Haifische aus der Immobilienbranche in Stuttgarts östlichem Feuchtgebiet. Foto: dpa

Genau genommen ist mein Bad seit über 150 Jahren eine öffentliche Affäre.

Heute ist Samstag, mein Badetag. Das ist eine private Mitteilung, die in der Zeitung nichts zu suchen hätte - wäre mein Bad nicht um ein Schamhaar ein öffentlicher Katastrophenfall geworden.

Genau genommen ist mein Bad seit über 150 Jahren eine öffentliche Affäre, und in jüngster Zeit ist die Angst um mein Bad wieder extrem gewachsen. Erneut treiben sich Haifische aus der Immobilienbranche in Stuttgarts östlichem Feuchtgebiet herum, und man weiß nicht, ob und wann sie Durst auf Blut bekommen.

Mein Bad ist ein Wunder. Ähnlich wie manche Menschen ein zweites Standbein, die dritte Luft oder sieben Leben haben, profitieren die Besucher meines Bads von der Energie seiner Quelle. Mein Bad pumpt Menschen frisches Blut in die Adern und ins Hirn. Das Wasser meines Bads besitzt eine heilige Kraft. Diese Kraft ist vergleichbar mit Gott.

Dann, einen Tag bevor der erste Schnee im Winter des Jahres 2010 fiel, brach diese Nachricht über mich herein wie ein Dezembergewitter auf freiem Feld: "Umweltministerin Gönner badet im Mineralwasser."

Ich überlegte bereits, die Marine der Bundeswehr zu alarmieren, als sich mein mentaler Wasserstand kurz vor der Notstandsmarke einpegelte: "Gönner", las ich weiter, "badet mit Bild." Okay, dachte ich zunächst, die Sache scheint geklärt: Keiner wollte mit Frau Gönner in die Wanne. Da griff sie sich die "Bild"-Zeitung.

Dann aber fiel mir die Sache mit dem Mineralwasser ein. Bis heute ist an guten Tagen das Wasser meines Mineralbads sauber. Nicht kontaminiert. Da muss sich der Stammgast wie an der Einschlagstelle einer Arschbombe fühlen, wenn wie aus heiterem Himmel diese Schlagzeile auftaucht: "Gönner badet mit Bild".

Darunter war ein Foto zu sehen. Frau Gönner mit einem Reporter am Beckenrand im Wasser, beide im unbemützten Kopfbereich völlig trocken. Beide mit diesem Grinsen im Gesicht, wie ich es seit Jahren von Warmduschern und SaunaUntensitzern mit Gummischuhen kenne. Diese Pool-Propaganda diente dem Ziel, den Menschen unterzujubeln, das Mineralwasser sei nicht gefährdet.

Ich wusste nicht gleich, wie das gemeint war. Womöglich wollte "Bild" uns sagen: Keine Sorge, das Mineralwasser dieser Stadt geht selbst dann nicht zugrunde, wenn Frau Gönner und "Bild" darin herumschwimmen. Bei genauerem Hinsehen jedoch stellte sich heraus: Das Traumpaar wollte uns eintrichtern, die Mineralquellen würden selbst dann nicht versiegen, wenn Stuttgart 21 gebaut wird.

Diese Art der Beweisführung erscheint mir ziemlich unwürdig. Man kann doch nicht über die Unverletzbarkeit oder Zerstörung einer Mineralquelle befinden, indem man für ein paar Minuten Frau Gönner zu Wasser lässt. Und falls doch, kann das nur heißen: Beim Eintauchen ins Nass entfaltet Frau Gönner eine ähnliche Wirkung wie eine Tunnelbohrmaschine beim Angriff auf Mutter Erde.

Solche Selbstversuche sind im Übrigen gefährlich. Demnächst könnte Herr Mappus auf die Idee kommen, sich auf die Schienen zu legen, nur um dem Volk zu zeigen: Seht her, Verdammte dieser Erde, ein Schnellzug der Deutschen Bahn springt nicht mal im Extremfall aus den Gleisen.

So weit wird es nicht kommen. Frau Gönners Attacke auf das Mineralbad war nicht so schlimm wie zunächst befürchtet. Mein Badetag ist im Moment nicht gefährdet. Frau Minister schwamm, ihren "Bild"Matrosen im Kielwasser, im WeicheierBecken des Leuze. Ich gehe ins Bad Berg, zur Quelle der Harten und Untoten.