Dieses Paradies haben sich die Nachwuchskünstler selbst geschaffen. Jetzt sind sie dabei, die Welt unter der Erde zu gestalten. Foto: Lichtgut/Achim Zweygarth

Rund 80 Kinder werkeln an der Wiederauferstehung des Paradieses mit. Neben Kreativität ist hier auch der Teamgeist gefordert. Präsentiert wird das ober-, unter-und überirdische Paradies im Juni anlässlich des 45-Jahr-Jubiläums der Einrichtung.

Stuttgart - Die drei Mädchen gestalten die Unterwelt mit einer Pampe aus Sand und Kleister. „Die sieht aus wie Maronensuppe“, findet Paula und kleckst eine Portion davon auf das Gestell aus Pappe. Eine Panscherei, die zuhause nicht gerne gesehen wäre. Aber in der Jugendkunstschule (Jukus) ist sie ein wertvoller Beitrag zum gemeinsamen Projekt, in dem die Kinder das Paradies neu erschaffen.

Scheinbar Nutzloses findet Verwendung

Jacqueline ist mit einem Tier aus der Oberwelt beschäftigt. Seit vier Nachmittagen modelliert sie einen Pfau. „Wie soll der nachher auf dem Erdhügel befestigt werden?“ fragt Ursula Thiele-Zoll. Die Leiterin der Jukus ist an allen Wirkungsstätten der Nachwuchskünstler gleichzeitig präsent. „Mit Stöcken“, überlegt Jacqueline. „Hast Du welche?“, fragt Thiele Zoll zurück. Das Mädchen schüttelt den Kopf. „Ich bin das ganze Jahr über am Sammeln“, erzählt Thiele-Zoll lachend. Ohne Materialien, die für Ordnungsfanatiker Abfall wären, lässt sich keine Kreativität entwickeln – und schon gar kein Paradies bauen: Ein Baum aus Pappmaschee mit echten Ästen wird später die Repräsentanten der fünf großen Weltreligionen tragen, an einem kleinen Weiher sprießt Schilf aus den bemalten Fasern eines Reisstrohbesens oder die Muscheln vom Urlaub am Meer bekommen hier eine neue Aufgabe als Vogeltränke.

80 Kinder wirken mit

Rund 80 Kinder malen, kleistern, biegen, formen und hämmern seit eineinhalb Jahren an dem Gemeinschaftsprojekt. Präsentiert wird das ober-, unter-und überirdische Paradies im Juni anlässlich des 45-Jahr-Jubiläums der Einrichtung. „Wir haben heute schon die ersten Enkelkinder hier“, freut sich die Gründerin Ursula Thiele-Zoll. Die Anmeldung der Kindeskinder ist das größte Lob für ihr Konzept: „Es ist uns wichtig, die Kinder zu einem konzentrierten, eigenverantwortlichen Arbeiten hinzuführen“, so hat sie es einmal formuliert. Nicht der schnelle Erfolg zählt. Wichtig sei es, dass die Kinder mit Muße und Ausdauer ihre Ideen gestalten - und auch eine Durststrecke überwinden lernen.

Kurse am Wochenende

Aber mit der Muse ist es heute nicht mehr gut bestellt. Die Ganztagsschule und das G8 machen sich in der Jukus deutlich bemerkbar. „Die Nachfrage nach Kursen am späteren Nachmittag wird immer stärker“, berichtet die Gründerin. „Aber wenn wir erst um 16.30 Uhr beginnen, besteht die Gefahr, dass es für die Kinder einfach zu viel wird“, lautet ihr Einwand. Deshalb wird das Angebot jetzt immer weiter auf das Wochenende ausgeweitet. Generell sind Ursula Thiele-Zoll und ihre Mitarbeiter immer bereit, an die Schulen zu kommen. „Sie müssen sich bei uns nur melden.“ Sofern ein Kunstraum oder eine Werkstatt vorhanden sind, steht dem Jukus-Besuch vor Ort nichts im Weg. Im März startet ein Projekt am neu gegründeten Kunstzug der Robert-Koch-Realschule in Vaihingen. Auch an der Gemeinschaftsschule in Weilimdorf geben die Jukus-Künstler vier bis sechs Mal im Schuljahr neue Impulse, im Bürgerhaus Botnang und an der Römerschule sind sie seit Jahrzehnten präsent.

Farbmischung für Erdmännchen

Von den Grundschülern der Römerschule stammen die farbenprächtigen Blumen im Paradiesgarten, auch etliche der Felsen wurden dort modelliert. Auf einem sitzt ein Frosch mit ausgestreckter Zunge, auf der eine ahnungslose Fliege Platz genommen hat. An deren Stelle sitzt ein Igel mit Stacheln aus abgebrannten Zündhölzern und neben der im Bau befindlichen Unterwelt warten ein Maulwurf und ein Klumpen Regenwürmer darauf, dass sie auf einer der Erdschichten eine Heimat finden. „Ich muss noch zwei Babykatzen modellieren“, sagt Maja geschäftig während Nova und Paula weiter geduldig braune Pampe verschmieren und Carla einen Hund anmalt, den sie in der Woche zuvor - wie fast alles im Paradies – aus Pappmaschee modelliert hat. Jetzt ist er trocken, ebenso die Erdmännchen, die in den Händen von Pablo und Matthias entstanden sind. Ursula Thiele-Zoll demonstriert den Kindern wie sie die Farbe für die Bemalung mischen können, denn kein Tier ist einfarbig. Das Fell changiert.

Teamgeist ist gefragt

Für den Pfau hat die Kunstpädagogin mittlerweile das Ei des Kolumbus gefunden: „Du könntest die Federn aus Drachenpapier machen. Dann wird er nicht so schwer“, rät sie. Manche der Nachwuchskünstler, die an dem Raum füllenden Gemeinschaftsprojekt des Jahreskurses mitgewirkt haben, sind jetzt nicht mehr dabei. andere kamen dazu. Erst nach der Jubliäumsausstellung, die noch keinen Termin hat, aber kurz vor den Sommerferien sein wird, können die Kinder ihr eigenes Kunstwerk mit nach Hause nehmen. Denn auch das ist ein pädagogisches Ziel der Jukus: Teamgeist.