Theaterspielen beflügelt, wie ein Teilnehmer beweist. Es bringt aber – wie das Leben – auch manche harte Landung mit sich. Foto: Stoppel

Goethe und Schiller als Berufscoaches: Das Jobcenter Rems-Murr animiert Langzeitarbeitslose zum Theaterspielen und entdecken neuer Berufsperspektiven. Ob das klappt, ist hier zu lesen.

Welzheim - Taugen Goethe und Schiller, beide Dichter und Kinder des 18. Jahrhunderts, als Jobcoaches für Menschen im Hier und Jetzt? Na klar, findet Dorit Remmert vom Sozialunternehmen Projektfabrik. Seit September weist das gemeinnützige Unternehmen 15 Menschen aus dem Rems-Murr-Kreis, die alle seit längerer Zeit vergeblich eine Arbeitsstelle suchen, Wege ins Berufsleben auf. Manche haben studiert, andere haben mehrere Berufe erlernt, wieder andere gar keinen.

„Jobact to connect“ nennt sich das vom hiesigen Jobcenter finanzierte Theater- und Qualifizierungsprojekt, bei dem die Teilnehmer zum einen mit dem Bewerbungsmanager Ronny Parthaune Bewerbungsstrategien gelernt, Lebensläufe überarbeitet und Interessen und Stärken ausgelotet haben. Zum anderen haben sie mit dem Regisseur Alexej Boris das Stück „Verkopftes Herz“ erarbeitet: eine Hommage an Goethe und Schiller. Der eine war ein Gefühlsmensch, der andere ein kühler Denker. Trotz aller Gegensätze waren sie befreundet.

Kunst als Bildungsprinzip

Auch Theaterarbeit und berufliche Qualifizierung würden oft als Gegensatz gesehen, sagt Dorit Remmert: „Aber einer, der sich schön ergänzt.“ Kunst als Bildungsprinzip – mit diesem Ansatz habe die Projektfabrik bisher annähernd 5000 Menschen neue berufliche Perspektiven aufgezeigt, erzählt Remmert: „Im Sommer steht die 300. Premiere ins Haus.“ Im März steht aber zunächst die von „Verkopftes Herz“ auf dem Programm. Sie findet bei „Eins und Alles“ in der Laufenmühle statt, denn die Christopherus Lebens- und Arbeitsgemeinschaft, eine Einrichtung für Menschen mit Behinderungen, ist Projektpartner. „Kunst als Mittel der Inklusion ist nichts Neues für uns“, sagt deren Pressesprecherin Daniela Doberschütz. Das Theaterprojekt sei für ihre Einrichtung ein weiteres Standbein und Arbeitsfeld neben der Behinderten- und Jugendhilfe.

Das Theaterprojekt sei ein Versuch, Stärken der Teilnehmer herauszuarbeiten und zu wecken, sagt Gunnar Schwab, der Geschäftsleiter des Jobcenters Rems-Murr. Eine Bilanz werde man zwar erst Mitte des Jahres ziehen, nachdem die Teilnehmer eine dreimonatige Praktikumsphase abgeschlossen haben. Bemerkenswert sei aber: „Alle, die dieses Projekt angefangen haben, sind dabei geblieben.“ Das sei der große Unterschied zu anderen Jobcenter-Maßnahmen, von denen mancher Teilnehmer ein gutes Dutzend besucht hat.

Vom Pflegebereich in den kreativen Kochbereich

Sein Leben in die Hand zu nehmen und zu gestalten – das üben die Langzeitarbeitslosen beim Projekt. Ganz im Sinne von Joseph Beuys’ Überzeugung: „Jeder Mensch ist ein Künstler.“ „Wir machen was, und das ist wichtig“, sagt ein Teilnehmer. „Ich kann nun über meinen Schatten springen“, zieht eine Teilnehmerin Bilanz, die sagt, sie habe bisher mit Theaterspielen nichts am Hut gehabt. Bislang hat sie im Pflegebereich gearbeitet, nun will sie sich in Richtung „kreativer Kochbereich“ orientieren.

Die Theaterarbeit sei anstrengend wie ein Arbeitstag, sagt Marko Dietrich: „Aber ich habe keine Sekunde bereut.“ Der 53-Jährige ist gelernter Verkäufer, hat im Lagerbereich gearbeitet und wegen Rückenproblemen auf Industriekaufmann umgeschult. „Seit 2011 versuche ich, Fuß zu fassen“, sagt er: „Ich hoffe, dass mir ein Arbeitgeber eine Chance gibt.“ Goethe hätte Marko Dietrichs Wunsch verstanden. Er hat einst niedergeschrieben: „Des echten Mannes wahre Feier ist die Tat.“

Das Projekt auf der Bühne

Idee
Die Sozialarbeiterin Sandra Schürmann hat die Projektfabrik Witten im Jahr 2005 gegründet. Das Sozialunternehmen bietet Langzeitarbeitslosen mit dem Projekt „Jobact“ die Chance, in sechs Monaten ein Theaterstück zu erarbeiten und dabei Kompetenzen zu trainieren und stärken. Zudem gibt es Bewerbertrainings. Darauf folgt eine dreimonatige Praktikumszeit, die idealweise zu einem Job führt.

Umsetzung
Das Jobcenter Rems-Murr hat die Projektfabrik beauftragt, einige ihrer Klienten im Rahmen von „Jobact“ weiterzubilden. Die Christopherus Lebens- und Arbeitsgemeinschaft tritt als Kooperationspartner auf und stellt beispielsweise Räume.

Aufführungen
Das Stück „Verkopftes Herz“ ist am 9. und 10. März, 19.30 Uhr, bei „Eins und Alles“, Laufenmühle 8, in Welzheim zu sehen. Freikarten gibt es unter www.projektfabrik.org.