Generalstaatsanwalt Achim Brauneisen setzt bei der Übersetzung auf moderne Technik: „Von Menschen ist das alles gar nicht mehr zu leisten.“ Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Bei der Terror-Bekämpfung ist die Justiz in Baden-Württemberg inzwischen gut aufgestellt. Nun mangelt es aber an Arabisch-Dolmetschern.

Stuttgart - Wenn auch Baulärm Terror wäre, hätte die Stuttgarter Generalstaatsanwaltschaft in ihrer neuen Nachbarschaft viel zu tun. Nebenan wird noch mindestens ein Jahr lang am Neubau der John-Cranko-Schule gearbeitet, und auch vor dem Gebäude der Generalstaatsanwaltschaft in der Werastraße wird noch gewerkelt.

Den Umzug empfindet Generalstaatsanwalt Achim Brauneisen dennoch als Segen, denn an der alten Adresse in der Olgastraße wurden die Räume eng. Angesichts der Terroranschläge in Europa in den vergangenen Jahren hatte der Landtag den Staatsanwaltschaften im Land 14 neue Stellen für die Terrorbekämpfung bewilligt. Zentrale Stelle ist seit März 2016 eine neue Abteilung der Stuttgarter Generalstaatsanwaltschaft mit insgesamt sechs Beamten. Die sind mittlerweile schon gut ausgelastet, denn die Zahl der Terror-Verdachtsfälle steigt und steigt.

Was geht das Deutschland an?

Meist geht es um Terror-Organisationen aus dem Ausland, oft um Islamismus, und die Generalstaatsanwaltschaft tritt in der Regel dann auf den Plan, wenn einer für diese Organisationen gekämpft hat, kämpfen will, sie unterstützt und dies von Baden-Württemberg aus tut oder hier seinen Wohnort hat. Angesichts des Aufwands, der betrieben wird, könnte am Stammtisch die Frage auftauchen, warum man diese Menschen sich nicht einfach im Ausland die Köpfe einschlagen lässt – was geht das Ganze überhaupt deutsche Strafverfolgungsbehörden an?

Dazu sagt die Leitende Oberstaatsanwältin Sandra Bischoff, die die neue Extremismus-Abteilung der Generalstaatsanwaltschaft führt, dass Kampfgebiete wie Syrien ja kein funktionierendes Rechtssystem mehr hätten. „Es geht also zum einen darum, dass Straftaten dort trotzdem verfolgt werden. Zum anderen gibt es die Sorge, dass sich die Leute angesichts ihrer Gewalterfahrungen hier auch nicht so verhalten, wie man sich das wünscht.“

54 offene Verfahren

Die oberste Strafverfolgungsbehörde in Sachen Staatsschutz ist in Deutschland immer noch der Generalbundesanwalt in Karlsruhe. Früher hat sie ganz selten Fälle nach unten gegeben, „heute ist die Generalbundesanwaltschaft nicht mehr in der Lage, alle Fälle zu bearbeiten“, sagt Brauneisen.

Es heißt, Karlsruhe gebe nur die minderschweren Fälle ab, aber das sei relativ, sagt Brauneisen. Demnächst wird seine Behörde wohl gegen einen jungen Iraker Anklage erheben, der im Kampfgebiet neben sechs abgehackten Köpfen posierte – ein Verstoß gegen das Völkerstrafrecht und ein Fall, den der Generalbundesanwalt laut Brauneisen früher nicht abgegeben hätte.

Der Fall ist einer von noch 54 offenen Staatsschutzverfahren, die bei der Generalstaatsanwaltschaft in diesem Jahr bislang bearbeitet werden. Elf davon betreffen die kurdische Arbeiterpartei PKK, die in Europa als terroristische Vereinigung eingestuft ist. Bei vier Fällen geht es um tamilische Separatisten, der große Rest sind islamistische Terrororganisationen wie IS, Al Nusra und Al Shabaab. Man brauche schon Spezialwissen, um solche Fälle bearbeiten zu können, sagt Oberstaatsanwältin Bischoff. Deshalb sei eine Bündelung der Kompetenzen wichtig.

Chatnachrichten auf Arabisch

Die Ermittlungen seien meist sehr aufwendig, sagt Brauneisen. „Was im Ausland getan wurde, ist sehr schwer zu ermitteln.“ Oft mache man Durchsuchungen, beschlagnahme dabei unter anderem mehrere Handys mit zig Chatnachrichten auf Arabisch. Die Techniker des Landeskriminalamts (LKA) oder bei den Polizeipräsidien können solche Handys zwar auslesen, aber wer übersetzt?

Es fehle an Arabisch-Dolmetschern, sagt Brauneisen. „Die Auswerter-Kapazitäten sind eines der größten Probleme in diesem Bereich.“ Damit die Ermittlungen nicht regelmäßig ins Stocken geraten, hofft Brauneisen darauf, dass die Entwicklung von intelligenter Auswertungssoftware forciert wird. „Von Menschen“, sagt er, „ist das alles gar nicht mehr zu leisten.“