Gretchen muss nicht zwangsläufig von einer Frau gemimt werden. Horst Emrich spielt gern mit den Identitäten. Foto: privat

Das Zwei-Personen-Stück „Gretchen 89ff.“ befasst sich weniger mit dem Goethe-Klassiker „Faust“ als mit Charakterstudien. Zweimal zu sehen im Jugendhaus in Sillenbuch. Die Leitung hat Horst Emrich aus dem Stuttgarter Osten.

Sillenbuch - Über Fausts Gretchen ist noch lange nicht alles gesagt. Vor allem dann nicht, wenn es darum geht, Zeuge einer nicht öffentlichen Theaterprobe sein zu dürfen. Eben dies erlaubt Lutz Hübners Kabarett „Gretchen 89ff.“, ein Zwei-Personen-Stück aus dem Jahr 1997, in dem es weniger um den Inhalt von Goethes Klassiker geht, sondern viel mehr um das Zusammenwirken der Gretchen-Darstellerin und des Regisseurs. Lutz Hübner nutzt die berühmte Vorlage für seine Charakterstudien und gewährt dem Zuschauer einen Blick hinter die Kulissen.

Gretchen-Darsteller wechseln

Geübt wird die Kästchenszene, in der Margarete, genannt Gretchen, ein vom Teufel verstecktes Schmuckkästchen findet. Nachzulesen im gelben Reclamheft auf den Seiten 89 fortfolgende. Gretchen schwankt an der Stelle zwischen Hingerissensein und Skepsis.

Zu sehen sind die sechs kurzweiligen Szenen von „Gretchen 89ff.“ am Sonntag, 29. Mai, und Sonntag, 12. Juni, im Jugendhaus Sillenbuch. Inszeniert wird das Stück vom Horst Emrich, zusammen mit seinen Schauspielschülern. Der Eintritt ist frei. Emrich hat die Rolle des Gretchen mit wechselnden Akteuren besetzt, und nicht nur mit weiblichen.Horst Emrich sagt von sich selbst, dass die Identität sein Lieblingsthema sei, in vielen Fällen die sexuelle Identität. So hat er beispielsweise den „Ansager“ inszeniert, ein Stück, in dem sich Andrea zu Andreas wandelt. Oder „Der große Masturbator“, ein Stück über Salvador Dalí und Androgynität.

Horst Emrich Foto: privat

Horst Emrich, Jahrgang 1963, aus dem Stuttgarter Osten arbeitet als Schauspieler und Theaterpädagoge. In letzterer Rolle hat er auch das Stück „Gretchen 89ff.“ für die Bühne vorbereitet. Ansonsten hatte er immer wieder Projekte an der Deutsch-Französischen Grundschule Sillenbuch laufen. So sei er irgendwann aufs Jugendhaus Sillenbuch aufmerksam geworden – als Ort für Theatervorführungen.

Emrich fand über Umwege in die Welt des Theaters. Der gebürtige Münchner hat Schreiner gelernt; doch im Alter von 25 habe er „ein Erlebnis“ gehabt. Damals sei er als Schreiner im Stadttheater Heidelberg engagiert gewesen, nach Feierabend sei er über die Bühne gelaufen, „und mir hat es fast ein Stück vom Herz rausgerissen“, sagt Emrich. Damals wusste er: Er gehört nicht an die Säge, sondern auf die Bühne. Als Theaterpädagoge gibt Emrich seine Leidenschaft an andere weiter.

Zwei Vorführungen

Das Kabarett „Gretchen 89ff.“ ist an den Sonntagen 29. Mai und 12. Juni zu sehen. Beginn ist jeweils um 19 Uhr im Jugendhaus, Gorch-Fock-Straße 30. Der Eintritt ist frei. Es spielen: Susanne Brodmann, Michaela Munk, Natali Ugarkovic, Daniela Pfänder, Swetlana Weidner, Liza Wohlfart, Marco Gutstein und Horst Emrich.