Schweden ist bei Asylbewerbern beliebt. Foto: dpa

Schweden galt lange Zeit als Klassenbester, wenn es darum geht, Asylbewerber in Arbeit zu bringen. Deshalb haben sich der baden-württembergische Wirtschaftsminister Schmid und Unternehmer aus dem Land die Situation vor Ort angeschaut. Warum sie nur wenig Vorbildliches finden.

Stuttgart/Stockholm - Für Dlbreen Suliman (26) ist Schweden jetzt Heimat. Im August 2014 ist er vor dem Bürgerkrieg und dem IS-Terror aus Qamischli in Syrien dorthin geflohen. Er mag das Land. „Vor allem die Menschen.“ Obwohl der Englischlehrer immer noch im Flüchtlingslager in Dals Rostock lebt und weder Wohnung noch Job findet. Er will gern für immer dort bleiben. „Es gibt kein anderes Land, das uns so empfängt wie Schweden“, sagt er. Die Flüchtlinge lieben Schweden. Aber: Schweden liebt die Flüchtlinge nicht mehr so sehr.

Das Land ist an seiner Belastungsgrenze angekommen. Im Herbst hat Schweden wieder Grenzkontrollen eingeführt, weil die Regierung die Asylbewerber nicht mehr unterbringen konnte. Vor Kurzem hat die schwedische Regierung angekündigt, Tausende Flüchtlinge wieder abzuschieben. Bis zum Jahresende 2015 hatten mehr als 160 000 Menschen Asyl in Schweden gesucht. Nach Schätzungen der Regierung würden rund 45 Prozent von ihnen abgelehnt, hieß es.

„Stockholm will nun mit voller Härte die Borschaft vermitteln, am Ende des Weges angekommen zu sein: Schweden kann und will bis aus Weiteres keine Flüchtlinge mehr aufnehmen“, sagt Bernd Parusel, Experte bei der Schwedischen Migrationsagentur.

Dabei galt Schweden lange Zeit als Vorzeigemodell, was die Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt betrifft. Auch darum hat sich unter der Leitung des Landeswirtschaftsministers Nils Schmid (SPD) eine Delegation aus Baden-Württemberg auf den Weg gemacht, um vor Ort Möglichkeiten der Integration zu erkunden, die auch für Baden-Württemberg Modellcharakter haben könnten.

So gibt es in Schweden etwa schon seit 2008 die Möglichkeit des sogenannten Spurwechsels, der auch in Baden-Württemberg immer wieder gefordert wird. Damit sollen zum einen humanitäre Härten vermieden werden. Zum anderen will die Regierung dadurch Kosten verringern, die entstehen, wenn Flüchtlinge abgeschoben werden.

Schwedischkenntnisse sind nicht für alle Berufe Pflicht

In der Praxis bedeutet der Spurwechsel, dass abgelehnte Asylsuchende, die während des Asylverfahrens gearbeitet haben, eine Aufenthaltserlaubnis zu Arbeitszwecken beantragen können. Für Baden-Württemberg hätte das zur folge, dass offene Stellen in den sogenannten Mangelberufen wie etwa im Pflegebereich leichter besetzt werden könnten.

„Es hat sich allerdings gezeigt, dass nur eine geringe Zahl von Asylbewerbern dieses Instrument nutzt“, sagt Schmid unserer Zeitung. Und tatsächlich haben nach Angaben von Bernd Parusel im vergangenen Jahr lediglich 237 abgelehnte Asylbewerber die Genehmigung bekommen. „Die Voraussetzungen für erfolgreiche Spurwechsel sind streng“, so der Migrationsexperte.

Einen wirklichen Vorbildcharakter für Baden-Württemberg habe Schweden nicht, sagt der baden-württembergische IG-Metall-Chef Roman Zitzelsberger in Stockholm. „In Schweden geht man viel hemdsärmliger an das Thema Arbeitsmarktintegration ran als in Baden-Württemberg“. So seien für viele Berufe Schwedischkenntnisse nach Ansicht der Regierung nicht zwingend erforderlich. „Das finde ich nicht besonders vorbildlich“, sagt Zitzelsberger. Der Ansatz in Baden-Württemberg sei, Flüchtlinge über Qualifikation etwa im Rahmen der dualen Ausbildung in Jobs zu bekommen und nicht, indem man die Ansprüche absenkt. „Die duale Ausbildung gibt es dort gar nicht.“

Tatsächlich geht Schweden von einem ganz anderen Qualifizierungsniveau aus. Nach Angaben der Regierung sind 50 Prozent der Neuankömmlinge, wie die Schweden ihre Asylbewerber nennen, qualifiziert. In Baden-Württemberg haben laut Christian Rauch, Arbeitsagenturchef im Land, nur acht Prozent der Asylbewerber, eine akademische Ausbildung und elf Prozent eine Ausbildung als Facharbeiter. Der Rest verfüge über gar keine berufliche Qualifikation, so Rauch. Schweden dagegen berücksichtigt bei der Anerkennung von Qualifikationen auch sogenannte weiche Faktoren, also die soziale Kompetenz, und weitere beschäftigungsrelevante Faktoren.

In baden-württembergischen Pilot-Projekten haben 158 Flüchtlinge Jobs gefunden

Schweden strebe an, die Asylbewerber über sogenannte Schnellverfahren möglichst zügig in den Arbeitsmarkt zu integrieren, sagt Zitzelsberger. „Das kann einen zusätzlichen Druck auf dem Arbeitsmarkt für Geringqualifizierte erzeugen“, so der Gewerkschaftschef. Zwar seien in Schweden ein Großteil der Beschäftigten in tarifgebundenen Unternehmen tätig. „Es ist aber zu befürchten, dass gering qualifizierte Asylbewerber gerade in jene Bereiche gedrängt werden, in denen es keine geregelten Arbeitsverhältnisse gibt.“

Es gibt in Schweden seit Anfang des Jahres verschiedene Schnellverfahren für Mangelberufe, die einen zügigen Zugang zum schwedischen Arbeitsmarkt erlauben. Das erste existiert seit Februar und richtet sich an Köche. Bislang sind 50 Menschen im Programm. Das Schnellverfahren für Beschäftige im medizinischen Sektor beginnt noch im Frühjahr und soll 100 Flüchtlinge umfassen. Ein weiteres für Metzger ist bislang für 20 Neuankömmlinge angelegt.

In Baden-Württemberg läuft an drei Pilot-Standorten seit Frühjahr 2015 das Programm Stella der Arbeitsagenturen: In Ludwigsburg, Tübingen und in Offenburg. Dabei werden pro Standort drei Mitarbeiter für die Arbeit mit den Flüchtlingen abgestellt. Die Asylbewerber erhalten Sprachkurse und Nachhilfe, um bei ihrer Berufsausbildung das baden-württembergische Niveau zu erreichen. Bis Ende des Jahres konnten von 563 Projekt-Teilnehmern 98 in Arbeit und 11 in Ausbildung gebracht werden. Bei einem weiteren Integrationsprojekt in Freiburg haben letzte Jahr 60 Flüchtlinge Arbeit und acht einen Ausbildungsplatz gefunden.