Cleverer Schachzug: Nespresso wirbt mit Spots, in denen Hollywood-Star George Clooney die Hauptrolle spielt - Klicken Sie sich durch unsere Bildergalerie und erfahren Sie interessante Fakten zur Firma. Foto: Nespresso

Marketing macht Nespresso zum Kult - Nespresso-Trinker bleiben im Club und unter sich.  

Stuttgart - Willkommen im Club. Nespresso-Trinker bleiben unter sich. Und sie sind inzwischen ganz schön viele. 2010 wurden 12300 Tassen getrunken. Jede Minute. Die unglaubliche Erfolgsgeschichte einer Kaffeekapsel.

Es ist ein ganz normaler Donnerstagnachmittag. Im Kaufhaus Breuninger in der Stuttgarter Innenstadt stehen sich die Kunden die Füße platt. Im vierten Stock gibt es aber nichts umsonst. Es gibt Nachschub für zu Hause. Es gibt Kaffee. Allerdings nicht als Bohne, sondern in Pulverform. Die Kunden warten an den verschiedenen Stationen. Hinter den Theken glänzt es farbenfroh. Hier hat sich der einzige Nespresso-Laden in Stuttgart, nein in der Region und sogar in ganz Baden-Württemberg niedergelassen. Weil man aber bei Nespresso von einer gehobenen Marke spricht, heißt es nicht einfach nur Laden, sondern "Nespresso Boutique in Shop".

Die Geschäfte sind Showrooms. Tempelchen für die Nespresso-Jünger, durchdesignt bis ins kleinste Detail. Es wird gezeigt, was man hat - viele bunte Kapseln nämlich. Jede Farbe steht für eine Kaffeesorte. Für Ristretto, Arpeggio, Roma, Livanto, Capriccio, Volluto oder Cosi. Für Espresso- oder Lungo-Variationen. Die Kapseln gibt es im Zehnerpack zu kaufen, in verschiedenen Intensitätsstufen, aus unterschiedlichen Ländern, mit besonderen "Noten" und "Bouquets".

Die Nespresso-Welt hat ihre eigene Sprache

Die Nespresso-Welt hat ihre eigene Sprache: Es geht hier nicht allein um Kaffee, sondern um "Grand Crus", was der Weinwelt entlehnt ist, und um "Blends", was man eher mit Whisky als mit Kaffee in Verbindung bringt. Nespresso wirbelt die Welten durcheinander. Und würde man es nicht besser wissen, man könnte meinen, in diesen Läden würden hochwertige Füller, ausgefallener Schmuck oder Lifestyle-Cremes in Kapseln verkauft. Aber Kaffee?

Vor zehn Jahren hat die erste Nespresso-Boutique in Paris eröffnet. 2007 kam die Marke in Stuttgart an. Stillschweigend hat sich dieser Kaffee in den Haushalten durchgesetzt. Auch in den schwäbischen. Die Oma hat den Vorwerk-Staubsauger, der Mann den Kärcher-Hochdruckreiniger - und für die Frau gibt's die Nespresso- Maschine. Man kauft die Marke, weil zumindest darauf noch Verlass zu sein scheint.

Die Geschichte von Nespresso ist eine Erfolgsgeschichte. Vielleicht hat sie ein bisschen mit George Clooney zu tun, der das grau melierte Model für Nespresso gibt. Der Hollywood-Schauspieler ist das Gesicht der Marke. "Nespresso - what else", sagt er so schön in der TV-Werbung. Nespresso, was sonst? Er kommt in den Werbeclips in Nespresso-Boutiquen, kauft ein, grinst und wird von wunderschönen Frauen lächelnd verabschiedet. Alle sind glücklich. Aber Gott im weißen Smoking, gespielt von John Malkovich, kommt ihm dazwischen. Gott Malkovic will Clooney den Kaffee abknöpfen. Mit Erfolg.

