Vertrauen zu entwickeln lernen Kinder eher in der Pflegefamilie als im Heim. Foto: Fotalia

Im vergangenen Jahr lebten 322 Jungen und Mädchen aus Stuttgart bei Pflegefamilien. Weil sich für 35 Kinder kein in einer Familie Platz gefunden hat, mussten sie im Heim untergebracht werden. Warum es keine andere Lösung gab, war Thema im Jugendhilfeausschuss des Gemeinderats.

Im vergangenen Jahr lebten 322 Jungen und Mädchen aus Stuttgart bei Pflegefamilien. Weil sich für 35 Kinder kein in einer Familie Platz gefunden hat, mussten sie im Heim untergebracht werden. Warum es keine andere Lösung gab, war Thema im Jugendhilfeausschuss des Gemeinderats.

Stuttgart - Der neun Wochen alte Jakob fühlte sich wohl auf dem Arm seiner Pflegemutter Ruth Schwarz. Die hat den Säugling zur Sitzung des Jugendhilfeausschusses mitgebracht – und der Kleine schläft während der gesamten 90 Minuten dauernden Sitzung fest. Schwarz und ihr Mann nehmen seit knapp elf Jahren Kinder zur Bereitschaftspflege bei sich auf.

In Bereitschaftspflege kommen vor allem Säuglinge und Kleinkinder, und zwar dann, wenn sie in akuten Notsituationen nicht bei ihren leiblichen Eltern bleiben können. Die Familie Schwarz betreute in den knapp elf Jahren 21 solche Kinder Die Mädchen und Jungen waren zwischen einer Nacht und 20 Monaten in ihrer Familie.

Im vergangenen Jahr waren 50 von den 322 Kindern bei Bereitschaftspflegefamilien. Die übrigen 272 Kinder lebten in Pflegefamilien. Sie sind durchschnittlich gut fünf Jahre bei ihren Pflegeeltern, bevor sie wieder zurück zu ihren leiblichen Eltern können. Auch diese Kinder seien oft traumatisiert, weil sie furchtbares durchgemacht haben, sagt Verena Fischer. Ihr 13 Jahre alter Pflegesohn lebte mit seiner leiblichen Mutter im Obdachlosenmilieu, bevor er vor sieben Jahren zu den Fischers kam.

Weil es in Stuttgart nicht genügend Plätze in Pflege- und Bereitschaftspflege gibt, mussten 2012 insgesamt 35 Jungen und Mädchen im Heim untergebracht werden. Und das, obwohl die Heimunterbringung laut Lucas-Johannes Herzog , Leiter des Bereichs Erziehungshilfen beim Jugendamt, mit insgesamt rund 52.200 Euro pro Jahr und Kind wesentlich teurer ist als bei einer Pflegefamilie. Die Kosten dort liegen bei rund 10 500 Euro. Eine kurzfristigere Unterbringung in Bereitschaftspflegefamilie schlägt mit 53 Euro pro Kind und Tag zu Buche. In der Kindernotaufnahme kostet ein Tag dagegen 287 Euro .

Stadt hat zu wenig Personal für Schulung von Pflegeeltern

Das Jugendamt erklärt das Defizit von Plätzen in Familien damit, dass es zu wenige Pflegefamilien gibt, aber auch damit, dass das Amt zu wenig Fachpersonal hat, um die wesentlich mehr Pflegeeltern zu unterstützen. „Dieses Jahr schulen wir 13 Elternpaare. Für mehr fehlt uns das Personal“, so Jugendamtsleiter Bruno Pfeifle. Bevor das Jugendamt Pflegschaften vergibt, wird geprüft, ob die Bewerber sich für die Aufgabe eignen. Anschließend werden die Pflegeeltern in spe intensiv geschult und später bei ihrer Aufgabe begleitet, auch kontrolliert, und im Krisenfall unterstützt.

Derzeit ist eine Fachkraft für 64 Pflegefamilien zuständig. „Wünschenswert“ ist laut Pfeifle, dass sich ein Mitarbeiter um nur 50 Familien kümmern muss. „Dafür brauchen wir zwei Stellen mehr in der Vollzeit- und 1,5 Stellen mehr in der Bereitschaftspflege“, sagt Pfeifle.

Stadtrat Peter Svejda (Grüne) stellt fest, dass die Geborgenheit, die Kinder in der Pflegefamilie erfahren, durch nichts zu ersetzen sei, und dies nicht am Personal scheitern dürfe. Andreas Reißig (SPD) fordert, dass es in den kommenden zwei Jahren, also bis zu den nächsten Haushaltsberatungen, darum gehen müsse, die Kriterien für den Personalschlüssel zu überdenken. „Es geht immerhin um die Lebensperspektive von Kindern“, so Reißig. Zuvor hatte Sozialbürgermeisterin Isabel Fezer (FDP) festgestellt, dass eine Personalaufstockung an die Übernahme von neuen Aufgaben gebunden sei.