Stuttgarts Intendanten: Armin Petras, Reid Anderson, Marc-Oliver Hendriks, Jossi Wieler Foto: dpa

Am Donnerstag hat Jossi Wieler bekannt gegeben, dass er nach der Spielzeit 2017/18 nicht mehr Intendant der Oper Stuttgart sein will. 2018 geht auch der Ballettchef Reid Anderson. Das Großprojekt der Sanierung müssen dann andere tragen und organisieren.

Stuttgart – Schweigen, nichts als Schweigen. Noch am Mittwoch hatte Stuttgarts Opernintendant Jossi Wieler im Interview mit dieser Zeitung die Frage nach der Verlängerung seines laufenden Vertrags mit einem eindeutigen Jein beantwortet. „Wir sind in Gesprächen“, so seine Antwort, „aber dazu möchte ich mich heute noch nicht äußern.“

Nur einen Tag später kommt am Donnerstag ein deutliches Nein aus dem Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg: In einer gemeinsamen Mitteilung geben Kunstministerin Theresia Bauer, Stuttgarts Oberbürgermeister Fritz Kuhn (beide Grüne) und Jossi Wieler bekannt, dass der Intendant seinen Vertrag über 2018 hinaus nicht verlängern werde. Wieler habe, liest man da, seine Entscheidung den Trägern bereits jetzt bekannt gegeben, „da es aufgrund der Planungszeiträume in der Oper erforderlich sei, Entscheidungen über Verträge von Intendanten möglichst drei Jahre im Voraus zu treffen“.

Begründet hat der Intendant seinen Entschluss mit seiner privaten Lebensplanung: 2018 – dann wird er 67 Jahre alt sein – will er „wieder als freier Regisseur in Oper und Schauspiel arbeiten“. Die Entscheidung sei ihm nicht leichtgefallen, liest man weiter, „denn Stuttgart ist die beste Theaterstadt, die man sich als Intendant und Regisseur wünschen kann“.

Wielers Erbe

Wenn Bauer und Kuhn die Verdienste des Intendanten um sein Haus loben (Kuhn: „Er ist eine künstlerische Persönlichkeit von herausragendem Rang“; Bauer: „Er hat der Oper Stuttgart als Regie führender Intendant ein unverwechselbares Profil verliehen, mit feinem Gespür und Mut immer wieder künstlerische Maßstäbe gesetzt und die Oper Stuttgart national und international in den Blickpunkt der Öffentlichkeit gerückt“), dann kann das Publikum dem nur zustimmen.

Seitdem Jossi Wieler 2011 als Nachfolger Albrecht Puhlmanns die Oper Stuttgart leitet, hat das Haus hoch konzentriert und auf sängerisch wie szenisch hohem bis höchstem Niveau Werke des Musiktheaters erarbeitet, ein breites Spektrum abgedeckt, dem Publikum Neues und Unbekanntes nahegebracht, hinter die Kulissen des Bekannten geschaut und dabei ein gutes Sängerensemble aufgebaut. Eine exzellent vernetzte Operndirektorin mit einem Händchen für Rollenbesetzungen, eine Dramaturgie, die den Spielplan als weites Assoziationsfeld versteht, engagierte Zuarbeiter in Technik und Werkstätten: Die Oper Stuttgart steht heute auch für funktionierendes Teamwork.

Schwere Last der Sanierung

Problematisch wird Wielers Entscheidung vor dem Hintergrund der voraussichtlich ab 2018/19 anstehenden Grundsanierung des Opernhauses. Jossi Wieler selbst hat stets für eine große Lösung plädiert. Diese würde aber mindestens fünf, womöglich gar sieben Jahre dauern.

Wegen des langen Planungsvorlaufs in der Oper will der Verwaltungsrat des Staatstheaters bereits im November eine Findungskommission mit der Suche nach einem Nachfolger beauftragen, der dann auch möglichst rasch gefunden werden soll. Dass dieser eine Oper im Ausnahmezustand übernehmen und durch lange Sanierungsjahre steuern soll, macht die Sache nicht gerade leicht – und legt eine hausinterne Lösung nahe. Wielers Chefdramaturg Sergio Morabito oder seine Operndirektorin Eva Kleinitz werden so zu heißen Kandidaten. Auch Juliane Votteler, bis 2006 zehn Jahre lang Chefdramaturgin unter Klaus Zehelein, wäre eine Option – ihr Vertrag als Intendantin des Theaters Augsburg läuft 2017 aus.

Ewige Baustelle Schauspiel

Während die Oper ihre Sanierung noch vor sich hat, kämpft das Schauspielhaus mit der immer noch nicht funktionierenden neuen Bühnentechnik. Intendant Armin Petras hat den Spielbetrieb 2013 trotzdem aufgenommen. Er wird aber im nächsten Sommer wegen weiterer Nachbesserungen das Haus bereits im Juli für eine verlängerte Sommerpause schließen müssen. Der Spielbetrieb indes ist davon nicht betroffen. Sanierungsfragen werden es also wohl nicht sein, die den Ausschlag für Bleiben oder Gehen geben werden.

Wenngleich die zweite Saison künstlerisch weniger glanzvoll ausfiel als die Eröffnungsspielzeit, wird Armin Petras’ Ensemble von Publikum und Kritik doch hoch geschätzt. Bereits zwei Inszenierungen wurden zudem zum Theatertreffen eingeladen. Petras’ Vertrag als Intendant läuft wie der von Jossi Wieler und von Ballettchef Reid Anderson bis 2018. Auf die Frage, ob er sich eine Vertragsverlängerung vorstellen kann, antwortet er: „Wir sind im Gespräch.“

Feste Größe Ballett

Egal, wen Tamas Detrich 2018 als Intendantenkollegen in Schauspiel und Oper an der Seite haben wird: Reid Andersons Nachfolger ist wie wenige im Staatstheater mit dem Opernhaus vertraut und hat als Tänzer bereits eine Sanierung des Littmann-Baus miterlebt. Mit dem international erfolgreichen Hauschoreografen Marco Goecke, mit weltweit gefeierten Tänzerstars wie Friedemann Vogel, Alicia Amatriain oder Jason Reilly, mit aufstrebenden Talenten wie Daniel Camargo und Elisa Badenes übernimmt Tamas Detrich als neuer Ballettintendant 2018 ein Ensemble, das nicht nur in Stuttgart eine feste Größe ist.

Zukunft der Staatstheater

Mehrere Jahre werden Sanierung und Erweiterung des Opernhauses allein in der Planungsphase benötigen; die Umsetzung des Gefundenen dauert entsprechend: Mit bis zu 400 Millionen Euro Kosten und bis zu sieben Jahren Bauzeit wird gerechnet; für drei davon soll das Opernhaus komplett schließen und der Spielbetrieb ausgelagert werden. Dem äußeren Umbau geht nun der innere voraus. Auf die neuen Intendanten warten nicht nur künstlerische Herausforderungen – ein Heimvorteil, wie ihn Tamas Detrich mitbringt, kann da sicherlich nicht schaden. Der größte Trumpf der Staatstheater ist jedoch: Alle drei Sparten sind bestens aufgestellt und mit tollen Künstlern gesegnet.