George Clooney für das Image

Mit einem Nespresso-Verantwortlichen auf Führungsebene ein Interview zu bekommen ist ungefähr so kompliziert, wie mit Superstar Clooney selbst zu sprechen. Presseanfragen laufen über eine Agentur, die Antworten kommen per Mail - "vom Unternehmen". Selbiges sagt: "George Clooney verstärkt das Image der Marke und verkörpert viele unserer Qualitäten und Werte, wie Stil, Eleganz und soziale Verantwortung." Bei der Auswahl sei entscheidend gewesen, dass Clooney bereits Nespresso-Clubmitglied gewesen sei.

Nespresso ist auf Wachstumskurs. Und Deutschland ist einer der am schnellsten wachsenden Märkte. Die Nestlé-Tochter mit Sitz im schweizerischen Lausanne erzielte 2010 einen Jahresumsatz von mehr als drei Milliarden Schweizer Franken, was knapp 2,5 Milliarden Euro entspricht. Vielleicht hat der Erfolg auch damit zu tun, dass sich die Trinkgewohnheiten der Menschen geändert haben. Laut einer aktuellen Aral-Studie dominiert bei der Zubereitung in den eigenen vier Wänden zwar immer noch die klassische Kaffeemaschine, andere Zubereitungsarten holen aber auf. Der herkömmliche Filterkaffee ist ein altmodischer Begleiter durch den Tag. "Es zeichnet sich ein klarer Trend zur frischen Zubereitung von Kaffeespezialitäten zum sofortigen Genuss ab. Dies wird am enormen Wachstum der Segmente Espresso und Kapseln sowie Pads deutlich", sagt Holger Preibisch, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Kaffeeverbandes mit Sitz in Hamburg.

Die Alu-Kapseln gehören in Deutschland in den Gelben Sack

Zudem ändert sich das Einkaufsverhalten der Menschen. Sie kaufen zunehmend übers Internet ein. Die Internetplattform von Nespresso ist der wichtigste Vertriebskanal und macht 51 Prozent des weltweiten Umsatzes aus. In den Geschäften werden 35 Prozent des Firmenumsatzes generiert.

Dieser Erfolg steht aber auch zugleich für viel Müll. Die Alu-Kapseln gehören in Deutschland in den Gelben Sack. Zumindest theoretisch. Das Greenpeace-Magazin kritisierte in seiner Februar-Ausgabe, dass diese Art des Kaffeekonsums besonders viel Verpackungsmüll produziere. "Rund ein Gramm des hochwertigen Metalls Aluminium wird pro Kaffeeportion benötigt - wer seinen Espresso in den üblichen vakuumverschweißten 250-Gramm-Tüten kauft, verursacht nur rund ein Zehntel der Abfallmenge", heißt es da.

Den Kritikern arbeitet Nespresso seit 2009 entgegen. So gibt es Programme und Initiativen, die Namen wie "Ecolaboration" und "AluCycle" tragen. "Im Rahmen dieses Programms verpflichtet sich Nespresso, bis 2013 Systeme einzuführen, um die weltweite Recyclingkapazität für gebrauchte Kapseln auf 75 Prozent zu verdreifachen", heißt es vonseiten des Unternehmens.

Der Kunde will ein gutes Gewissen beim Kaffeegenuss haben. Schließlich heißt es oft: einmal Nespresso, immer Nespresso. Oder zumindest so lange, bis die Maschine den Geist aufgibt. Es ist das Topf-Deckel-Prinzip: In eine Nespresso-Maschine passt nur die Nespresso-Kapsel. Ohne großen Aufwand, ohne Kaffeekrümel auf der Küchenarbeitsplatte gibt es frisch gebrühten Kaffee. Die Zahlen sprechen für den Erfolg von Nespresso: 2010 wurden laut der Firma 12300 Tassen getrunken. In der Minute. Weltweit. Der Nespresso-Club hat inzwischen zehn Millionen Mitglieder. Dies entspricht einem Zuwachs von 35 Prozent von Jahr zu Jahr. So lauten die offiziellen Zahlen. Und wer in diesem Club drin ist, dürfte nicht von einem Tag auf den anderen wieder wechseln. Das ist so, als wäre man von heute auf morgen nicht mehr Bayern-, sondern HSV-Fan. Auch virtuell hat die Marke ihre Anhänger. Die Facebook-Gruppe Nespresso hat fast 1,2 Millionen Mitglieder.

