Ein alter Hase und doch mit Lampenfieber: Ab Donnerstag ist Sängerin Yvonne Catterfeld als Jurorin von „The Voice of Germany“ im Einsatz. Foto: Pro Sieben Sat  1/Olaf Heine

Sie ist ein Star – und wird doch gerne unterschätzt. Nun sitzt die Sängerin und Schauspielerin Yvonne Catterfeld in der Jury von „The Voice“ und soll vor allem sie selbst sein. Nur, wer ist sie?

Berlin - „Ach du Scheiße“, war Yvonne Catterfelds erster Gedanke als die Anfrage von „The Voice“ kam. Sie sitzt im Schneidersitz auf dem Sofa, trägt eine dunkle enge Jeans, eine dunkelgrüne Bluse, Sommerschlappen. Sie sieht elegant, aber auch entspannt aus. Nichts merkt man ihr an, von dem Druck, den sie sich gerade macht. Sie erzählt, dass sie vor den Aufzeichnungen kaum schlafen kann. Sie nimmt Baldrian, trinkt dann wieder Kaffee. Sie sitzt da an einem Spätsommertag im TV- Studio in Berlin-Adlershof. Sie ist schon stark geschminkt für die Aufzeichnung der TV-Sendung „The Voice of Germany“ später, hat die sattbraunen Haare zu einem Pferdeschwanz gebunden. Sie ist die „Neue“ bei den Coaches.

Sie ist die ewig Unterschätzte

Barbara Schöneberger kündigte Catterfeld in einer TV-Talkshow mal mit den Worten an „Als der liebe Gott sie aus den Rippen schnitzte, war er in Geberlaune.“ Dieser flapsige Satz ist natürlich wahr. Yvonne Catterfeld ist schön. Sie ist aber auch die ewig Unterschätze. Als Sängerin. Als Schauspielerin. Wenn sie jetzt in dem übergroßen Sessel von „The Voice“ neben Coaches wie Andreas Bourani, Samu Haber und dem Team Fanta mit Michi Beck und Smudo sitzt, spielt sie keine Rolle, singt sie keine Lieder – sie muss sie selbst sein.

„Ich musste meinen Horizont erweitern, ob ich das überhaupt machen will. Das nimmt viel Zeit in Anspruch. Und es ist mit großen Erwartungen verbunden“, sagt Catterfeld. Sie erzählt viel, kommt vom Hundertste ins Tausendste und weiß dann nicht mehr, wo sie den Gedanken begonnen hat. Sie redet völlig frei und offen – auch über die Angst, die sie umtreibt, wenn jetzt die Sendungen ausgestrahlt werden. „Ich habe noch nie so etwas mit einem so großen öffentlichen Fokus gemacht“, sagt sie. „Ich will mein normales Leben wie bisher weiter führen.“ Filme seien etwas anderes: „Da ist man in einer Rolle und hinter einer Figur versteckt.“

Ihre Vita klingt wie ein Drehbuch für einen Vorabendfilm

Catterfeld, heute 36 Jahre alt, weiß nur zu gut, wie es sich anfühlt, wenn das öffentliche Interesse groß ist. Zu groß. Ihre Vita klingt wie ein Drehbuch für einen Vorabendfilm. So in etwa verliefen zehn Jahre im Leben von Yvonne Catterfeld in Kurzform: Ein hübsches, damals noch blondes, ehrgeiziges und engagiertes Mädchen wird als Sängerin entdeckt. Sie bekommt eine Rolle in der Soap „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“, wird bekannt und bekannter. Dieter Bohlen schreibt Lieder für sie. „Für dich“ – mit der schlimmen Zeile „Für dich schiebe ich die Wolken weiter“ – wird 2003 zum Überhit.

