Doping-Forscher Mario Thevis Foto: dpa

Doping-Jäger freuen sich über den funktionierenden Test – aber Athleten betrügen mit einem Medikament, das noch in der klinischen Testphase ist.

Stuttgart - Gute Nachrichten für alle Doping-Bekämpfer: Der Test gegen die „Sauerstoffpille“, auch das „neue Epo“ genannt, funktioniert. In Frankreich wurde Geher Bertrand Moulinet, Olympia-Achter in London über 20 km, mit dem Mittel Roxadustat, auch bekannt unter den Bezeichnungen FG4592 und ASP1517, erwischt. Moulinet gab die Einnahme per Twitter zu und verzichtete auf die Öffnung der B-Probe.

Bei den Doping-Jägern löst diese Nachricht Freude aus. „Das ist ein Erfolg der präventiven Doping-Forschung“, sagt Mario Thevis vom Kölner Kontrolllabor – noch bevor das Präparat offiziell auf dem Markt ist, gibt es schon einen Test. Doch es gibt auch eine negative Nachricht: Noch bevor eine Substanz alle Testphasen auf Wirkungen und Nebenwirkungen durchlaufen hat, gibt es schon Olympia-Starter, die mit ihr dopen.

Das Mittel hat laut Thevis die gleichen Effekte wie das Blutdopingmittel Epo: „Es stimuliert die Bildung roter Blutkörperchen und erhöht so die Sauerstofftransportfähigkeit des Organismus.“ Roxadustat hat aus Sicht der Doper aber einen großen Vorteil: Man muss die Pille nur in den Mund legen und hinunterschlucken, während Epo gespritzt werden muss. Das bedeutet auch, dass die Hemmschwelle zur Einnahme wesentlich geringer ist. Die Wirkungsweise von Roxadustat im Körper besteht darin, dass es dem Organismus eine sauerstoffärmere Umgebung signalisiert und als Reaktion darauf mehr Erythropoetin produziert wird, das die Bildung neuer roter Blutkörperchen anregt. Im Gegensatz zur Epo-Gabe durch Spritzen ist dieses Erythropoetin körpereigen. Gewöhnliche Epo-Tests versagen hier.

Wie der positive Fall in Frankreich zeigt, kann das Mittel aber dennoch nachgewiesen werden. „Das ist sogar recht einfach. Die Substanz selbst ist körperfremd. Wir testen darauf etwa seit zwei Jahren“, erklärt Thevis. Mindestens so lange dürfte das Mittel auch in Umlauf sein. In Internetforen finden sich erste Hinweise im Jahr 2013. „Hat jemand schon mal FG4592 ausprobiert? Es soll das neue Epo sein und ich bin an Erfahrungen interessiert“, schrieb damals ein User bei www.professionalmuscle.com und erhielt dort noch abschlägigen Bescheid. Seine weiteren Einträge aber zeugen von der Entschlossenheit, das Mittel auszuprobieren.

Das Medikament selbst befindet sich jetzt, zwei Jahre später, noch in der klinischen Testphase. Die Substanz kann aber über Hersteller chemischer Produkte bezogen werden. Ein Doping-Missbrauch ist recht einfach. Das Pulver muss nur in Tablettenform gebracht und geschluckt werden.

Über das Doping-Potential ist man sich bei den Pharma-Unternehmen, die das Medikament entwickelt haben, offenbar im Klaren. Die aktuelle Testphase firmiert offiziell unter den Namen „Alpen“, „Pyrenäen“ und „Dolomiten“. Das sind die klassischen Gebirgszüge der Radrundfahrten Tour de France, Vuelta a Espana und Giro d’Italia.

Zumindest in den Doping-Labors, die routinemäßig den Test auf die „Sauerstoffpille“ vornehmen, können Betrüger in Zukunft überführt werden. Auch im individuellen Blutpass der Athleten lassen sich die Auswirkungen eines solchen Mittels offenbar erkennen. Das wirft ein neues Licht auf die anhängigen Blutpass-Verfahren vor allem im Radsport. Die Anhörung des Tinkoff-Profis Roman Kreuziger vor dem Sportgerichtshof Cas ist nach jahrelangem juristischen Tauziehen auf den 10. Juni terminiert.