Die Kunden sind designorientiert

Nespresso-Kunden sind laut dem Unternehmen "Connaisseure", die auch designorientiert sind. Es lässt sich beobachten, dass nach dem Espressokännchen auf dem Herd, dann dem riesigen Kaffeevollautomaten auf der Küchenarbeitsplatte die kleineren Maschinen im Trend liegen. Menschen, die einen Koloss von Kaffeemaschine auf der Küchenzeile stehen hatten, wollten sich verkleinern. Vielleicht auch verschönern. In Single-Haushalten ist so eine NespressoMaschine vor allem eines: praktisch. Denn der Kaffee wird tassenweise gebrüht.

Kaffee ist eines der Lieblingsgetränke der Deutschen. Aus dem Alltag nicht wegzudenken. Inzwischen gibt es aufgeschäumte Milchmixgetränke an jeder Tankstelle und Cafébars bei McDonald's. In der Aral-Kaffee-Studie wurde ermittelt, dass 94 Prozent aller Deutschen ab 18 Jahren Kaffee trinken, 73 Prozent täglich. Am Morgen dient er als Muntermacher zum Frühstück, am Nachmittag als klassischer Begleiter zum Kuchen.

Nespresso ist der Apple unter den Kaffeesorten

Kaffeekonsum ist eine Frage des Alters. Und auch des Geldes. Vor allem wenn es um Nespresso geht. Die Marke ist der Apple unter den Kaffeesorten: Die Kunden zahlen ordentlich für ihre kleine Lifestylewelt. Alles will uns sagen, dass wir den Hauch von Luxus um uns haben, wenn wir Nespresso trinken. Schließlich ist dieser Kaffeegenuss nicht gerade das günstigste Vergnügen: Eine kleine Kapsel, aus der man eine Tasse Kaffee herstellen kann, kostet im Schnitt 35 Cent. Auf das Pfund umgerechnet, kommt man so auf rund 30 Euro. Ein handelsüblicher Bohnenkaffee kostet zwischen 4 und 10 Euro. Nach oben gibt es auch da keine Grenzen.

Die Kunden aber zahlen gern den höheren Preis. Marcus Schögel, Direktor an der Universität St. Gallen am Institut für Marketing, hat eine Begründung parat: "Das ist ein Indikator, dass die Kunden an Qualität interessiert sind." Schögel hält Nespresso für eine einzigartige Innovation: "Das Unternehmen hat es geschafft, Espressogeschmack für zu Hause am Markt zu etablieren. Der Geschmack und die Crema sind einmalig." Auch wenn die Firma dafür rund 25 Jahre gebraucht hat. "Das ist nicht lange. Seit zehn Jahren ist Nespresso hier in der Schweiz sehr erfolgreich", sagt Schögel. Deutschland hinke etwas hinterher. Das Konzept geht aber inzwischen auch hierzulande auf.

Das hat einen Grund: Experten wie Schögel sprechen vom sogenannten Lock-in- Effekt, von der cleveren Kundenbindung. Via Clubkonzept und KapselMaschine-System wird der Kunde in das System gelockt und eingebunden. Die Marke Nespresso schaffe über die Gebundenheit hinaus aber auch eine Verbundenheit, eine emotionale Bindung. Der Clou aber ist: "Nespresso lässt den Kunden nicht spüren, dass er abhängig ist", sagt Schögel. Sorgt auch der schöne George Clooney für den Erfolg? Der Experte sagt: Nein. Der Star schaffe Aufmerksamkeit. Den Rest besorge die Marke.