Foto: Hersteller

Junghans will in den Premiumbereich - Unternehmer aus der Nachbarschaft hat gleiche Idee.

Schramberg/Hardt - Bisher wird die Uhrenstadt Schramberg nur mit einem Hersteller verbunden: Junghans. Jetzt versucht ein weiterer Schramberger in dem Markt Fuß zu fassen: Markus Lehmann eröffnet heute seine Manufaktur für Luxusuhren.

Niemand soll wissen, was hinter der Glastür bei Lehmann Präzision in Hardt bei Schramberg passiert. Ein gelbes Rollo schützt vor Blicken. An der Tür hängt ein Schild, auf dem steht "Bitte nicht stören." Nicht mal die Mitarbeiter wissen, dass zwei Uhrmacher in ihrem Betrieb seit Monaten an einer neuen Schramberger Uhrenkollektion arbeiten. Geschäftsführer Markus Lehmann hat ein Geheimprojekt aus seinem Plan gemacht: Eine eigene Uhrenmanufaktur für mechanische Luxusuhren zu gründen. "Sonst hätte jeder mitgeredet, etwas besser gewusst", sagt er.

Auf dem Fensterbrett im Betrieb steht eine Junghans-Uhr. Auf dem Ortsschild steht "Willkommen in der Uhrenstadt Schramberg". Junghans hat den Ort berühmt gemacht. Einst war die Firma der größte Uhrensteller der Welt. Nach der Insolvenz 2008 versuchen Geschäftsführer Matthias Stotz und die neuen Eigentümer - die Schramberger Familie Steim - die Marke wieder erfolgreich zu machen. Das Unternehmen feiert dieses Jahr 150. Jubiläum.

Vier Modelle machen die Anfang

Das sollte der Startschuss für Lehmanns Uhrenmanufaktur sein: "150 Jahre industrielle Uhrenfertigung in Schramberg." Es gebe aber keine Geschäftsbeziehungen zwischen Junghans und der Lehmann Präzisionsuhren Manufaktur Schramberg, sagt er.

Die erste Lehmann-Kollektion umfasst vier Modelle, Gehäuse und Uhrwerkdesign hat der gelernte Werkzeugmacher und Elektrotechniker selbst entworfen. Insgesamt 100 Exemplare sollen bis Jahresende produziert werden. Zum Vergleich: Junghans stellt um die 20.000 Uhren im Jahr her. Die erste Damenkollektion von Lehmann soll es 2013 geben.

In der Uhrenszene kommt es gut an, wenn Hersteller die wesentlichen Teile des Uhrwerks selbst machen. Dazu gehören Elemente wie die Platine, Federhaus- und Räderwerkbrücke, der Unruhkloben. "Manufaktur darf sich eigentlich nur derjenige Hersteller nennen, der ein eigenes Uhrwerk fertigen kann", sagt Hansjörg Vollmer, Vorsitzender des Verbands Watchparts from Germany (WPG). "Es gibt vielleicht zehn Manufakturen, die dieses Kriterium erfüllen", sagt Vollmer.

Die Erfolgsaussichten kleiner Manufakturen, die Uhren mit komplizierten Werken anbieten, sind seiner Meinung nach nicht schlecht: "Produkte von namhaften Marken wie Rolex oder IWC werden von vielen Sammlern bereits als Massenware angesehen." Für gute Uhren, von denen es nur wenig gibt, seien Kunden bereit, mehr auszugeben, sagt er. Der Preis für die Lehmann-Uhren wird je nach Modell zwischen 10.000 und 125.000 Euro liegen.

Uhren: Die Luxusbranche boomt

Auch Junghans versucht sich mit der Erhard-Junghans-Linie ins obere Preissegment vorzutasten. Die Luxusbranche boomt, der Markt werde im laufenden Jahr um 10 Prozent wachsen, so die Unternehmensberatung Bain & Company. Besonders gut laufen Taschen, Schmuck und eben Uhren. "Viele Menschen kaufen sich nicht nur als Statussymbol eine teure Uhr, sondern auch als Anlage", sagt Vollmer. "Insbesondere dann, wenn das Geld immer mehr an Wert verliert."

Noch liegen weiße Tücher über den Uhrmachertischen in einem Salon auf Gut Berneck. Heute Abend will Lehmann in dem 100 Jahre alten Gebäude die neue Kollektion vorstellen - im ehemaligen Wohnhaus von Arthur Junghans, Sohn des Firmengründers. Zu Abend gegessen wird im Restaurant Villa Junghans, das ehemalige Wohnhaus von Arthurs Bruder Erhard Junghans Junior. Wer auf Gut Berneck aus den Fenstern blickt, sieht Bäume, grüne Hügel - und im Tal: Die Werksgebäude von Junghans. Dabei wolle er vermeiden, dass die Menschen Parallelen ziehen zwischen den beiden Marken, sagt Lehmann. "Junghans steht eher für preiswerte Produkte."

Die Modelle der Erhard-Junghans-Linie liegen mit Sondereditionen preislich zwischen 1990 Euro und 18.200 Euro.

"Es geht darum, etwas von Dauer zu schaffen"

Lehmanns Frau hat ihren Mann einmal gefragt, was passiert, wenn niemand die teuren Uhren kaufen will. "Dann tragen wir sie halt selbst", hat er geantwortet. "Es geht mir nicht darum, in fünf Jahren reich zu werden", sagt er. "Ich möchte etwas schaffen, das auf die Dauer schön ist, das keiner Mode unterliegt." Zwischen 500.000 Euro und einer Millionen Euro habe er in die Manufaktur investiert.

Für eine Uhr im Wert von 10.000 Euro müsse er nur ein Einkaufsvolumen von 500 bis 600 Euro rechnen, sagt er. Die restlichen Teile fertige er selbst. "Mich stört, dass manche Hersteller 'Swiss Made' oder 'Made in Germany' auf ihre Uhren schreiben, obwohl sie nur am Standort zusammen geschraubt wurden", sagt Lehmann.

In der Maschinenbauszene ist Lehmann kein Unbekannter. Seine Firma stellt Präzisionsmaschinen her für die optische Industrie, die Medizintechnik und für die Uhrenindustrie. "Manche Teile, die wir für die Uhrenfertigung zukaufen - wie etwa Unruhspiralen - werden auf Maschinen produziert, die wir selbst gebaut und verkauft haben", sagt Lehmann.

Er hat den Betrieb 1998 für einen "Millionenbetrag" dem Vater abgekauft, "wie unter fremden Dritten". Seitdem ist die Zahl der Mitarbeiter von sieben auf 78 gestiegen. Den Umsatz fürs laufende Geschäftsjahr schätzt Lehmann auf neun bis zehn Millionen Euro. Zahlen zum Ergebnis von 2010 nennt er nicht. "Wir sind ein gesundes Unternehmen", sagt er. "Die Eigenkapitalquote liegt bei über 60 Prozent."

Lehmann möchte "gesund wachsen und nicht so viele Schulden machen." Denn sein Nachfolger steht auch schon fest. "Das macht mein Sohn", sagt er. Dass der erst sieben ist, stört ihn nicht. Seinen Berufswunsch habe der Sohn bereits im Kindergartenalter formuliert: "Chef."