Harry Wörz 2009 Foto: dpa

Bundesgerichtshof prüft, ob dem zweifach Freigesprochenen erneut Prozess gemacht wird.

Mannheim/Karlsruhe - Zuerst zu elf Jahren Haft verurteilt, dann zweimal freigesprochen. Der Fall Harry Wörz ist einmalig in der deutschen Rechtsgeschichte. Am Mittwoch soll der Bundesgerichtshof (BGH) darüber entscheiden, ob der letzte Freispruch Bestand hat oder dem 44-Jährigen ein viertes Mal der Prozess gemacht wird.

Staatsanwaltschaft und Nebenklage hatten Revision gegen das Urteil des Mannheimer Landgerichts vom Oktober 2009 eingelegt. Sie sind sich sicher, dass Wörz seine Frau Andrea Z. vor mehr als 13 Jahren zu töten versucht hatte. Ganz anders sahen dies die Richter der Mannheimer Strafkammer: Sie halten es für wahrscheinlich, dass Andrea Z. von ihrem damaligen Geliebten bis zur Bewusstlosigkeit stranguliert wurde. Der verheiratete Mann arbeitete ebenso wie das Opfer bei der Pforzheimer Polizei.

Die heute 39-Jährige ist seit dem Verbrechen, das sich in ihrer Wohnung in Birkenfeld bei Pforzheim ereignete, schwerbehindert. Sie muss wie ein Baby gepflegt werden, den Täter kann sie nicht benennen. Der damals getrennt von ihr lebende Harry Wörz hatte zunächst ein Geständnis abgelegt, dieses jedoch später widerrufen.

Wörz: Nach fünf Jahren Haft auf freiem Fuß

Seine Revision gegen die Verurteilung zu elf Jahren Haft hatte der Bundesgerichtshof verworfen. Im Oktober 2004 verfügte das Oberlandesgericht Karlsruhe jedoch die erneute Durchführung des Prozesses, nachdem sich neue Zeugen gemeldet hatten. Wörz wurde daraufhin nach fast fünf Jahren Haft auf freien Fuß gesetzt.

Im zweiten Prozess sprach das Mannheimer Landgericht Wörz im Oktober 2005 frei und erkannte ihm eine Haftentschädigung zu. Dem Angeklagten sei die Schuld nicht mit der notwendigen Sicherheit nachzuweisen. Der Bundesgerichtshof hob daraufhin auch das zweite Urteil gegen den technischen Zeichner auf. Der BGH rügte die "lückenhafte Beweiswürdigung", die "an durchgreifenden Rechtsfehlern leidet".

Im letzten Jahr wurde der Fall deshalb ein drittes Mal von einer anderen Kammer des Mannheimer Landgerichts verhandelt. Für Harry Wörz brachte der monatelange Indizienprozess diesmal einen Freispruch erster Klasse. Nicht er sei der Täter, sondern wahrscheinlich der Geliebte des Opfers, erkannte die Dritte Große Strafkammer.

Polizist vom Dienst suspendiert

Die schwerhörige Frau des Polizisten hatte vor Gericht ausgesagt, ihr Gatte habe die Tatnacht zum 29. April 1997 daheim verbracht. Die Ermittlungen gegen den Beamten sind noch nicht abgeschlossen. Er ist vom Dienst suspendiert. Die Staatsanwaltschaft Karlsruhe prüft derzeit noch, ob sie Anklage gegen ihn erhebt.

Wer immer der Täter war, er muss das Opfer gut gekannt haben. Einbruchsspuren wurden keine gefunden. Kurz vor dem Verbrechen hatte ein Nachbar einen lautstarken Disput zwischen Andrea Z. und einem ihr offenbar vertrauten Mann belauscht. "Ich bring' dich um, ich schlag' dich tot - mit mir kannsch du des net mache", soll der Unbekannte geschrien haben. Der Vater von Andrea Z. schlief damals in einer Einliegerwohnung im gleichen Haus wie die Tochter. Er fand die bewusstlose Frau mit dem Schal um den Hals, nachdem er durch Geräusche geweckt worden war. Ihr Gehirn wurde durch den Sauerstoffmangel irreparabel geschädigt.

Viele Mitbürger seiner Heimatgemeinde Gräfenhausen sind nach wie vor von der Unschuld des Harry Wörz überzeugt. Als der Ortspfarrer 2004 von der Wiederaufnahme des Prozesses erfuhr, läutete er die Kirchenglocke. Eine Band nahm eine CD auf, deren Erlös Harry Wörz zugutekam. Freunde richteten eine Internet-Seite ein. Wörz hat im Jahr 2004 erneut geheiratet und ist wieder Vater geworden.