Dreikönigstreffen der FDP im Opernhaus Foto: dpa

Seit ich eine Weile ins Freie gehe, bevor ich schreibe, erlebe ich seltsame Dinge.

Seit ich mir angewöhnt habe, eine Weile im Freien herumzugehen, bevor ich etwas in den Computer tippe, erlebe ich seltsame Dinge. Einen Tag vor dem Fest zu Ehren der Heiligen Drei Könige befahl man mich am frühen Nachmittag per Lautsprecherdurchsage zurück ins Haus: "Bitte verlassen Sie das Außenbecken, ein Gewitter zieht auf." Es blitzte und krachte, und das Mineralwasser schäumte hemmungslos im Bad Berg. Vorsichtshalber zog ich mich in die Männersauna zurück, um über die Stürme des Lebens nachzudenken.

Gewitter sind heute nichts Besonderes mehr im Januarwinter, wo es im ganzen Land dermaßen drunter und drüber geht, dass der Präsident aus Angst vor seinem Schiffsuntergang Lautsprecherdurchsagen auf die nächstbeste Mailbox brüllt.

Am Morgen danach ging ich vom Charlottenplatz durch den Schlossgarten zum Bahnhof, langsam und achtsam; überall in der Stadt tritt man auf politisch verminte Erde. An jeder Ecke ist zu hören, schon am kommenden Montag wolle die Bahn den Südflügel des Bonatzbaus abreißen.

Im Opernhaus am Eckensee trudelte gerade das letzte Aufgebot der FDP ein. Einige liberale Herrschaften, erzählte mir später ein Kutscher, waren so orientierungslos am Bahnhof angekommen, dass sie sich im Taxi zur Oper karren ließen (wo sie keinen Cent Trinkgeld gaben). Einem gesunden Menschen hätte zur Bewältigung dieser Strecke eine Rolle vorwärts genügt.

Kaum war ich zu Fuß eingetroffen, führte eine Gruppe adrett kostümierter Jungliberaler (JuLis) in gebührendem Abstand zum Opernhaus eine Nummer auf, die mich an schlecht kopierte Küchenszenen aus der Comedy-Show "Dirty Dishes" (Schmutziges Geschirr) erinnerte. Die FDP-Zöglinge hielten aufgeklappte Pizzaschachteln mit Zetteln wie "Bürgergeld", "Ende der Personaldebatte" und "Freie Schulen" vor sich hin, und alle skandierten: "Liiieee-fert end-lich!" Ich dachte schon daran, ein paar ältere Damen aus der weiteren Umgebung zu rufen, um die Schreihälse mit Proviant ruhigzustellen, der normalerweise der Entenfütterung in den Außenbecken des Schlossgartens dient.

Halbwegs verständlich wurde das Protest-Getue erst beim Betrachten der Kulissen. Die FDP-Jungschar hatte sich vor einem dreirädrigen Kleintransporter mit der Aufschrift "Liberaler Lieferservice" aufgebaut, über den Köpfen ein Transparent mit der Kampfparole: "Genug gebacken. Liefert endlich."

Auf diese Weise folgen sie ihrer politischen Bestimmung: JuLis sind Mulis. Ordnungsgemäß lieferten sie dem Dreikönigstreffen den Dreikäsehoch-Prolog. Gut möglich, dass sie demnächst mit Möbelwagen vor den Parteibüros vorfahren müssen.

Beinahe hätte ihre Open-Air-Show exklusiv für mich und den Kameramann des SWR stattgefunden, wäre nicht noch ein lustiger Obdachloser aufgetaucht, um die Versammlung mit der neoliberalen Globalparole zu grüßen: "Freibier!"

Wundersamerweise ist die FDP immer noch im ehrenwerten Opernhaus der Stuttgarter Staatstheater am Eckensee zu Gange, obwohl für ihren Zwei-Prozent-Club längst das Dreigroschentheater am Marienplatz genügen würde. Die kleinste Bühne der Stadt böte FDP-Stars wie Rösler, Niebel & Döring inzwischen ausreichend Platz für die jährliche Neuinszenierung ihrer Drei-Goschen-Oper.

Jammerschade nur, dass als wahrer Protagonist und Repräsentant der freidemokratischen Königsklasse nicht mehr der originale Döring namens Walter zur Verfügung steht. Mit seiner Erfahrung als ministerieller Schutzherr verdorbener Kirmes-Fischbrötchen käme er für den liberalen Pizza-Service wie bestellt.