Gefällstrecke Richtung Leonberg ist an diesem Mittag allerdings kein Stau zu erkennen. Des Rätsels Lösung ist am Fahrbahnrand zu erkennen: drohende Blitzkästen. Dahinter gibt es wieder freie Fahrt – bald schon wird Tempo 100 angezeigt.

Kein Zweifel: Die Autofahrer haben einen Höllenrespekt vor der neuen Blitzanlage, die seit 26. Mai Autofahrer auf der A 8 zwischen Kreuz Stuttgart und Dreieck Leonberg ins Visier nimmt. Sie zögern und bremsen – was sich als Ziehharmonikaeffekt nach hinten fortsetzt. An dieser Stelle, drei Kilometer vor Leonberg, darf man auch an guten Tagen mit maximal Tempo 100 talwärts fahren. Das haben vorher viele nicht eingesehen – und jetzt ist das Blitzgewitter auf der dreispurigen Strecke enorm.

Mehr als 2000 Sünder täglich gehen an dieser Stelle in die Falle. „Der bisher ausgewertete höchste Wert sind 2126 Fälle an einem Tag“, sagt Wilfried Schramm, beim Regierungspräsidium Karlsruhe für die Zentrale Bußgeldstelle verantwortlich. Um diese Zahl einordnen zu können, muss man wissen, dass es die drei Vorgänger-Anlagen auf Höhe Flughafen, Möhringen und Leonberg bei ihrem Start im Mai 2013 zusammen auf 1500 erwischte Sünder brachten. Das galt bisher schon als stolze Zahl.

Mit 400 000 Temposündern jährlich rechnet das Land mit den vier Blitzanlagen auf der Strecke zwischen Flughafen und Leonberg. Bei einem Durchschnittsbußgeld von 30 Euro würde das zwölf Millionen Euro Einnahmen bedeuten.

Freilich: Längst nicht jeder erwischte Sünder muss auch zahlen. Von 240 000 Blitzer-Fotos waren für die Zentrale Bußgeldstelle nur 125 000 für eine Anzeige verwertbar – eine Quote von 53 Prozent. Mal reflektierte die regennasse Fahrbahn, mal war der Lkw ein Reisebus, der aber 100 statt 80 km/h fahren darf – und mal stammten die Autofahrer aus dem Ausland. Wer nicht aus Österreich, der Schweiz oder Frankreich stammt, kommt ungeschoren davon. Der Ermittlungsaufwand wäre zu groß. So gab es im ersten Jahr 3,8 Millionen Euro Bußgelder statt möglicher 7,2 Millionen. Die neue Anlage könnte dies in den Schatten stellen.

Würde sich der erste Trend fortsetzen, kämen allein mit dieser Anlage 730 000 Fälle zusammen. Rechnerisch sind das 21,9 Millionen Euro Bußgeld. Netto verwertbar wären nach den bisherigen Erfahrungen etwa 1400 Fälle pro Tag. Jährlich wären das 511 000 Fälle – und 15,3 Millionen Euro.

Also alles Abzocke? Tatsächlich wird das gültige Tempolimit nur einmal kurz vor der Anlage angezeigt – in der Regel Tempo 100. Davor gilt Tempo 120. Dabei hatte Bußgeld-Chef Schramm in der Vergangenheit den Anspruch formuliert, dass vor dem Blitzer eine Zweifach-Vorwarnung notwendig sei. Am Flughafen hatte in diesem Sinne nachgebessert werden müssen. „Das ist nicht zu vergleichen“, sagt Schramm heute. Am Flughafen habe es vorher freie Fahrt gegeben. Bei der jüngsten Anlage werde man aber durch eine Abfolge von Tempolimits heruntergebremst. „Bei einem solchen Geschwindigkeits-Trichter reicht ein einmaliges Anzeigen des Tempolimits aus“, so Schramm.

Die Straßenverkehrszentrale sieht sich außerstande, vorher zweimal Tempo 100 anzuzeigen. „Die Höchstgeschwindigkeiten sind verkehrsrechtlich angeordnet“, sagt Referatsleiter Thomas Bucher, „und das sind eben 100 und 120.“ Der Verweis auf die Anordnungskompetenz der Polizei hilft nicht weiter: „Wir greifen nur anlassbezogen ein“, sagt Polizeisprecherin Yvonne Schächtele, „also bei Unfall, Ölspur oder Starkregen.“

Das Konzept: Schilderbrücken mit flexiblen Tempolimits sollen den Autobahnverkehr auf der 35 Kilometer langen Strecke zwischen Leonberg-West und Wendlingen flüssig halten. Zeitweise soll die Standspur als vierte Spur freigegeben werden. Dafür wurden 21 Millionen Euro investiert.

Die Kontrolle: Zwischen Flughafen und Leonberg gibt es vier Blitzanlagen – in jeder Richtung zwei. Sie sind mit dem flexiblen Tempolimit synchronisiert. Drei davon nahmen bereits im Mai 2013 den Betrieb auf: am Flughafen, bei Möhringen und bei Leonberg. Die vierte Anlage zwischen Kreuz Stuttgart und Leonberg startete am 26. Mai.

Die Bilanz: Das erste Jahr brachte der Zentralen Bußgeldstelle in Karlsruhe 240 000 erwischte Temposünder ein. Dabei hatten die Tempojäger mit technischen Problemen und personellen Nöten zu kämpfen. Nicht verwertet werden konnten aber auch Fälle mit ausländischen Fahrern oder unbrauchbare Fotos bei ungünstigen Sichtbedingungen. Deshalb fiel fast die Hälfte der Fälle unter den Tisch. 125 000 Anzeigen wurden verschickt, das brachte 3,8 Millionen Euro.

Die Strafen: Geschwindigkeitsüberschreitungen außerorts kosten bis 20 km/h drüber zehn bis 30 Euro Verwarnungsgeld. 21 bis 25 km/h drüber bedeuten 70 Euro und einen Punkt in Flensburg. Bei 41 bis 50 km/h drüber sind 160 Euro, zwei Punkte und ein Monat Fahrverbot fällig. Über 70 km/h zu schnell bedeuten: 600 Euro, zwei Punkte, drei Monate Fahrverbot. (wdo)