„Ich war zu präsent“, sagt Catterfeld heute. „Es gab Momente, in denen ich realisiert habe, dass das zu viel ist.“ Da habe sie den Stecker gezogen. Damit meint sie die Trennung von ihrer Managerin 2005. „Das war wie der Abschluss eines alten Lebens. Das war der wichtigste Bruch, weil ich davor völlig weltfremd und ferngesteuert war“, sagt sie. Und: „Eigenverantwortung war dann mein Thema.“ Das musste sie langsam lernen. Sie, die immer von allen gemocht werden, es allen recht machen wollte: „Ich bin ein sehr emphatischer Mensch. Das kann dazu führen, dass man sich manchmal auch vergisst.“

Disziplin hat sie früh gelernt. Aufgewachsen in Erfurt war sie erfolgreich im Geräteturnen. Die sportlichsten Kinder wurden dafür ausgewählt. Dann gab es noch die Gesangsausbildung, außerdem hat sie Gitarre und Klavier gelernt, Gehörbildung gehabt. Ein straffes Programm für eine Teenagerin, dem sie alles unterordnete. „So ehrgeizig bin ich heute gar nicht mehr.“ Aber wenn sie etwas macht, möchte sie ihre Aufgaben erfüllen, will niemanden im Stich lassen. Auch nicht sich selbst.

„Mein Lebensmotto ist, meine eigenen Erwartungen zu übertreffen.“

Wäre der geplante „Romy“-Film zustande gekommen, hätte sie vielleicht alle Kritiker verstummen lassen. Im Internet lassen sich immer noch die Probeaufnahmen anschauen, in denen Catterfeld dem Filmstar Romy Schneider unglaublich nahe kommt. Catterfeld kann sich das nicht mehr angucken. Zu intensiv, zu viel hatte sie sich auf diese Rolle vorbereitet, die sie dann doch nicht spielen konnte. „Ich trauere dem nicht hinterher, aber es steckt schon eine Wehmut drin“, sagt Yvonne. Und leise: „Vielleicht ist es ja besser so. Man muss da loslassen. Und ich glaube, alles hat seinen Grund.“ Ein Trost, den sie sich selbst gibt.

Bei der Aufzeichnung von „The Voice“ wirft sie ihrer Kandidatin zur Unterstützung Kusshändchen zu, krempelt die Blusenärmel hoch und wippt bei Beyonces „Halo“ im Takt. Sie wird bei Ausstrahlung der Sendung wahrscheinlich sehr sympathisch rüberkommen. Und danach noch mehr Fans auf Facebook und Instagram haben. „Ich habe anfangs gedacht, da kommt diese hübsche Popsängerin“, sagt der Finne Samu Haber in seinem lustigen Deutsch. Und fügt an: „Aber wir haben einen neuen Boss in da House.“ Und genau das ist vielleicht das Problem von Yvonne Catterfeld: Sie wird oft, eigentlich fast immer unterschätzt. Als Schauspielerin, als Sängerin, vielleicht auch als Mensch. Es gibt die Anekdote, dass ihr heutiger Freund und Vater ihres Kindes, der Schauspieler Oliver Wnuk nicht mit dieser Catterfeld, dem ehemaligen Soap-Sternchen, einen Film drehen wollte. So ist das mit den Vorurteilen. Yvonne Catterfeld lehrte ihn eines Besseren.

„Man hat nicht so viele Chancen im Leben, wenn einem ein Image anhaftet, das eigentlich mit einem selbst nicht viel zu tun hat.Irgendwann stellt sich die Frage, ob man das einfach akzeptiert und damit lebt.“ Die Chance hat ihr das TV-Format „Sing meinen Song“ im Jahr 2015 gegeben. Sich präsentieren, wie man ist: „Mein Lebensmotto ist, meine eigenen Erwartungen zu übertreffen und andere zu überraschen.“

Gibt es nichts, was sie bereut? „Jede Entscheidung, und ist sie auch noch so falsch gewesen, macht mich wie ein Puzzleteil zu dem Mensch, der ich heute bin“, sagt die positive Yvonne. Aber auch: „Es gibt sehr, sehr viele Sachen, die ich anders gemacht hätte.“ Heute sieht sie Fotos, liest Songtexte und fragt sich, warum sie das damals gemacht hat. „Das ist für mich ein fremder Mensch. Ich kann diese Entscheidungen teils nicht mehr verstehen, kann nicht nachvollziehen, was für eine Motivation dahinter stand.“ Yvonne Catterfeld hadert nicht mit dem, was war. Sie weiß: „Es ist auch ein Vorteil, ein bestimmtes Image zu haben: Man hat nicht viel zu verlieren.“