Franziska Schmitz und Nils Beckmann in dem Zwei-Personen-Stück „100 m“. Foto: Junges Ensemble Stuttgart

In rund 70 Minuten sprinten Schmitz und Beckmann in dem Zwei-Personen-Stück „100 m“ von Ralf N. Höhfeld im Jungen Ensemble Stuttgart durch die Stadien junger Liebe.

Blaue Tartanbahnstreifen zieren den Bühnenboden beim Jungen Ensemble Stuttgart (JES). Eine derartige Färbung des Läuferuntergrunds findet sich beispielsweise im Berliner Olympiastadion. Dort, bei der Leichtathletik-Weltmeisterschaft 2009, legte der Jamaikaner Usain Bolt die 100-Meter-Strecke in nie mehr erreichten 9,58 Sekunden zurück. Ehrgeizig und diszipliniert wie ein Olympionike trainiert auch die junge Sprinterin (Franziska Schmitz). In der Denkerpose verbirgt ihr Handrücken die eigentümliche Nasenform, pest sie nicht gerade vom Startblock zur Ziellinie. Doch den Unbekannten (JES-Glücksfall: Nils Beckmann) ziehen eben nicht die leistungsfähigen Schenkel und Waden an, sondern ihr besonderes Nasenbein – er wertet das Versteckspiel als Abfuhr.

Das Zwei-Personen-Stück „100 m“ von Ralf N. Höhfeld, das sich an Jugendliche ab zwölf richtet, gewann den baden-württembergischen Jugendtheaterpreis 2014. Christian Müller inszeniert im JES die Uraufführung. In rund 70 Minuten sprinten Schmitz und Beckmann durch die Stadien junger Liebe: Prä-Beziehungsproblematik, gemeinsames Glück, Rückkehr eigener Leidenschaften und persönlicher Ziele.

Wenn ein Mensch in 9,58 Sekunden ein Fußballfeld hinter sich lassen kann, so wird er in dieser Spanne doch auch seine Gefühle zum Ausdruck bringen können. Immer wieder tickt der Countdown, wenn sich die Bahnen der Protagonisten kreuzen, immer wieder stammeln sie Small-Talk-Phrasen. Bei diesen knappen Treffen der Verliebten, in diesen flüchtigen, kostbaren Momenten sagt man ja doch immer das Falsche. Fällt einem später Besseres ein, nennt man das Treppenwitz – weil der Geist die passenden Sprüche erst auf den Stufen zum Ausgang ins benebelte Hirn funkt.

Anfängliches Verlegenheitsgrinsen mit roten Wangen meistern die beiden Darsteller ohne Probleme. Sprinteinlagen bringen sie nur kurz aus der Puste. Beckmann sprüht sich das allgegenwärtige Deodorant so gewaltsam unter Hemd und Jogginghose, als wolle er jegliches Schweißaufkommen des nächsten Jahrzehnts unterbinden. Schmitz will nicht einmal beim Wechseln des geliebten Kapuzenpullis die Hand von der des Liebsten nehmen – sieht ulkig aus, klappt aber tatsächlich.

Die Krise kriecht subtil heran: ein unbeantworteter Anruf, Einzeltraining statt Paarglück. Die beiden sprechen ihre Gedanken in ein Mikrofon, bewahren sie aber vor dem andern. Dabei wiederholen sich Elemente, ein paar davon zu oft. Auch die uninspirierte Sprechgesang-Einlage wirkt überflüssig. So rettet sich das Stück am Ende leicht übersäuert ins Ziel, wobei es dank starkem Antritt hervorragend ins Rennen startet. Den Kratzern an der B-Note zum Trotz gelingt der Lauf nicht zuletzt durch die beiden hervorragenden Nachwuchsathleten.

Unter 07 11 / 21 84 80 18 gibt es noch Karten für die Vorstellungen am 14. 11. sowie am 9. und 11. 12.