Gott zum Gruße: Herr Schmid Foto: dpa

Schade, dass die Rathaus-Kleingeister  "Großstadt zwischen Wald und Reben" abgeschafft habe.

Jammerschade, dass die Kleingeister im Rathaus den Slogan "Großstadt zwischen Wald und Reben" vor Jahren abgeschafft haben. Das Stuttgart-Bild war treffend und charmant. Aber es passte nicht ins großkotzige Programm stockkonservativer Fortschrittsdenker. Deshalb kam man bald auf "Partner der Welt", den Schrittmacher für "Das neue Herz Europas".

Es ist Sonntag, mit der Linie 7 fahre ich vom Scharnhauser Park Richtung Waldau zu den großen Kickers. Im Stadthaus Scharnhauser Park hat der Stuttgarter Künstler Platino am Mittag seine Ausstellung eröffnet. Als der Oberbürgermeister Ostfilderns die Existenz seiner Gemeinde "im Schatten der Landeshauptstadt" erwähnte, hätte ich am liebsten dazwischengerufen: Entspannen Sie sich, Herr Schultes, das Modell Ihres Stadthauses hängt in New York im Kunstmuseum, dorthin wird es der Blubberblasen-Bahnhof von Stuttgart 21 in tausend kalten Wintern nicht schaffen.

Mit der Sieben Richtung Talkessel. Nach Heumaden, Sillenbuch, über Wiesen und Felder in die vermurkste, sterile Großstadt-Architektur zwischen Silberwald und Rieslingreben. Als die Spontis in den achtziger Jahren Frankfurt in Krankfurt und Hannover in Hangover umtauften und nur Darmstadt seinen unschlagbaren Originalnamen ließen, erhielt auch Stuttgart ein Prädikat: "Großstadt zwischen Hängen und Würgen". Das hatte Klasse. Wer als Karikatur-Vorlage taugt, hat Charakter.

Leider lande ich als Spaziergänger auf Kessel-Tour am Ende oft zwischen lustigen Waldschraten und aufgescheuchten Rebhühnern in der Altstadt. Das Drumherum mit den Dörfern sehe ich zu wenig. Als ich jetzt durchs Grüne fuhr, wollte ich es wissen und rief durch den Waggon: Wo liegt das verdammte Nürtingen? Da stand ein Mann mit herunterhängenden roten Socken auf und sagte: Dort, wo der Schmid die Sonne verdunkelt.

Der nette Herr Schmid. Habe von ihm gehört. Oberster Spezialdemokrat. Viele Genossen sagen, dem Schmid fehle nicht nur das t am Namensschwanz, er habe auch alle Türen zur Demokratie versperrt. Herr Schmid ist der Herr, der Verhandlungen "auf Augenhöhe" verlangt. Wie tief, sagt der Mann mit den roten Socken, müsste man sinken, um dieses Maß zu erreichen?

Neulich, nach der Wahl, hat Herr Schmid folgenden Eintrag auf seiner Homepage hinterlassen: "Vielen Dank für Ihr Vertrauen! Der ECHTE WECHSEL ist da. Wir haben es geschafft, die CDU nach 57 Jahren in Baden-Württemberg in die Opposition zu schicken." In Wahrheit hat Herr Wechselschmid es geschafft, der SPD das schlechteste Wahlergebnis aller Zeiten zu bescheren. Das aber interessiert Herrn Schmid nicht. Herr Schmid, erzählte mir der Mann mit den roten Socken auf halbmast, interessiert sich nur für sich selbst.

Unlängst, bei der Kundgebung gegen Stuttgart 21 und Schmid-Großlippe, gingen die Demonstranten zur SPD-Zentrale auf dem Wilhelmsplatz. Wie erwartet, war die rote Baracke verlassen. Ich dachte, vielleicht hat einer der Sozen den Mut, am offenen Fenster zu rufen: "Vorwärts - und Schmid vergessen". Die Sozen aber hatten sich im Bunker unter dem Wilhelmsplatz verschanzt. Dass sich Genossen bei uns verstecken, hat Tradition. Ein SPD-Reichspräsident ist 1920 nach Stuttgart geflohen - allerdings nicht vor demokratischen Demonstranten, sondern vor rechtsradikalen Soldaten. Er hieß Ebert, hinten mit t.

Weiß der Teufel, warum sich die Dinge im Kessel immer zusammenfügen. Als ich nach dem glorreichen siebten Kickers-Sieg in Folge wieder in der Bahn durch Wald und Reben fuhr, las ich an der Wagenwand ein Gedicht von Erich Kästner:

"Ob Sonnenschein, ob Sterngefunkel / Im Tunnel bleibt es immer dunkel." Der Dichter hat es Herrn Schmid gewidmet. Es heißt "Die Grenzen der Aufklärung".